Neue Chemikalien-Stoffdatenbank hilft Wasserqualität sichern

Arzneien, Kosmetika oder Waschmittel: Aus Produkten des täglichen Lebens gelangen kontinuierlich unterschiedliche Chemikalien ins Abwasser. Viele von ihnen können bislang nicht erfasst werden – ein Risiko für die Wasserqualität. Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) wollen bislang nicht erkannte Spurenstoffe nun dingfest machen.

Gemeinsam mit Partnern aus Behörden, Wissenschaft und Wirtschaft entwickeln sie neue Verfahren, um die „Fingerabdrücke“ der Schadstoffe systematisch zu erfassen und in einer neuen Datenbank zu veröffentlichen. Um die Zuverlässigkeit der neuen Analyseverfahren zu prüfen, bittet die TUM deutschlandweit Labore um Beteiligung an einem Ringversuch.

Etwa 100.000 verschiedene Chemikalien sind innerhalb der Europäischen Union auf dem Markt. Sie befinden sich in vielen Produkten des täglichen Lebens: in Arzneien und Kosmetika, in Waschpulver und Farben sowie Desinfektionsmitteln und Pestiziden. Viele der chemischen Verbindungen sind noch nicht analytisch erfasst, über das Auftreten und die Wirkung vieler Abbauprodukte ist bislang wenig bekannt. Klar ist allerdings, dass schon kleinste Mengen bestimmter Chemikalien eine große Wirkung auf Umwelt und Gesundheit haben können. Werden die Spurenstoffe in Kläranlagen nicht vollständig abgebaut, können sie Wasserpflanzen und Fische schädigen oder sich in den Lebewesen anreichern – mit Folgen für die Ökosysteme in Flüssen oder Seen. Gelangen toxische oder hormonell wirksame Verbindungen darüber hinaus in die Nahrungskette oder in das Trinkwasser, können sie auch für den Menschen problematisch werden.

Wissenschaftler der Technischen Universität München (TUM) und des Bayerischen Landesamtes für Umwelt (LfU) wollen diese bislang nicht erkannten Spurenstoffe nun dingfest machen. Im Rahmen des Verbundprojektes RISK-IDENT entwickeln sie gemeinsam mit Experten aus Behörden, Hochschulen und Unternehmen neue Verfahren, um die „Fingerabdrücke“ der Schadstoffe, über deren unverwechselbare molekulare Eigenschaften, im Wasser systematisch zu erfassen. „Zwar wird im Rahmen der ‚normalen’ Reinigung und Aufbereitung von Abwasser ein Großteil der Schadstoffe entfernt“, sagt Dr. Thomas Letzel, Dozent an der Technischen Universität München. “Dennoch können diejenigen Verbindungen, die nicht abgebaut werden, die Wasserqualität beeinträchtigen, trotz ihrer teilweise geringen Konzentration. Gerade diesen Spurenstoffen kann man nur mit modernsten analytischen Verfahren auf die Spur kommen, und auch nur wenn sie auf ‚das Molekül genau‘ arbeiten.“

Suspected-Target-Screening ist der Fachbegriff für die Detektivarbeit, die Thomas Letzel und seine Projektpartner durchführen. Wie in der klassischen Analytik werden die in einer Wasserprobe gelösten chemischen Substanzen zunächst chromatographisch getrennt. In einem zweiten Schritt kann mittels Massenspektrometrie die jeweils spezifische Masse der einzelnen Moleküle bestimmt werden. Im Projekt RISK-IDENT geht das Konsortium nun noch einen Schritt weiter: Neben der jeweiligen Molekularmasse (und der Bruchteile) werden die Retentionszeiten der Moleküle, also ihre Fließgeschwindigkeit, bestimmt und normiert. Wie ein „Fingerabdruck“ erlaubt es dieser zusätzliche Parameter, chemische Stoffe eindeutig zu identifizieren – und das über verschiedene Laboratorien hinweg. Die so gewonnenen „Fingerabdrücke“ fließen in eine öffentliche Datenbank (STOFF-IDENT) ein.

„Ziel ist es, bislang nicht erkannte Spurenstoffe mit den neu erfassten Daten abzugleichen und sie so zu ‚überführen’“, sagt Letzel. Möglich wird dieser Abgleich u.a. durch die Einbindung der Stoffdaten aus der europäischen Verordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) in die Datenbank. REACH verpflichtet Hersteller und Importeure von Chemikalien dazu, deren physikalische und chemische Eigenschaften zu veröffentlichen und Umwelt- und Gesundheitsgefahren aufzuführen. „Auf dieser Grundlage lässt sich in Zukunft schneller und mit größerer Sicherheit sagen, welche Wasserschadstoffe sich hinter einigen wenigen Molekülen verbergen“, ist sich Letzel sicher.

Projektinformation: Das Bundesforschungsministerium unterstützt mit der Fördermaßnahme „Risikomanagement von neuen Schadstoffen und Krankheitserregern im Wasserkreislauf (RiSKWa)“ 12 Verbundprojekte mit ca. 30 Mio. Euro Fördermitteln. Ziel ist es, innovative Technologien und Konzepte zum Risikomanagement von neuen Schadstoffen und Krankheitserregern für den vorsorgenden Gesundheits- und Umweltschutz zu entwickeln. Das Verbundprojekt RISK-IDENT soll bislang nicht identifizierte anthropogene Spurenstoffe bewerten und Handlungsstrategien zum Risikomanagement im aquatischen System entwickeln. Koordiniert wird das Projekt vom Bayerischen Landesamt für Umwelt; Partner sind: Technische Universität München, Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, Zweckverband Landeswasserversorgung Stuttgart, CONDIAS GmbH.

Aufruf zum Ringversuch zu Retentionszeitindex:
Um die Zuverlässigkeit der neuen Analyseverfahren zu gewährleisten, bittet die TUM deutschlandweit LC-MS-Labore um die Teilnahme an einem Ringversuch. Beteiligen können sich alle Labore, die Trennungen basierend auf C18-Umkehrphasenmaterial durchführen. Dabei müssen die Labore nicht zwingend im Abwasserbereich tätig sein. Ein Referenzmix (mit verschiedenen organischen Substanzen) und einer Lösung mit „unbekannten“ Substanzen sollen dabei mit der etablierten LC-MS Methode vermessen werden. Zudem sollen die Retentionszeiten softwaregestützt normiert werden (Software unter „openMASP.hswt.de“).  (http://www.afg.wzw.tum.de/index.php?id=11&tx_ttnews[tt_news]=7&cHash=45716d448f6dc17cde798df83406b911)

Weitere Informationen:

http://risk-ident.hswt.de