Expedition mit der HEINCKE: Forscherteam untersucht versunkene Munition am Meeresgrund
Bis zu 1,3 Millionen Tonnen Munition vermuten Forschende allein im deutschen Teil der Nordsee. Es handelt sich um Relikte aus beiden Weltkriegen. Während einer Expedition mit dem Forschungsschiff HEINCKE nimmt ein Forscherteam jetzt Proben in der Nähe von Schiffswracks, um die Gefahren durch Kampfmittel zu analysieren.
Die Kampfmittel befinden sich im Rumpf gesunkener Wracks, wurden als Minen verlegt oder nach den Kriegen vor den Küsten verklappt. Über die Auswirkungen und Gefahren, die der giftige Inhalt dieser rostenden Altlasten - unter anderem der Sprengstoff TNT - auf Fische, Pflanzen und Menschen hat, ist bisher nur wenig bekannt. Ein europäisches Forschungsteam unter Leitung des Deutschen Schifffahrtsmuseums (DSM) / Leibniz-Institut für Maritime Geschichte sucht nun im Rahmen des 2018 gestarteten Projekts „North Sea Wrecks" nach Antworten.
Während einer Expedition mit dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsschiff HEINCKE werden jetzt Schiffswracks aus den beiden Weltkriegen in der Nordsee untersucht. Ziel ist unter anderem der Marinekreuzer SMS Mainz, der 1914 westlich von Helgoland von britischen Kriegsschiffen versenkt worden war. In der Nähe liegen zudem die Wracks der SMS ARIADNE und der V187 auf dem Meeresboden. Neben der Entnahme von Proben sollen auch Miesmuscheln ausgebracht werden, die in drei Monaten wieder eingesammelt und auf toxikologische Substanzen untersucht werden sollen.
Beteiligt sind neben dem DSM und dem Alfred-Wegener Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Belgien, Dänemark, Norwegen, Niederlande und Deutschland. Die Ergebnisse werden ab August 2021 in einer Wanderausstellung präsentiert. Nach dem Start in Bremerhaven macht die Wanderausstellung Halt in allen am Projekt beteiligten Ländern.
Ein großer Teil der Altmunition liegt bereits seit mehr als 70 Jahren im Wasser. Daher zeigen viele Metallgehäuse mittlerweile starke Korrosion. Beschädigungen sorgen dafür, dass der Sprengstoff im Inneren freiliegt und Chemikalien an das umgebende Wasser abgeben kann. Explosive Verbindungen sind zwar nur schlecht in Wasser löslich, aber sie enthalten giftige und krebserregende Chemikalien. Die Stoffe könnten von Fischen und Muscheln aufgenommen werden und so in den Nahrungskreislauf gelangen, wie Studien zu verklappter Munition belegen.
Wichtige Erkenntnisse in diesem Forschungsfeld hat auch das vom BMBF geförderte Projekt UDEMM erzielt. In dem Vorhaben wurde von 2016 bis 2019 erforscht, welche Umweltfolgen das Austreten giftiger Substanzen bei der Bergung von Kampfmitteln entstehen könnten. Zudem wurde eine Strategie für die effektive Überwachung der Altlasten im Meer entwickelt. Hierfür nutzten die an UDEMM beteiligten Meeresforschungsinstitute modernste Bildgebungsverfahren, um die vorhandene Munition zu identifizieren sowie neueste chemische Analyseverfahren, um die Freisetzung von Munitionschemikalien im Umkreis der Lagerstätte zu untersuchen. Das Projekt kooperierte mit dem Technologievorhaben RoBEMM, bei dem es die Entwicklung von Robotern zur Kampfmittelberäumung am Meeresgrund ging. RoBEMM wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) ebenfalls über drei Jahre gefördert.