Welttag der Dürre: Einfluss der Trockenheit in den Tropen - Auch Regenwälder sind von Dürre bedroht. Zum Wassermangel in Südwest-Amazonien forscht das BMBF-Projekt PRODIGY

Dürre wird mit Bildern rissiger Böden und ausgetrockneter Flussläufe assoziiert, Regenwald mit tropfnassen Wäldern. Dürre betrifft aber insbesondere feuchte Gebiete mit viel Niederschlag. In Südwest-Amazonien untersuchen die Forschenden des Projekts PRODIGY aus der BMBF-Fördermaßnahme BioTip die Grenzen der Widerstandskraft von Ökosystemen und deren Kipppunkte.

Der austrocknende Regenwald

Dürre ist ein weit verbreitetes Phänomen, das die meisten Ökosysteme, insbesondere feuchte Gebiete mit viel Niederschlag betrifft. In Südwest-Amazonien erforschen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Projekts PRODIGY aus der BMBF-Fördermaßnahme BioTip die Grenzen der Widerstandskraft von Ökosystemen und deren Kipppunkte. Ein Ziel dieses Forschungsprojekts ist es, die Auswirkungen von ausbleibendem Regen und dadurch verlängerten Trockenperioden zu untersuchen.

Dürre ist nicht nur ein klimatisches Phänomen, sondern wird stark durch Boden und Gesellschaft mitgeprägt. Sind Ökosysteme und Gesellschaft an ausreichend Wasser angepasst, ist Wassermangel schneller erreicht, als in Gebieten mit wenig Wasser. Daraus folgt, dass Dürre relativ zum jeweiligen sozial-ökologischen System betrachtet werden muss.

In Amazonien sind vier Wochen ohne Regen bereits mit ernsten Folgen verbunden. Auch die Forschungsregion von PRODIGY (MAP Region) in Südwest-Amazonien gehört zu diesen Gebieten. Die MAP Region liegt in der amazonischen Peripherie der drei südamerikanischen Länder Peru, Brasilien und Bolivien. Ihre Bezeichnung bildet sich aus den Namen der drei involvierten Bundesstaaten Madre de Dios (Peru), Acre (Brasilien) und Pando (Bolivien). Noch vor 20 Jahren gehörte die Region zu den unberührtesten Gebieten im Amazonas.

MAP Region: Regenwälder unter Druck

Heute leben in dieser Region insgesamt mehr als drei Millionen Menschen und diverse Landnutzungssysteme prägen die Landschaft. Die fortschreitende Agrargrenze sowie eine bereits zu beobachtende regionale Veränderung des Klimas hin zu verlängerten Trockenperioden setzen große Flächen von Primär- und Sekundärwald unter Druck. Diese Veränderungen haben Auswirkungen auf das Leben der Menschen, die von den Dienstleistungen der Ökosysteme abhängig sind, wie zum Beispiel die Sammlerinnen und Sammler von Paranüssen (colectores de castanha) oder von Kautschuk (seringueiros). Das Resultat sind Interessenskonflikte zwischen großen Landbesitzenden, lokalen Kleinbäuerinnen und -bauern, indigenen Gruppen, Umweltschützerinnen und -schützern sowie anderen Interessensgruppen.

Einfluss der Dürre in der MAP Region

Dürre stellt sich als die größte Herausforderung für die Menschen der MAP-Region dar. Das Projekt PRODIGY (Process-based & Resilience-Oriented management of DIversity Generates sustainabilitY) betrachtet die Verwundbarkeit der sozial-ökologischen Systeme dieser Region. Bisher wurde Dürrestress im Zusammenhang mit sozial-ökologischen Kipppunkten im Amazonasregenwald nicht erforscht. Im Projekt PRODIGY wird Bodenbiodiversität als möglicher Kipppunkt des Amazonas untersucht. Wenn die zeitlichen Abstände zwischen Dürreperioden so kurz werden, dass das Ökosystem es nicht schafft, sich vollständig zu regenerieren, tritt eine Schwächung des Gesamtsystems ein. Bereits in den Jahren 2005 und 2010 wurden aufeinanderfolgende „Jahrhundertdürren" beobachtet, die eine vollständige Erholung des Ökosystems verhindert haben könnten. Überschreitet das System eine Grenze, den sogenannten Kipppunkt, wird das Ökosystem soweit geschwächt, dass es seine erwarteten Funktionen nicht mehr wahrnehmen kann. Der Boden übernimmt hier eine wichtige Funktion, indem er die ungleichmäßige Wasserzufuhr durch Niederschläge speichert und Pflanzen gleichmäßig zur Verfügung stellt.

PRODIGY-Forschung

Eine wichtige Forschungsfrage ist, wie lange der tropische Wald und die tropischen Böden in der MAP Region einem Dürre-Stress standhalten können, bevor sich negative Folgen für Natur und Mensch bemerkbar machen. Um dieser Frage nachzugehen, führen die PRODIGY-Forschenden Feldversuche durch, die eine Veränderung im Muster und der Intensität von Niederschlagsereignissen reproduzieren, indem sie auf Teilen des Bodens durch den Aufbau von „Dächern" künstlich Trockenheit erzeugen. Zu verschiedenen Zeiten im Jahr vergleichen sie dann die Bodeneigenschaften unter den Dächern mit den Bodeneigenschaften neben den Dächern, die unter natürlichem Einfluss standen. Sie gehen von einem sich selbstverstärkenden Effekt aus. Böden verlieren mit wiederholender Dürre die Fähigkeiten, Pflanzen mit Wasser und Nährstoffen zu versorgen. Verliert der Boden diese Eigenschaften, werden die Ernten durch Dürren zunehmend stärker beeinträchtigt. Die zugrundeliegende Hypothese: Biodiversität im Boden ist ein wichtiger Teil des Sicherheitsnetzes, welches Pflanzen auch in Zeiten der Dürre mit Wasser und Nährstoffen versorgt. Bei zunehmender Frequenz und Intensität der Dürren leidet aber die biologische Vielfalt im Boden und geht sukzessive verloren und dies bis zu einem Punkt, bei dem sich die klimatische Dürre unmittelbar auf die Ernte auswirkt.

Resilienz als Chance

Die Menschen in der Region haben bereits festgestellt, dass sie sich zeitnah um Anpassung ihrer Fruchtfolgen und um verändertes Saatgut bemühen müssen: Besonders Frauengruppen experimentieren hier bereits mit Anpassungsoptionen; auch entstehen punktuell innovative Agroforstsysteme, die die veränderten Bedingungen bereits berücksichtigen und von denen die Region und die Forschung viel lernen können.

Auch an dieser Stelle leistet PRODIGY einen Beitrag: Durch das Verständnis verzahnter Prozesse und ineinandergreifender Systeme sowie guter Wissenschaftskommunikation kann das Forschungsprojekt dazu beitragen, Menschen der MAP-Region in ihrer Zukunftsplanung zu unterstützen und Lokalregierungen bei ihren Resilienz- und Anpassungsbestrebungen zu beraten.

Hintergrund

Das Projekt PRODIGY aus der Fördermaßnahme „Kipppunkte, Dynamik und Wechselwirkungen von sozialen und ökologischen Systemen (BioTip)" wird von 2019 bis 2022 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit rund 4,6 Mio. Euro gefördert.

Das Projekt konzentriert sich auf bodenbiodiversitätsgetriebene Prozesse zur Steuerung der Resilienz des Amazonasregenwaldes. Es leistet einen Beitrag zur wissenschaftlichen Aufklärung sozial-ökologischer Mechanismen, die das Ökosystem Amazonas, seine Funktionen und Leistungen fundamental beeinflussen. Ziel ist es, Hilfe zu leisten bei einer gesellschaftlichen Transformation, die ein Überleben des Ökosystems und der vom Amazonas lebenden anthropogenen Gemeinschaften sichert.

In dem Projekt arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Koblenz-Landau (Koordinator: Prof. Hermann Jungkunst), der Freien Universität Berlin, der Universität Bremen, der Leibniz-Universität Hannover, der Rheinischen Friedrich-Wilhelm-Universität Bonn und der Universität Kassel mit Partnern aus Peru, Bolivien und Brasilien.