Hintergründe zu Band II des Sechsten IPCC-Sachstandsberichts, Folge #4 – Das Konzept der „Klimaresilienten Entwicklung“: Wie Forschung hilft, die Entwicklung langfristig nachhaltig zu gestalten
Der IPCC erstellt den nächsten Weltklimabericht. FONA-Projekte forschen zu Themen, die dabei eine wichtige Rolle spielen, wie zum Beispiel die klimaresiliente und nachhaltige Entwicklung, die sowohl national als auch international wegweisend ist.
Der Weltklimarat IPCC erstellt zurzeit seinen Sechsten Sachstandsbericht („AR6"). In mehreren Bänden wird dieser den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand zum Klimawandel zusammenfassen und einordnen. Band I „Naturwissenschaftliche Grundlagen" erschien am 9. August 2021. Band II zu „Folgen, Anpassung und Verwundbarkeit" folgt Ende Februar. Band III zu „Minderung des Klimawandels" wird Anfang April erscheinen. Auf der Website der Deutschen IPCC-Koordinierungsstelle finden Sie aktuelle Informationen dazu.
Mit einer Serie von Meldungen stellen wir Ihnen Projekte aus der BMBF-Strategie „Forschung für Nachhaltigkeit" (FONA) vor, die sich mit wichtigen Themen für den IPCC-Bericht beschäftigen. Denn Forschung liefert die Grundlage für faktenbasierte und informierte politische und gesellschaftliche Entscheidungen zum Umgang mit dem Klimawandel.
Der Klimawandel verstärkt viele Risiken und erschwert uns die nachhaltige Entwicklung
Der Klimawandel ist nicht der einzige Faktor, der Menschen und andere Lebewesen, gesellschaftliche Systeme und Ökosysteme belastet. Viele weitere Faktoren kommen hinzu, darunter sozioökonomische Aspekte, wie zum Beispiel wirtschaftliche Instabilitäten, und umweltbezogene, wie zum Beispiel die Zerstörung von Wald durch Dürre und der Verlust von Artenvielfalt. Diese Faktoren interagieren und können sich mittelfristig sogar verstärken. Nicht selten sind zusammengesetzte und kaskadierende Risiken die Folge. Auch fallen klimatische Stressfaktoren und ihre Auswirkungen regional und national sehr unterschiedlich aus. Nachhaltige Entwicklung, wie sie von der Weltgemeinschaft über die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele in der Agenda 2030 beschrieben wurde, verlangt auf lange Sicht den Umgang mit all diesen unterschiedlichen klimatischen, gesellschaftlichen und umweltbedingten Stressfaktoren.
Unter den verschiedenen Stressfaktoren für die Umwelt und Nachhaltigkeit nimmt der Klimawandel eine dominante Rolle ein: Er bedroht die globale Entwicklung in sehr vielen Bereichen und stellt das größte Risiko für menschliche und ökologische Systeme dar. Es wird angesichts des Klimawandels in vielen Fällen immer schwieriger werden, Nachhaltigkeit zu erreichen – es sei denn, wir schlagen Entwicklungspfade ein, die uns gegen die Auswirkungen des Klimawandels insgesamt widerstandsfähiger, also resilient machen.
Klimaresiliente Entwicklungspfade: Anpassung, Minderung und Nachhaltigkeit
Ein Entwicklungspfad beschreibt die Entwicklung einer Gesellschaft über die Zeit: Mit jeder Entscheidung oder Investition biegt man in die eine oder andere Richtung ab – hin zu mehr oder zu weniger Nachhaltigkeit.
Bereits der Fünfte IPCC-Sachstandsbericht AR5 hat klimaresiliente Pfade als solche Pfade definiert, in denen Maßnahmen zur Anpassung an Klimafolgen und Maßnahmen zur Verringerung des Klimawandels kombiniert werden. Dabei wird schrittweise vorgegangen, um sicherzustellen, dass flexibel reagiert werden kann, sollten sich die Bedingungen ändern oder unvorhergesehene Folgen eintreten. Außerdem werden alle betroffenen Gruppen mit in die Entscheidungsfindung einbezogen. Der IPCC-Sonderbericht 1,5°C globale Erwärmung betonte darüber hinaus, dass diejenigen Ansätze am vielversprechendsten seien, die auf die spezifischen Gegebenheiten, Vorstellungen und Wertesysteme vor Ort Rücksicht nehmen.
Auf der letzten Weltklimakonferenz (COP26) 2021 hat die internationale Staatengemeinschaft im „Glasgow Climate Pact" festgehalten: Es sollen noch mehr Anstrengungen unternommen werden, um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, wie im Pariser Abkommen angestrebt. Die Zeit drängt, um dieses Ziel zu erreichen. Das hat der Beitrag der Arbeitsgruppe I zum Sechsten Sachstandsbericht nochmal deutlich gezeigt: Schon in den kommenden zwei Jahrzehnten kann die globale Erwärmung 1,5 C überschreiten, wenn wir nicht sofort handeln. Schon jetzt reichen die Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel nicht aus und müssen genauso wie die Minderungsmaßnahmen entscheidend verstärkt werden. Nur so kommen wir auf einen klimaresilienten Pfad.
Ökosysteme in Anpassungsstrategien einzubeziehen, kann nachhaltige und klimaresiliente Entwicklung unterstützen
Gerade in schnell wachsenden Städten und in ihrem Umland treten häufig Probleme wegen mangelndem nachhaltigen Planen und Handeln geballt auf. Nicht selten sind in diesen Regionen auch die Risiken durch den Klimawandel am höchsten. Zu den Herausforderungen zählen überforderte Infrastruktursysteme, wie etwa die Kanalisation, und ökologische Risiken, wie Luftverschmutzung, die Überlastung der Trinkwasserversorgung sowie Abwasserentsorgung und ein erhöhtes Verkehrs- und Abfallaufkommen. Dies ist besonders in den schnell wachsenden urbanen Regionen in Entwicklungs- und Schwellenländern sichtbar.
Das BMBF hat hierzu Anfang 2019 die Fördermaßnahme „Nachhaltige Entwicklung urbaner Regionen" („SURE - Sustainable Development of Urban Regions") aufgelegt und fördert Projekte bei ihrer Entwicklung zu mehr Klimaresilienz und Nachhaltigkeit in schnell wachsenden Städten und urbanen Regionen im Asien-Pazifik Raum. Technologische Lösungen für eine verbesserte Energie- und Ressourceneffizienz, zur Minderung des CO2-Ausstoßes und Konzepte für nachhaltige neue Infrastruktursysteme, wie etwa für die Energieversorgung und Verkehrssysteme, stehen dabei ebenso im Fokus wie die Entwicklung gesellschaftlicher Innovationen zum Umgang mit veränderten Lebensbedingungen.
Die Integration von ökosystembasierten Ansätzen bei der Anpassung an den Klimawandel ist ein wichtiger Baustein klimaresilienter Entwicklungspfade. Im BMBF-geförderten internationalen Projekt FloodAdaptVN werden im Rahmen von SURE gezielt ökosystembasierte Risikominderungs- und Anpassungsstrategien für aktuelle und zukünftige Hochwasserrisiken in Zentralvietnam entwickelt und vor Ort umgesetzt. Dabei sind ein besseres Verständnis, sowie die Analyse und Bewertung von Treibern, räumlichen Mustern und der Dynamik heutiger und zukünftiger Hochwasserrisiken (2030, 2050, 2100) genauso entscheidend wie die Untersuchung von Ansatzpunkten und Hindernissen zur Umsetzung von Maßnahmen zur Verringerung des Katastrophenrisikos. Neben ökosystembasierten Anpassungsstrategien werden hierzu auch Risikotransfermechanismen durch innovative Versicherungslösungen berücksichtigt. Im Projekt soll eine Entscheidungshilfe für risikoinformierte Planung und Priorisierung verschiedener Ansätze zur Verringerung des Katastrophenrisikos entwickelt, sowie der Aufbau von Anpassungskapazitäten gefördert werden. Erfahrungen und Ergebnisse aus der Projektregion sollen auch bei der Entwicklung von Anpassungsmaßnahmen für risikobehaftete Regionen in Deutschland zum Tragen kommen.