Monatsthema Oktober "Ernährungssicherung" - Gute Ernten dank innovativer Pflanzenforschung
Eine gelungene Ernte ist seit jeher in nahezu allen Kulturen ein Anlass für Feierlichkeiten. In Deutschland kennen wir insbesondere das Erntedankfest, das am kommenden Sonntag gefeiert wird. Eine der Getreidearten, die für unsere Ernährung und damit auch für das Erntedankfest eine zentrale Rolle spielt, ist der Weizen. Nach Mais und Reis stellt er das weltweit am dritthäufigsten angebaute Getreide dar. Doch seine Erträge sind, wie auch bei allen anderen Sorten, zunehmend in Gefahr. Ob Klimawandel mit Extremwetterereignissen, Schädlinge oder Bodendegradation, unser Getreide muss bereits heute einiges aushalten. Hinzu kommt, dass die Anzahl der zu er-nährenden Menschen stetig steigt und der Anbau möglichst nachhaltig erfolgen soll. Für all diese Herausforderungen sucht der Projektverbund „BRIWECS“ Lösungen. Mit ihren Projekten legen die Forschenden die Grundlage für widerstandsfähige Sorten und nachhaltige Anbausysteme.
Ob Brot, Pasta oder Müsli– Weizen ist aus der Ernährung kaum wegzudenken. Weltweit wurden im Anbaujahr 2018/2019 rund 730 Millionen Tonnen Weizen geerntet. Dabei stellt er nicht nur eine zentrale Säule der menschlichen Ernährung, sondern auch der Tiernahrung dar. Die Bedürfnisse sind dabei in den unterschiedlichen Teilen der Erde ganz verschieden. Während in den Industrieländern die Nachfrage nach nachhaltig angebautem Weizen steigt, verlangt das Bevölkerungswachstum in den Schwellen- und Entwicklungsländern nach Sorten mit möglichst hohen Erträgen.
„Breeding Innovation in Wheat for Resilient Cropping Systems", kurz BRIWECS, ist der Name eines vom BMBF geförderten Verbundprojektes, das sich seit fast fünf Jahren mit dem Weizen und dessen Anbausystemen befasst. Geleitet wird das Projekt von Professor Hartmut Stützel der Leibniz-Universität Hannover. Gemeinsam mit Forschenden aus den Universitäten Bonn, Kiel und Gießen sowie dem Julius-Kühn-Institut und dem Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung setzt er sich intensiv mit der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Weizens auseinander. Rund 15 Jahre dauert es im Schnitt, bis eine neue Sorte angebaut wird. Dementsprechend war es den Forschenden wichtig, nicht nur die Ansprüche von heute zu kennen, sondern auch die der Zukunft abzuschätzen. Dabei spielen nicht nur klimatische Faktoren, sondern auch Erwartungen der Landwirte sowie der Verbraucherinnen und Verbraucher eine wichtige Rolle.
Dem Weizen der Zukunft auf der Spur
In einer weltweit einzigartigen Studie untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nahezu 200 Weizensorten, die in den letzten 50 Jahren für die Landwirtschaft in Europa von Bedeutung waren. Dabei war für sie von besonderem Interesse herauszufinden, welche Sorten unter welchen Bedingungen besonders hohe Erträge liefern und welche Anbausysteme für welche Standorte besonders lohnenswert sind. Hierfür wurde die Leistungsfähigkeit jeder Sorte an unterschiedlichen Standorten unter intensiven und unter extensiven Bedingungen untersucht. Im Gegensatz zum intensiven Anbau werden beim extensiven Anbau deutlich weniger agrochemische Produkte wie Dünger oder Pflanzenschutzmittel verwendet. Für die nachhaltige Landwirtschaft ist das von hoher Bedeutung.
Dank ihrer umfangreichen Bestandsaufnahme ist es nun möglich, die optimalen Bedingungen für die untersuchten Sorten besser einzuordnen. Welche Sorte benötigt besonders viel Sonne? Welche Sorte ist besonders widerstandsfähig gegen Trockenstress oder Krankheitsbefall? Während an einem Standort der Anbau besonders robuster Sorten notwendig sein kann, sind an anderen Standorten ertragreichere Sorten gefragt. Bei dem Projekt ging es daher nicht um die Suche nach dem besten Weizen, sondern nach der passendsten Sorte für bestimmt Verhältnisse. Damit liefert das Vorhaben auch einen wichtigen Beitrag zu den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen, insbesondere zu Ziel 2 „Zero Hunger".
Überraschende Ergebnisse - Insbesondere neue Sorten tragen zu Ertragsstabilität und Nachhaltigkeit bei
Die Studienergebnisse entsprachen in vielen Punkten den Erwartungen der Forschenden. So wurden im intensiven Anbau Ertragssteigerungen im Durchschnitt etwa 32 kg/ha pro Zulassungsjahr verzeichnet. Eine Überraschung boten hingegen die Ertragsdaten aus dem extensiven Anbau, bei dem deutlich weniger Dünger und Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden. Hier fiel der Ertragsfortschritt nicht geringer aus, sondern war ebenso hoch oder sogar noch höher als im intensiven Anbau. Auch hinsichtlich der Leistungsfähigkeit alter und moderner Sorten im Vergleich stießen die Forschenden auf eine spannende Erkenntnis. Entgegen der allgemeinen Annahme, dass moderne Pflanzensorten nur im intensiven Anbau leistungsfähig sind, zeigten die neuen Sorten auch im extensiven Anbau die besten Ergebnisse. Die Erklärung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler: Die intensive Züchtung der vergangenen Jahre, die primär auf höhere Erträge ausgerichtet war, hat indirekt auch die Gesamtleistung der Sorten verbessert. Über die Jahre fand eine ständige Akkumulation von vorteilhaften Genvarianten statt, die zu insgesamt robusteren, widerstandsfähigeren und ertragsstabileren Sorten geführt hat. Eine wichtige Erkenntnis, denn nun ist klar, dass eine ressourceneffiziente und nachhaltige Landwirtschaft, mit wenig Einsatz von Dünger und Pestiziden, am besten mit den neuesten Sorten gelingen wird. Die Ergebnisse der Forschungen hat der Verbund im Juni 2019 in der renommierten Zeitschrift „Nature Plants" veröffentlicht. Damit hat der Forschungsverbund „BRIWECS" mit seiner herausragenden Arbeit einmal mehr verdeutlicht, welchen Stellenwert innovative Forschung für unsere nachhaltige Zukunft hat – damit Anlässe wie das Erntedankfest auch für kommende Generationen ein Grund zum Feiern sein werden.