Wie geht es weiter mit der Energiewende?
US-Präsident Trump hat den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen angekündigt – Europa ist aber gegen ein neues Abkommen und hat sich zu den Klimazielen von Paris bekannt. Doch wie geht es weiter mit der Energiewende in Deutschland? Und woran arbeiten die Energieforscher ganz konkret? Der FONA-Podcast stellt die Kopernikus-Projekte für die Energiewende vor.
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"Die Entscheidung kann und wird uns alle, die wir uns dem Schutz unserer Erde verpflichtet fühlen, nicht aufhalten. Im Gegenteil." Bundeskanzlerin Angela Merkel ist entschlossen, sich den Herausforderungen des Klimawandels zu stellen – gemeinsam mit anderen Ländern und in Deutschland selbst. Damit reagierte sie auf die Ankündigung von US-Präsident Trump, aus dem Pariser Klimaabkommen auszusteigen.
Die Energiewende ist in Deutschland das wichtigste klimapolitische Projekt, um den CO2-Ausstoß zu senken. Der Anteil von erneuerbarem Strom ist mittlerweile auf ein Drittel gestiegen. Doch die nächsten Schritte gehen weit darüber hinaus, sagte Hildegard Müller, Vorstand Netz und Infrastruktur von Innogy beim BMBF-Zukunftskongress „Energieoffensive 2030" in Berlin: "Wir werden alleine im Stromsektor die CO2-Ziele nicht reduzieren können, Wärme und Verkehr müssen hinzukommen. Und das zweite ist, und das will ich ausdrücklich unterstützen, dass der Weg, den das BMBF in der Energieforschung geht, weitergegangen werden soll. Die Forschungsinvestitionen sind sehr, sehr hilfreich in diesem Bereich und ich hoffe, da wird eine neue Bundesregierung nicht eingreifen. Die Ermöglichung hier technologieoffen und effizient voranzukommen ist ganz entscheidend."
Technologieoffen heißt: Die Forschung legt sich nicht von Anfang an fest auf eine Technologie, sondern erforscht verschiedene Optionen.
Für den Verkehrssektor bedeutet das: Auch wenn die Mobilität der Zukunft elektrisch ist, wird es noch eine Weile dauern, bis mehr Menschen bereit sind, sich ein Elektroauto zu kaufen. Noch sind sie zu teuer und die Reichweiten zu gering. Gleichzeitig ist der Verkehrssektor der einzige, in dem die CO2-Emissionen steigen, weil immer mehr Menschen mit immer mehr Fahrzeugen unterwegs sind. Deshalb sind hier Lösungen dringend nötig: Georg Schütte, Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, erklärt wie eine dieser Lösungen aussehen könnte: "Wir sehen, dass der Wandel nicht von heute auf morgen beispielsweise von Verbrennungsmotoren zu Elektromotoren sich vollziehen wird. Synthetische Kraftstoffe sind eine Übergangstechnologie, die CO2-neutral ist und die wir weiter erproben und erkunden wollen."
Chemieunternehmen stellen mit Hilfe von Ökostrom die synthetischen Kraftstoffe aus Wasserstoff und CO2 her. Bei der Herstellung entziehen sie der Luft dafür so viel CO2, wie später bei der Verbrennung dieser so genannten E-Fuels freigesetzt wird – und die Autos müssten nicht extra umgebaut werden.
Die Technologie, die dahinter steht, nennt sich Power-to-X, wobei „Power" für den erneuerbaren Strom steht und „to-X" für die verschiedenen Möglichkeiten, diesen zu speichern und zu nutzen. Der Kopernikus-Projekt P2X ist eines von vier Forschungsprojekten für die Energiewende, das diese Power-to-X-Technologie erforscht – und damit genau eines der Beispiele für die sogenannte Sektorenkopplung, also die Verbindung des Stromsektors mit dem Verkehrssektor und der Wärme.
Die vier Kopernikus-Projekte für die Energiewende werden vom BMBF über einen Zeitraum von zehn Jahren mit insgesamt 400 Millionen Euro gefördert und sind damit die größte Forschungsinitiative für die Energiewende. Ein weiteres Projekt neben P2X ist ENSURE: Die Partner in ENSURE arbeiten an der Entwicklung von Stromnetzen, um diese an das steigende und schwankende Angebot von Strom aus Sonne und Wind anzupassen.
Das dritte Kopernikus-Projekt SynErgie erforscht die Neuausrichtung von Industrieprozessen auf diese schwankende Energieversorgung, denn gerade die Unternehmen, die viel Strom und Wärme verbrauchen, sind darauf angewiesen, dass sie flexiblere Lösungen finden, um ihren Maschinenpark am Laufen zu halten, auch wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Das vierte Kopernikus-Projekt arbeitet am besseren Zusammenspiel aller Sektoren des Energiesystems und entwickelt dafür das ENavi, ein Energiewende-Navigationssystem.
Warum es sinnvoll ist, die Energieforschung wie in den vier Kopernikus-Projekten fachübergreifend mit Projektpartnern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft zu organisieren, erklärt Prof. Robert Schlögl. Er ist der wissenschaftliche Sprecher der Kopernikus-Projekte:
Weil die Energiewende systemisch Fragen stellt und man die Energieforschung deshalb besser auch systemisch organisiert und nicht darauf vertraut, dass Einzelprozesse zusammen ein sinnvolles Ganzes ergeben. Immer da wo erhebliche Schnittstellen im Energiesystem stattfinden, zum Beispiel bei den Sektorenkopplungen: Wie kriegt man Strom in die anderen Energiebereiche, aber vor allem auch: Wie kriegt man die Energiewende in die Köpfe der Gesellschaft? Auch das ist ein Thema, das von zentraler Bedeutung ist.
Deshalb arbeiten bei den Kopernikus-Projekten Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft von Anfang an eng zusammen: Forschungseinrichtungen wie die Max-Planck und die Fraunhofer-Gesellschaft sowie viele Universitäten, große Industrieunternehmen wie Siemens, ABB, Bosch, Audi, Linde und namhaften Mittelständler wie Trimet, Heraeus und Schott sowie zahlreiche NGOs wie der BUND, der NABU, die Deutsche Umwelthilfe und das Öko-Institut. Warum das BMBF auf diesen Weg setzt, erklärt Staatssekretär Schütte: "Die vier Kopernikus-Projekte haben alle gemeinsam, dass sie über einen längeren Zeitraum neue Ideen hervorbringen wollen. Das Besondere ist, dass sie langfristig wirken und dass sie am Ende in konkreten Produkten, Prozessen und Innovationen enden und landen sollen."
Christian von Olshausen von der Firma sunfire aus Dresden, die Power-to-X-Technologien entwickelt, betont, warum der Handlungsdruck so groß ist: "Es gibt genug ernstzunehmende Stimmen, die sagen, wir haben genau ein Menschenleben noch Zeit, um das Klima in den Griff zu kriegen. Ich persönlich glaube, dass ein Wandel hin zu einer vollständige nachhaltigen oder CO2-neutralen Energiewirtschaft ungefähr 100 Jahre dauern wird. Wir müssen den Einsatz der fossilen Energieträger zurückfahren und gleichzeitig den Anteil der erneuerbaren hochschrauben. Und das in allen Sektoren!"
Die Herausforderungen sind klar: Den CO2-Ausstoß schnell und deutlich senken, vor allem im Verkehr. Den Anteil von erneuerbaren Energien weiter steigern und dieses schwankende Angebot gut ins Stromnetz integrieren. Die Industrieprozesse daran anpassen. Und von Anfang an die Gesellschaft in alle Forschungsfragen mit einbeziehen. Die Kopernikus-Projekte greifen viele dieser Fragen heute schon auf, um das Energiesystem für die Zukunft fit zu machen. Bisher hat sich die Energiewende auf den Stromsektor konzentriert – nun nimmt das BMBF die Wärmewende und eine umfassende Mobilitätswende in Angriff.
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