Was lernen wir aus den letzten Hitzesommern? „HeatResilientCity“ entwickelt gemeinsam mit Wissenschaft, Kommunen, Wohnungswirtschaft und Bürgerschaft Maßnahmen für hitzeresiliente Städte & Quartiere

Wie können sich Städte in Zukunft an die zunehmende Sommerhitze anpassen? Welche Anpassungsmaßnahmen sind wirksam? Wie können Umsetzungshemmnisse abgebaut werden? Diese und weitere Fragen untersucht das BMBF-Forschungsprojekt „HeatResilientCity“.

Herausforderung Hitzebelastung in innerstädtischen Quartieren

Die Sommer der letzten Jahre haben gezeigt, wie stark Hitzebelastung unsere Gesundheit und Lebensqualität beeinträchtigen kann. Die zunehmende Intensität und Häufigkeit von Hitzeperioden stellen vor allem für Städte wachsende Herausforderungen dar. Durch die dichte Bebauung und die großflächige Bodenversiegelung entwickeln sich in urbanen Gebieten sogenannte Hitzeinseln. Die Temperaturunterschiede zwischen Kernstadt und Umland können entsprechend hoch ausfallen. So wurden bspw. 2018 am Dresdner Flughafen 28 Hitzetage gezählt. Das sind Tage, an denen die Temperatur 30 °C erreicht oder übersteigt. An der innerstädtischen Klimamessstation Dresden-Neustadt wurden dagegen 44 Hitzetage registriert.

Bürgerinnen und Bürger empfinden die Hitzebelastung in innerstädtischen Quartieren ebenfalls am höchsten. Im Zuge einer Bürger:innenbefragung im Dresdner Stadtteil Gorbitz gaben über 91 Prozent der Befragten an, die Hitzebelastung in der Innenstadt als sehr, bzw. eher belastend zu empfinden. Über 42 Prozent der Befragten gaben an, durch Hitze oft an Schlafstörungen zu leiden. Mehr als 21 Prozent litten oft an Kreislaufproblemen während sommerlicher Hitzeperioden. Besonders gefährdet in Hitzeperioden sind ältere Menschen und Personen mit Vorerkrankungen, aber auch Säuglinge, Kleinkinder, schwangere Frauen oder Personen, die beruflich schweren körperlichen Tätigkeiten nachgehen.

Bundesweite Web-Konferenz „HeatResilientCity"

Das BMBF-Forschungsprojekt „HeatResilientCity: Hitzeresiliente Stadt- und Quartiersentwicklung in Großstädten – Bewohnerorientierte Wissensgenerierung und Umsetzung in Dresden und Erfurt" hat zum Ziel, die sommerliche Hitzebelastung in Städten zu reduzieren. Seit 2017 entwickelt das Forschungsteam sozial gerechte und nutzerakzeptierte Anpassungsmaßnahmen für Gebäude und Freiräume und setzt diese als Pilotprojekte in zwei Untersuchungsquartieren in den Landeshauptstädten Dresden und Erfurt um. Mitte September 2020 fand die bundesweite Web-Konferenz „HeatResilientCity: Akteure, Freiraum und Gebäude im Stresstest – Hitzestrategien aus Wissenschaft, Kommunen, Wohnungswirtschaft und Bürgerschaft" des Projekts statt. Das Forschungsteam stellte seine bisherigen Erkenntnisse aus Klima- und Gebäudesimulationen, Ökosystemuntersuchungen, Bürgerbeteiligungen und Akteursanalysen vor. Neben Fachbeiträgen aus dem Verbundteam wurde das Programm durch zahlreiche externe Vortragende abgerundet. Über 170 Akteur:innen aus Forschung, Verwaltung, Wirtschaft und Politik diskutierten die Forschungsergebnisse, Praxisbeispiele sowie Handlungsstrategien.

Mehr Bäume und Grün – wirksame Maßnahmen zur Hitzeresilienz in der Umsetzung

Im Fokus der Web-Konferenz standen auch konkrete Umsetzungsprozesse von „HeatResilientCity". So berichtete das Projektteam von Neu- und Ersatzpflanzungen im Erfurter Stadtteil Oststadt. 50 hitzeresiliente Bäume und Sträucher sollen im Herbst gepflanzt werden und in Zukunft Hitze- und Trockenstress trotzen. Der Weg bis zur Umsetzung war kein leichter. Unterirdischer Leitungsbestand und die damit einhergehenden beengten Platzverhältnisse für Wurzelraum sowie einzuhaltende Mindestabstände stellten eine Herausforderung für die Planer:innen der Pflanzungen dar. Eine umfassende ämterübergreifende Zusammenarbeit war nötig. Für die Umsetzung wurde eine Rahmenvereinbarung mit den Leitungsträgern erarbeitet, in der Standards für Zusammenarbeit und Kompromisse zu Mindestabständen formuliert wurden, sodass zukünftig mehr Stadtgrün gepflanzt werden kann. Das Projekt setzt auf diese Weise Maßstäbe in der Neupflanzung von klimaresilienten Arten im verdichteten Stadtraum.

Vor allem Bäume haben eine hohe Wirksamkeit für die Temperaturreduktion im Freiraum. Die Verschattung kommt aber auch der Temperatur im Innenraum von Gebäuden zu Gute. Dies haben Messungen sowie Thermografieaufnahmen bestätigt. Darüber hinaus wünschen sich Bürgerinnen und Bürger der untersuchten Quartiere deutlich mehr Stadtgrün. Über 81 Prozent der Befragten in der Erfurter Oststadt schätzen Pflanzungen von Straßenbäumen als sinnvolle Maßnahme zur Verringerung der sommerlichen Hitzebelastung ein.

Gebäudemaßnahmen zur Reduzierung der Hitzebelastung vor allem in oberen Geschossen

Auch auf Gebäudeebene ist das Forschungsprojekt „HeatResilientCity" aktiv. So wurden im Zuge des Projekts und im Rahmen von Sanierungstätigkeiten der Eisenbahner-Wohnungsbaugenossenschaft Dresden eG verschiedene Maßnahmen an Gebäudekomplexen in Dresden Gorbitz durchgeführt. Dazu gehören außenliegende Verschattungseinrichtungen, wie z. B. Rollläden, sowie eine Optimierung der Dämmung und Speicherfähigkeit der obersten Geschossdecke. Außerdem wurde der Volumenstrom der vorhandenen Abluftanlage vergrößert, um den nächtlichen Luftwechsel im Sommerhalbjahr zu unterstützen. Die Forscher:innen haben vor allem im Dachgeschoss die größte Hitzebelastung gemessen. Ohne Anpassungsmaßnahmen ergeben sich im untersuchten Gebäude laut Messungen und Simulationen 2.164 sogenannte Übertemperaturgradstunden pro Jahr. Übertemperaturgradstunden entstehen, wenn die höchstzulässige Raumtemperatur nach Norm DIN 4108-2 (in Dresden ist dies 27 °C) überschritten wird. Laut der Norm liegt der akzeptable Maximalwert für Neubaugebäude bei 1.200 Übertemperaturgradstunden pro Jahr.

Durch die oben beschriebenen Gebäudemaßnahmen kann die Hitzebelastung im Dachgeschoss laut Simulationen auf 397 Übertemperaturgradstunden pro Jahr reduziert werden. Messungen und Simulationen am Gründerzeitgebäude in der Erfurter Oststadt zeigten außerdem, dass das Nutzerverhalten der Bewohnerinnen und Bewohner relevant ist. Durch richtiges Lüften (Querlüften, Nachtauskühlung, etc.) können die Übergradtemperaturstunden in der betrachteten Dachgeschosswohnung stark reduziert werden.

Verbesserte Governance zum Abbau von Kommunikations- und Umsetzungshemmnissen in der Klimaanpassung

Das Forschungsteam hat darüber hinaus Handlungsempfehlungen für Governance, Bürgerbeteiligung, Freiraum, Quartier und Gebäude erarbeitet. Ergebnisse aus zahlreichen Untersuchungen und Analysen des Projekts (z. B. aus Governance- und Akteursanalysen) haben gezeigt, dass gemeinsame Lernprozesse sowie Veränderungen der Governance-Strukturen erforderlich sind. So sind u. a. für die ressortübergreifenden Aufgaben zur Klimaanpassung von Beginn an neue Zuständigkeiten und gemeinsame Arbeitsformen zu etablieren sowie Verwaltungsstrukturen anzupassen. Dies kann bspw. durch einen Lenkungsausschuss, der ämterübergreifend angelegt ist, erfolgen. Hierzu liegen bereits positive Erfahrungen in einzelnen Kommunen vor. Auch sind effektivere Anreizsysteme für Kommunalverwaltungen, Politik, Wohnungswirtschaft und Bewohnerschaft für die Umsetzung von Klimaanpassung an Hitze ein wesentlicher Hebel. Dies können zum Beispiel kommunale Förderprogramme für Entsiegelungen oder Wettbewerbe zum schönsten begrünten Innenhof sein, wie es sie bspw. bereits in Düsseldorf oder Karlsruhe gibt. Zudem ist aus Sicht des Projektes ein konsequenteres Controlling umzusetzender Maßnahmen erforderlich. Die Veröffentlichung der Handlungsempfehlungen des Projekts „HeatResilientCity" für Kommunen erfolgt in Kürze.

Hintergrund

Ziel des Projekts „HeatResilientCity" ist es, innovative, sozial gerechte und nutzerakzeptierte Anpassungsmaßnahmen zu entwickeln und zu realisieren, welche die Reduzierung der sommerlichen Wärmebelastung von Menschen in Gebäuden und Freiräumen unterstützen. Das Projekt wird von Oktober 2017 bis Januar 2021 vom BMBF als Vorhaben im Förderschwerpunkt „Klimaresilienz durch Handeln in Stadt und Region" mit 2,6 Mio. Euro gefördert.
Die Verbundpartner sind: Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung e. V., Institut für Stadtforschung, Planung und Kommunikation / Fachhochschule Erfurt, Landeshauptstadt Dresden, Landeshauptstadt Erfurt, Technische Universität Dresden (TUD), Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden (HTW), EWG - Eisenbahner-Wohnungsbaugenossenschaft Dresden eG.