Expedition untersucht Auswirkungen der Grundschleppnetz-Fischerei
Eine aktuelle Schiffsexpedition unter Leitung des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) hat Meeresschutzgebiete im Fehmarnbelt und der Oderbank zum Ziel. Während der Forschungsfahrt wird eine umfangreiche Bestandsaufnahme des Meeresgrundes erarbeitet. Sie ist Teil der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Pilotmissionen der Deutschen Allianz Meeresforschung (DAM) zur Erforschung des Einflusses von Grundschleppnetz-Fischerei auf Meeresschutzgebiete in Nord- und Ostsee.
Meeresschutzgebiete in den deutschen Gewässern von Nord- und Ostsee sollen gemäß europäischem Naturschutzrecht besondere Lebensräume und deren vielfältige Lebensgemeinschaften schützen. Dennoch findet hier zurzeit noch Fischerei statt, auch mit Grundschleppnetzen zum Fang von bodennah lebenden Fischen wie Schollen, Seezungen und Dorschen. Je nach Intensität und Fanggerät führt dies zu physischen Schäden am Meeresboden. Welchen Einfluss das auf Lebensräume wie Sandbänke, Riffe und Muschelbänke hat, ist in der Ostsee bislang kaum untersucht.
„Diese Habitate am Meeresgrund samt ihren Bewohnern übernehmen viele Ökosystem-funktionen, die sowohl für die Ostsee an sich als auch für ihre Nutzung durch den Menschen äußerst wertvoll sind", sagt Klaus Jürgens, Meeresbiologe am IOW und Koordinator der Ostsee-DAM-Pilotmission. „Sie liefern beispielsweise Nahrung für wichtige Fischbestände oder arbeiten als ‚Kläranlage', die dem Wasser überschüssige Nährstoffe, organische Substanzen und Schadstoffe entziehen", so Jürgens weiter. Dies ist einer der wichtigen Gründe, warum in den nächsten Jahren die Grundschleppnetz-Fischerei zumindest in Teilen der deutschen und europäischen Meeresschutzgebiete ausgeschlossen werden soll, was jedoch mit den Anrainerstaaten abgestimmt und auf EU-Ebene entschieden wird.
„Wir haben jetzt die einmalige Chance, ganz konkret mitzuverfolgen und zu dokumentieren, wie sich der Ausschluss der grundberührenden Fischerei auf den Meeresboden in den Schutzgebieten auswirkt", erklärt Jürgens den Ansatzpunkt der aktuellen Forschungsmission in der Ostsee. Mit den umfangreichen Basisdaten zum Umweltzustand am Meeresgrund innerhalb und außerhalb von Schutzgebieten soll analysiert werden, wie sich Bodenmorphologie, Lebensgemeinschaften und biogeochemische Austauschprozesse zwischen Sediment und Wasser ohne weitere Störungen entwickeln.
„Mit unseren Forschungsfahrten wird das erste Mal eine derart umfangreiche Meeresboden-Bestandsaufnahme in der deutschen Ostsee im Zusammenhang mit Meeresschutzgebieten durchgeführt, die das gesamte benthische Nahrungsnetzt berücksichtigt – ja selbst die Funktion kleinster Organismen wie Bakterien und Mikroalgen", so der IOW-Forscher. Neben Expertinnen und Experten vom IOW sind auch Forschende der Universitäten Köln und Rostock, des GEOMAR – Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, des Deutschen Geoforschungszentrums Potsdam sowie des Wilhelmshavener Instituts „Senckenberg am Meer" an Bord.
Bereits im vergangenen Jahr erfolgte im Rahmen der DAM-Pilotmission eine erste erfolgreiche Beprobung im Fehmarnbelt. „Es war erstaunlich, wie deutlich und zahlreich die Schlepp-Furchen am Meeresgrund waren, auch innerhalb des Schutzgebietes. Es wird interessant sein zu sehen, ob sich durch sie wichtige Prozesse im Sediment verändern", kommentiert Klaus Jürgens.
Um noch besser zu verstehen, was eigentlich genau passiert, wenn der Meeresboden umgepflügt wird, setze man nicht nur auf Langzeitbeobachtungen. Zeitnah nach der jetzigen Expedition ist ein mehrtägiges Experiment in einem befischten Gebiet in Küstennähe geplant, bei dem direkt nach dem Einsatz eines Schleppnetzfischers die unmittelbaren Effekte studiert werden. Mehrere Schiffe sowie Taucher werden dann live mittels Geoakustik, Unterwasseraufnahmen sowie Probennahme verfolgen, wie Sediment umgeschichtet und aufgewirbelt wird.
„Um Meeresschutzgebiete zukünftig effektiv schützen zu können, muss man den Eingriff durch Grundschleppnetz-Fischerei besser verstehen. Unsere Ergebnisse können eine wichtige Grundlage sein, um wirksame Maßnahmen hierfür sowie Perspektiven für eine
naturverträgliche Fischerei zu entwickeln", betont Jürgens.