Sondereinsatz in der Arktis: Forschungsschiffe SONNE und MARIA S. MERIAN starten mit strengen Hygieneregeln

Die deutschen Forschungsschiffe SONNE und MARIA S. MERIAN starten am 18. Mai in Richtung Arktis - sie versorgen das Forschungsschiff POLARSTERN. Der Austausch von Personal und Fracht für die MOSAiC-Expedition findet in einem Fjord auf Spitzbergen statt. Andrea Gerriets von der Leitstelle Deutsche Forschungsschiffe erklärt die Besonderheiten dieses Einsatzes.

Frau Gerriets, wie schwierig ist der bevorstehende Sondereinsatz
Da sind zunächst einmal die Genehmigungen: Das Forschungsschiff SONNE ist gewöhnlich in wärmeren Gefilden unterwegs, für die Fahrt hoch in den Norden benötigt es eine Sondererlaubnis – auch wenn die Gegend zu dieser Jahreszeit weitgehend eisfrei ist. Und auch die MERIAN benötigt eine Ausnahmeregelung: Zwar hat sie eine so genannte Polar-Zertifizierung, darf jedoch nicht so viele Personen aufnehmen wie jetzt für den Austausch erforderlich. Deshalb müssen wir an Deck eigens spezielle hochsee- und arktistaugliche Wohncontainer aufstellen. Nur so können wir bis zu 104 Passagiere mit den beiden Schiffen in den Isfjord bei Longyearbyen bringen.

Warum ausgerechnet dorthin?
Für die Übergabe brauchen wir ein geschütztes Seegebiet mit möglichst ruhiger See. Die POLARSTERN muss deshalb ihre aktuelle Position im Arktischen Meereis verlassen und unsere beiden Schiffe vor Spitzbergen treffen. Die gehen dann längsseits und werden mit Hilfe der Bordkräne Ausrüstung, Proviant und die neue Crew an Bord bringen. Das funktioniert nur bei minimalem Seegang. Umgekehrt werden die bisherige Mannschaft und eine Reihe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an Bord der SONNE und MERIAN nach Bremerhaven zurückkehren. Auch ohne Corona hätte der Austausch über die norwegische Inselgruppe erfolgen sollen. Allerdings wären Ersatzcrew und Forschende dann per Flugzeug an- und weitergereist. Doch die Region ist wegen der Pandemie gesperrt und Norwegen schreibt bei der Einreise eine 14-tägige Quarantäne vor - deshalb ist dies jetzt nicht möglich.

Womit wir beim Thema wären: Wie lassen sich Corona-Infektionen an Bord möglichst vermeiden? Dort gibt es schmale Gänge und kleine Schiffskabinen – was da passieren kann, sehen wir ja aktuell auf den großen Kreuzfahrtschiffen.
Gemeinsam mit dem Alfred-Wegener-Institut, das die POLARSTERN betreibt, der Reederei Briese und den zuständigen Gesundheitsbehörden haben wir einen strengen Quarantäneplan erstellt sowie einen umfassenden Krisenplan im Falle eines Ausbruchs. So müssen Passagiere und Besatzung vor Betreten des Schiffes ausnahmslos 14 Tage lang vor Ort in Isolation und werden währenddessen mehrfach getestet. Während der Beladung dürfen nur sehr wenige unverzichtbare Dienstleister überhaupt an Bord – Temperaturmessung ist Pflicht, Mundschutz obligatorisch. Erst wenn alle Tests negativ ausfallen, werden Crew und Passagiere mit speziellen Bussen an Bord gebracht. Zur Sicherheit wird auch, wer von Bord geht, nachträglich getestet.

Und während der Fahrt?
Sind erst einmal alle gesund an Bord, können wir durch die Tests und die umfangreichen Quarantänemaßnahmen im Vorfeld auf eine strenge Kontaktsperre verzichten. Dennoch gelten natürlich die Hygieneregeln, die wir alle kennen. Tritt doch ein Verdachtsfall auf, ist das Schiff zusätzlich mit Schutzausrüstung und Tests ausgestattet. Außerdem würde ein genau durchdachter Isolations- und Desinfektionsplan greifen. Das Gleiche gilt auch für die Rückfahrt, auch wenn wir dann natürlich nur Personen an Bord haben, die ohnehin bereits Wochen und Monate isoliert waren.

Wann werden die Schiffe zurück sein? Wie geht es danach weiter?
Wenn alles läuft wie geplant und das Wetter mitspielt, werden beide Schiffe Anfang Juni wieder in Bremerhaven sein. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie die ausgewechselte Mannschaft können dann erstmals seit Ende Januar an Land gehen. Anschließend kehren MERIAN und die SONNE nach Emden zurück und halten sich dort für weitere Forschungsfahrten bereit. Natürlich kommt dies nur unter besonderen Sicherheitsvorgaben infrage. Das heißt: Anfahrt und Ankunft ausschließlich in Deutschland, kein Einschiffen von Personen in ausländischen Häfen, vorbereitende Quarantäne und Tests, strenge Verhaltensregeln an Bord und natürlich Einzelbelegung der Kammern. Ergänzend werden ohnehin geplante Wartungen und Reparaturen an den Schiffen vorgezogen.

Das klingt, als hätten Sie in den vergangenen Wochen viele hektische Momente gehabt. Haben Sie das alles im Homeoffice bewerkstelligt?
Teils, teils – für vieles gibt es ja mittlerweile gute digitale Lösungen. Dennoch ist der Kommunikationsaufwand enorm. Weil wir mitten im Geschehen sind, müssen wir abends und am Wochenende auch mal länger ansprechbar sein. Wir stehen im engen Austausch mit den Reedereien, den Schiffen, Behörden, Forschungsinstituten und Förderern. Und es geht ja weiter: Neben der Unterstützung für die POLARSTERN entwickeln wir gemeinsam auch Pläne, wie wir die Schiffe anschließend wieder sicher in die Forschung entsenden können.

 

Koordination der Forschungsschiffe

Die Leitstelle Deutsche Forschungsschiffe an der Universität Hamburg betreibt die Forschungsschiffe MARIA S. MERIAN, SONNE und METEOR. Die Schiffe sind weltweit für die grundlagenbezogene Hochseeforschung im Einsatz. Die Leitstelle ist für die wissenschaftlich-technische, logistische und finanzielle Vorbereitung, Abwicklung und Betreuung des jeweiligen Schiffsbetriebs verantwortlich. Wissenschaftlicher Leiter ist der Geologe Prof. Dr. Christian Betzler.