Projekt "Blaupause für die Landwirtschaft" im Interview - Governancestrukturen für mehr Biodiversität in der Landwirtschaft
Das Projekt „Blaupause für die Landwirtschaft" will Biodiversität in der Landwirtschaft fördern. Welches Konzept zugrundeliegt und wie das gelingen soll, beantworten die Projektpartner Kirsten Wiegmann vom Öko-Institut und Axel Wirz vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) im Interview.
In der Fördermaßnahme BiodiWert forschen Forschungsverbünde zu den Ursachen des ungebremsten Verlustes von Biodiversität und entwickeln innovative Ansätze zur Erhaltung. Im Fokus steht dabei die Wertschätzung von Biodiversität und Ökosystemleistungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Insgesamt 17 Projekte starteten im Dezember 2021 in die zweite Förderphase. "Blaupause für die Landwirtschaft" ist eins davon und untersucht Governancestrukturen für Biodiversität in der Landwirtschaft.
INTERVIEW
Das Projekt heißt „Blaupause für die Landwirtschaft". Was bedeutet das?
Kirsten Wiegmann: Der Begriff Blaupause ist im übertragenen Sinne ein anderes Wort für Vorlage, Muster, Schablone oder Entwurf. Mit „Blaupause für die Landwirtschaft" ist in unserem Projekt gemeint, dass wir schauen wollen, ob die Idee hinter dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) - eine feste Einspeisevergütung zur Förderung der erneuerbaren Energien – auf die Landwirtschaft und zur Förderung von Biodiversität übertragbar ist.
Das Projekt soll dazu beitragen, Biodiversität besser zu schützen. Wie soll das gelingen und wie kamen Sie auf die Idee?
Axel Wirz: Das Thema Biodiversität ist neben dem Klimaschutz eins der dringendsten Themen in der Entwicklung einer zukunftsfähigen Landwirtschaft. Viele Studien und Berichte, zum Beispiel der Bericht des Weltbiodiversitätsrates oder der Rechenschafts- und Indikatorenbericht zur Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt in Deutschland, zeigen deutlich, dass die notwendigen Biodiversitätsziele bei weitem nicht erreicht sind. Ein aus unserer Sicht wesentlicher Grund dafür ist die fehlende Finanzierung des Schutzes, da viele Biodiversitätsmaßnahmen für den Landwirt bzw. die Landwirtin mit Flächen- und Ertragseinbußen verbunden sind. Die zusätzlichen Kosten werden weder von den aktuellen Förderprogrammen noch von den Marktpreisen ausreichend abgedeckt. Mit einer auskömmlichen Vergütung sollen Landwirtinnen und Landwirte auf freiwilliger Basis motiviert werden, mehr Biodiversitätsschutz auf ihren Betrieben umzusetzen.
Kirsten Wiegmann: Vor allem haben wir nach einem Politikinstrument gesucht, das unabhängig von der Verbraucherentscheidung umweltfreundlichere Produktionsweisen verbindlich in den Markt bringen kann - hier eignet sich das EEG als Vorbild.
Wie genau eignet sich das Erneuerbare-Energien-Gesetz als Vorbild?
Kirsten Wiegmann: Durch die Einführung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) hat die Energiewirtschaft einen großen Schub zur nachhaltigen Stromproduktion bekommen. Heute erzeugen wir fast die Hälfte unseres Stroms aus erneuerbaren Quellen. Die Erfolgsfaktoren des EEG waren dabei der lange Vergütungszeitraum in Kombination mit einer auskömmlichen Einspeisevergütung. Mit der Umlage der Kosten auf die gesamte Stromproduktion und der Weitergabe an alle Verbraucherinnen und Verbraucher blieben die Kosten für den Einzelnen wirtschaftlich tragbar. Inwieweit dieses Konzept auf die Bereitstellung von Biodiversität auf landwirtschaftlichen Flächen übertragbar ist, das untersuchen wir jetzt. Ein mögliches „Nachhaltige Lebensmittel-Gesetz" (NLG) ist jedoch noch komplizierter als das EEG für Strom, denn es muss eine große Produktvielfalt und diverse Umweltleistungen abdecken.
Wie wollen Sie in dem Projekt vorgehen? Was ist das Innovative?
Axel Wirz: Wir werden in zwei konkreten Regionen geprägt von Ackerbau und Grünland, ermitteln, welche Defizite bestehen, welche Maßnahmen gebraucht werden und wie diese vergütet werden müssten, damit Landwirtinnen oder Landwirte sie umsetzen. In dem Projekt finden wir heraus, wie die Kosten auf die Produkte umgelegt werden können und wie die Geldströme organisiert werden müssen, damit das Geld von den Konsumierenden über den Handel bzw. das verarbeitende Gewerbe beim landwirtschaftlichen Betrieb ankommt. Aus Verbrauchersicht ist interessant, mit welchen Aufschlägen die Konsumentinnen und Konsumenten rechnen müssen. Auch das wird analysiert. Ein weiterer wichtiger Punkt sind rechtliche Fragestellungen. Übrigens sind in der Borchert-Kommission und in der Zukunftskommission Landwirtschaft die Fragen zum Teil schon aufgegriffen worden. Daran werden wir anknüpfen.
Kirsten Wiegmann: Und darin liegt auch die Innovation: Es geht um die gleichzeitige Einbindung der Angebots- und der Nachfrageseite bei der Finanzierung der Kosten einer zukunftsfähigen Landwirtschaft. Das Ergebnis unseres Projektes ist die Entwicklung eines Politikinstrumentes, welches nicht nur die Biodiversität fördert, sondern das gleichzeitig auch geeignet ist, weitere notwendige Transformationsprozesse zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft anzustoßen. Biodiversität betrachten wir dabei exemplarisch als erstes.
Was erhoffen Sie sich von dem Projekt? Was muss passieren, dass Sie am Ende sagen: „Dieses Projekt war erfolgreich"?
Axel Wirz: Das Projekt „Blaupause für die Landwirtschaft" ist erfolgreich, wenn es einen konstruktiven Beitrag zur Diskussion um die Ladenpreise für Lebensmittel leisten kann. Oder anders formuliert: Wenn klar ist, wie sich Verbraucherinnen und Verbraucher zukünftig an den Kosten einer nachhaltigeren Landwirtschaft beteiligen können.
Fördermaßnahme BiodiWert
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert mit der Fördermaßnahme "Wertschätzung und Sicherung von Biodiversität in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft" (BiodiWert) Projekte, die durch die Entwicklung innovativer Bewertungskonzepte, Governancestrukturen sowie (Politik-) Maßnahmen den Stellenwert von Ökosystemleistungen und Biodiversität auf unternehmerischer und gesellschaftlicher Ebene steigern – und damit wirksam zur Sicherung von Biodiversität beitragen.
Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt (FEdA)
Mit der Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt (FEdA) unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die wissenschaftliche Untersuchung der Biodiversität in Deutschland und die Entwicklung neuer, effektiver Artenschutzmaßnahmen.