Lausitzer Teichlandschaften – ökologisch wertvolle Biotope
Die Vielfalt an Lebensräumen für Tiere und Pflanzen ist in den Lausitzer Teichlandschaften besonders groß. Dadurch finden hier auch seltene und geschützte Arten eine ökologische Nische. Prof. Dr. Irene Ring (Technische Universität Dresden) und Dr. Uwe Brämick (Institut für Binnenfischerei Potsdam-Sacrow) vom Projekt „TeichLausitz“ berichten im Interview über die Dringlichkeit, dieses einzigartige Biotop zu schützen.
Was verbirgt sich hinter dem Namen TeichLausitz?
Uwe Brämick: Die Lausitz ist wie der Aischgrund in Franken und die Oberpfalz eine Region, deren Landschaftsbild von Karpfenteichen maßgeblich geprägt ist. Neben ihrem Hauptzweck, der Aufzucht von Fischen, sind Teiche auch aus ökologischer Sicht höchst wertvoll. Für viele Tier‐ und Pflanzenarten, insbesondere spezialisierte Lebewesen, stellen diese durch Menschen angelegten Biotope einen Ersatzlebensraum zu ursprünglichen Ökosystemen dar und gehören zu Hotspots der Artenvielfalt. Gleichzeitig erbringen sie eine ganze Reihe von Ökosystemleistungen, denken Sie zum Beispiel an Wasser- und Nährstoffrückhalt in der Landschaft. In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Zahl der teichwirtschaftlichen Unternehmen ebenso wie die von ihnen bewirtschaftete Fläche jedoch deutlich reduziert, weil die sich ändernden Rahmenbedingungen in der Summe kaum noch eine auskömmliche Bewirtschaftung zulassen. Ohne diese degradieren und degenerieren Teiche sehr schnell und verlieren ihre Funktionalität nicht nur für Fische, sondern für das gesamte Ökosystem. Höchste Zeit also für ein Projekt zur Erhaltung der Karpfenteiche in der Lausitz – TeichLausitz.
Was ist Ihr Forschungsgegenstand und wen beziehen Sie in Ihrer Arbeit mit ein?
Irene Ring: Am Beispiel der Lausitzer Teichlandschaften in den Ländern Brandenburg und Sachsen wird mit einem inter- und transdisziplinären Ansatz erforscht, wie diese ökologisch wertvolle Kulturlandschaft mit ihrer Artenvielfalt gesichert werden kann. Dazu haben wir ein Konsortium aus drei wissenschaftlichen Partnern unterschiedlicher Fachdisziplinen und einem Praxispartner, der Biosphärenreservatsverwaltung Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft gebildet. Natur-, wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Fragestellungen werden in enger Rückkopplung und unter Einbeziehung verschiedener Akteure und Anspruchsgruppen (Stakeholder) in der Lausitz untersucht. Dazu gehört eine Analyse aktueller Governancestrukturen und Politikinstrumente, die im Zusammenhang mit dem Erhalt der Biodiversität und die Honorierung ökologischer Leistungen in Teichlandschaften stehen ebenso wie die Erfassung von Biodiversität in Teichen mit unterschiedlicher Bewirtschaftung. Es werden Ökosystemleistungen identifiziert, erfasst und bewertet und wesentliche Zusammenhänge zwischen teichwirtschaftlicher Rentabilität und Biodiversität untersucht und dargestellt.
Im Rahmen der Untersuchungen kommen neben etablierten Verfahren auch innovative Methoden zum Einsatz, wie beispielsweise neue Methoden zur Beteiligung von Stakeholdern, eDNA-Analysen (Umwelt-DNA) zur Erfassung des Artenreichtums in aquatischen Systemen oder ein agri benchmark genanntes Verfahren für betriebswirtschaftliche Analysen. Unternehmen und Verbände der Teichwirtschaft in der Lausitz, Fischerei-, Wasser- und Naturschutzbehörden, Tourismusverbände wie auch regionale Institutionen verschiedener Fachgebiete werden im Rahmen einer Stakeholder-Plattform das Vorhaben von der Planung über die gemeinsame Datenerhebung und Ergebnisinterpretation bis hin zur Entwicklung und Anwendung von Endprodukten begleiten
Was verstehen Sie unter nachhaltig bewirtschafteten Teichlandschaften und welche Veränderungen sind notwendig, um die aktuelle Bewirtschaftung nachhaltiger zu gestalten?
Uwe Brämick: Die allermeisten Karpfenteiche in Europa wurden vor Jahrhunderten angelegt und seitdem bewirtschaftet, so auch in der Lausitz. Die Bewirtschaftungsmethoden haben sich dabei im Grundsatz kaum verändert, Karpfenteichwirtschaft ist immer eine sehr extensive Form der Erzeugung von tierischem Eiweiß in artenreichen Ökosystemen geblieben. Eine „Industrialisierung" wie in anderen Bereichen der Landwirtschaft hat es hier vielleicht mit Ausnahme einer kurzen Zeitspanne in der DDR nicht gegeben. Dass die Teiche immer noch in Funktion und heute als wertvolle und sehr artenreiche Ökosysteme geschätzt sind, ist Beleg für ihre ökologisch nachhaltige Bewirtschaftung. Problematisch ist heute die wirtschaftliche Nachhaltigkeit. Gesucht werden also Ansätze für ökologisch und ökonomisch nachhaltige Bewirtschaftungsformen. Dafür bedarf es insbesondere einer Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen durch Politik und Behörden.
Welche Herausforderungen sehen Sie für diese nachhaltige Gestaltung in den nächsten 20 bis 30 Jahren?
Irene Ring: Die größte Herausforderung ist die akute Gefahr der Aufgabe von Unternehmen der Karpfenteichwirtschaft und damit letztendlich des Verlustes von Karpfenteichen. Verlieren Teiche durch Bewirtschaftungsaufgabe erst einmal ihre Funktionalität, ist eine spätere Restaurierung nicht mehr bezahlbar. Zahlreiche FFH (Flora-Fauna-Habitate)-Gebiete in dieser Teichlandschaft müssten mit vergleichsweise teuren, staatlich finanzierten Landschaftspflegemaßnahmen in ihrem naturschutzfachlichen Wert erhalten werden. Mittelfristig sehen wir die größte Herausforderung deshalb in einer stärkeren gesellschaftlichen Inwertsetzung von Teichlandschaften mit deren Biodiversität und Ökosystemleistungen und einer daraus resultierenden Weiterentwicklung der aktuellen Rahmenbedingungen von der EU über die nationale bis hin zur Landesebene.
agri benchmark
agri benchmark ist ein globales Netzwerk von Agrarökonomen, Beratern und Produzenten. Mit einer standardisierten Methode werden Produktionssysteme, ihre Wirtschaftlichkeit, Rahmenbedingungen und Perspektiven für die wichtigsten Agrargüter und Agrarmärkte weltweit verglichen. Seit einigen Jahren wird die Methode international als 'typical farm approach' bezeichnet, auch für den Vergleich von Produktionssystemen in der Aquakultur angewandt. Bisher wurden für Europa insbesondere Forellen- und Karpfenproduktionssysteme analysiert. Dabei werden typische Betriebe modelliert, die es in der Realität nicht gibt, die es aber geben könnte. Dies erlaubt es, Auswirkungen von Veränderungen, u.a. politischer Entscheidungen, auf einzelne Betriebe zu untersuchen, was mit realen Betriebsdaten aus datenschutzrechtlichen Gründen sonst nicht möglich.
Welche Ergebnisse erhoffen Sie sich von TeichLausitz und welche Maßnahmen könnten helfen, sie umzusetzen?
Uwe Brämick: Zunächst erhoffen wir uns, mit diesem Vorhaben zur Erhaltung von bewirtschafteten Karpfenteichen und ihrer herausragenden Artenvielfalt sowie ihrer vielfältigen Leistungen für Mensch und Landschaft beizutragen.
Irene Ring: Dazu ist es erforderlich, dass die Projektergebnisse und daraus abgeleiteten Empfehlungen bei der Gestaltung maßgeblicher Rahmenbedingungen Berücksichtigung finden. Wir erwarten uns beispielsweise vertiefte Erkenntnisse zu Lenkungswirkungen rechtlicher Strukturen und Förderprogrammen. Außerdem wollen wir erfolgreiche Ansätze für die weitere Gestaltung dieser Rahmenbedingungen und für die Unterstützung gesellschaftlicher Transformationsprozesse entwickeln.
Uwe Brämick: Am Ende des Projektes werden wir hoffentlich auch mehr zu den Wechselwirkungen zwischen unterschiedlichen Bewirtschaftungsvarianten von Karpfenteichen, Artenvielfalt, Ökosystemleistungen und betriebswirtschaftlichen Konsequenzen verstehen. Dazu zählt unter anderem auch, inwieweit eine veränderte Ausgestaltung von Fördermaßnahmen möglich ist, um die gesellschaftlichen Leistungen teichwirtschaftlicher Unternehmen besser zu entlohnen und somit Biodiversität und Ökosystemleistungen durch rentables Wirtschaften zu sichern.
Irene Ring: Schließlich sollen auch weitere potenzielle Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Karpfenbetriebe in Sachsen, Brandenburg und im Vergleich mit weiteren Regionen in Deutschland wie dem Aischgrund betrachtet und bewertet werden, um zur Entwicklung innovativer Governanceoptionen und Politikinstrumente beizutragen.
Infobox Fördermaßnahme BiodiWert
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert mit der Fördermaßnahme "Wertschätzung und Sicherung von Biodiversität in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft" (BiodiWert) Projekte, die durch die Entwicklung innovativer Bewertungskonzepte, Governancestrukturen sowie (Politik-) Maßnahmen den Stellenwert von Ökosystemleistungen und Biodiversität auf unternehmerischer und gesellschaftlicher Ebene steigern – und damit wirksam zur Sicherung von Biodiversität beitragen.