2. Internationale FEdA-Konferenz: Globale Lösungsansätze für die Biodiversität
Expertinnen und Experten aus aller Welt diskutierten am 4. und 5. Dezember 2024 Strategien gegen den weltweiten Verlust der biologischen Vielfalt.
Mehr als 150 Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Politik und Praxis haben auf Einladung der BMBF-Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt (FEdA) an deren zweiter internationaler Konferenz unter dem Titel "Reversing Biodiversity Loss – Conflicts, Telecoupling and Successful Practices" teilgenommen. Ziel der Konferenz war es, aktuelle Strategien und Ansätze zur Bewältigung der Biodiversitätskrise vorzustellen und sich über die Herausforderungen bei ihrer Umsetzung auzutauschen. Die Teilnehmenden waren sich einig, dass traditionelle Naturschutzmaßnahmen, wie der Schutz von Biotopen oder die Wiederherstellung degradierter Flächen, nicht ausreichten. Vielmehr seien systemische Veränderungen zum Schutz der Biodiversität und Ökosystemleistungen nötig. Diese reichten von verbesserten Biodiversitätsreportings durch Unternehmen über die Einbeziehung von lokalen Gruppen und deren Interessen in Naturschutzprojekte bis hin zur stärkeren Integration von Technologien.
Ein Appell zur Dringlichkeit
Bundesforschungsminister Cem Özdemir eröffnete die Konferenz mit einer Videobotschaft. Eindringlich warnte er darin vor den Folgen des anhaltenden Biodiversitätsverlusts: "80 % der natürlichen Lebensräume in Europa sind in einem kritischen Zustand. Intakte Ökosysteme sind jedoch essenziell für unsere Lebensgrundlagen." Er unterstrich, wie eng die Biodiversitätskrise mit dem Klimawandel verknüpft sei. Bemühungen um den Naturschutz müssten dabei weitere gesellschaftliche Interessen berücksichtigen, zum Beispiel in der Landwirtschaft. Die Eröffnungsrede bildete den Auftakt zu einem intensiven Austausch darüber, wie die Hauptursachen des Biodiversitätsverlusts – darunter Landnutzungsänderungen, Klimawandel und Umweltverschmutzung – effektiv angegangen werden können.
Systemische Ansätze und Verantwortung der Wirtschaft
David Obura, Vorsitzender des Weltbiodiversitätsrates IPBES (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services), betonte in seinem Einführungsvortrag die Bedeutung systemischer Ansätze. "Die Wissenschaft weiß, was notwendig ist, um Biodiversität zu schützen – doch die Umsetzung scheitert oft an Interessenskonflikten und mangelnder Zusammenarbeit", so Obura. Maßnahmen zur Förderung von Naturschutz könnten nur dann erfolgreich sein, wenn auch Konsum- und Produktionsmuster grundlegend verändert würden.
Pavan Sukhdev, CEO von GIST Impact und ehemaliger Vorsitzender von WWF International, stellte Daten vor, die den konkreten Beitrag einzelner Unternehmen zur globalen Biodiversitätskrise zeigen. Seinen Berechnungen zufolge seien die wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen die Hauptursachen des Biodiversitätsverlusts. Dazu zählten CO₂-Emissionen, Wasserverbrauch und die Zerstörung natürlicher Lebensräume. Sukhdev forderte, dass Unternehmen nicht nur die direkten, sondern auch die indirekten Auswirkungen ihrer Aktivitäten messen und minimieren müssten. Die unternehmerischen Daten, die den jeweiligen Beitrag zum Biodiversitätsverlust festhalten, seien bereits vorhanden. Sie könnten mithilfe eines eigens entwickelten Dashboards visualisiert werden, um passende, konkrete Maßnahmen zu entwickeln. Wichtig seien auch innovative Ansätze wie die sektorale Zusammenarbeit, um spezifische Lösungen für Branchen wie Energie, Landwirtschaft und Bergbau zu erarbeiten. Aus Sukhdevs Sicht müsse der Fokus verstärkt auf die Reduktion von langfristigen indirekten Schäden gelegt werden, die aktuell oft unterschätzt werden.
Der ökonomische und gesellschaftliche Wert der Natur
Ein zentrales Thema der Konferenz war die Bewertung der Biodiversität aus ökonomischer und gesellschaftlicher Perspektive. Martin Quaas vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) in Leipzig präsentierte Methoden zur Erfassung des monetären Werts von Ökosystemleistungen. Dabei zeigte er, dass der Wert von Leistungen wie Erholung, Kohlenstoffbindung oder Artenvielfalt oft weit über den wirtschaftlichen Erträgen läge. Ein Beispiel: Aus dem Aufwand, den Menschen betreiben, um zu Wäldern zu gelangen, berechnete er den Erholungswert deutscher Wälder auf 25 Milliarden Euro jährlich – ein Vielfaches der Erlöse aus der Holzwirtschaft. Jasper Kenter von der Aberystwyth University ergänzte diese Ansätze um die kulturelle und spirituelle Bedeutung der Biodiversität. Sie werde in ökonomischen Modellen oft unzureichend berücksichtigt. „Die Beziehung der Menschen zur Natur ist mehr als ein ökonomischer Austausch. Sie prägt unsere Identität, unsere Kultur und unser gesellschaftliches Miteinander", so Kenter.
Technologie und konkrete Maßnahmen als Schlüssel
Neben wissenschaftlichen Konzepten standen auch konkrete Maßnahmen im Fokus der Veranstaltung. Besonders wichtig: der Einsatz von Technologien zum Monitoring und zum Schutz von Ökosystemen. Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) und Fernerkundung könnten beispielsweise Biodiversitätsverluste effizienter erkannt und damit adressiert werden. Teja Tscharntke legte dar, dass der ökologische Landbau nicht das Allheilmittel gegen den Biodiversitätsverlust in der EU sein könne. Vielmehr brauche es kleinere Parzellengrößen mit vielfältigen Randbereichen und vielfältigen Fruchtfolgen. Umweltfreundliche synthetische Agrochemikalien und die Präzisionslandwirtschaft könnten darüber hinaus zu einer höheren Effizienz der landwirtschaftlichen Flächen beitragen.
Fazit: Biodiversitätsschutz ist notwendig – und ein Generationenprojekt
Zum Abschluss der Konferenz zogen die Veranstalter von der FEdA-Koordinierungsstelle ein klares Fazit: Der Schutz der Biodiversität sei nicht nur eine ökologische Notwendigkeit, sondern auch ein gesellschaftliches und wirtschaftliches Generationenprojekt. Er könne nur gelingen, wenn alle Akteure – von der Wissenschaft über die Wirtschaft bis hin zur Politik und Zivilgesellschaft – eng zusammenarbeiten. Der Sprecher der FEdA, Prof. Dr. Volker Mosbrugger, hob hervor, dass vor allem der Abbau von Konflikten zwischen Naturschutz und anderen gesellschaftlichen Interessen wie der Landwirtschaft entscheidend sei. Gleichzeitig müssten innovative Technologien und umfassende Bildungsinitiativen stärker in die Praxis integriert werden. "Wenn wir den Verlust der biologischen Vielfalt umkehren wollen, brauchen wir eine systemische Veränderung, denn Biodiversität ist mit allem verbunden. Wo immer wir versuchen etwas zu verändern, gibt es Konflikte – und die Moderation dieser Konflikte ist entscheidend."