Deutsch-georgisches Projekt: Forschende wollen Staudämme sicherer machen
Wasserkraft galt lange als Vorbild der nachhaltigen Stromerzeugung. Doch der Betrieb der Dämme ist mit technischen Schwierigkeiten behaftet – vor allem die Verlandung der Stauseen sorgt für Probleme. In einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt forschten Expertenteams an Lösungen, um Staudämme sicherer und effizienter zu machen.
Ein langes Leben wurde dem Enguri-Staudamm prophezeit, ein Bauwerk aus dem Ende der Sowjetzeit, mit 270 Metern Höhe eine der größten Talsperren weltweit. Doch statt der ursprünglich veranschlagten 150 Jahren Betriebsdauer könnte es passieren, dass die Stromerzeugung schon in wenigen Jahrzehnten endet.
Das Problem sind Ströme von Geröll, Sand, Schlick und Steinen, die von Flüssen wie auf einem Fließband von den Gebirgen zu den Meeren transportiert werden. Sedimente heißen diese Materialien, deren Wanderung von den Dämmen unterbrochen wird. Oberhalb der Dämme werden die Sedimente folglich angehäuft, in den Unterläufen der Flüsse und Küstengewässern fehlen sie.
Wie stark die Wasserreservoire mit Sedimenten zulaufen, wurde am Beispiel des Enguri-Staudamms in Georgien durch umfassende Forschungsarbeiten offenkundig. Dort waren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) in den vergangenen drei Jahren immer wieder vor Ort, um Damm und Stausee einer „Generalinspektion“ zu unterziehen.
Die am deutsch-georgischen Verbundvorhaben DAMAST beteiligten Forscherteams und Mitarbeitende des Ingenieurbüros Piewak & Partner setzen dazu modernste Technik ein. Mit Drohnen, Echoloten, Seeseismik, Seismometern, Satellitendaten, verschiedenen Sensoren, mobilen Radarsystemen und Bohrlochsonden konnte ein detailliertes Bild der gesamten Anlage und zu den Naturgefahren in der Umgebung gewonnen werden.
„Die Höhe der Sedimentschichten im Stausee hat uns überrascht“, sagt die Projektkoordinatorin Dr. Birgit Müller, Geophysikerin am KIT. Bis zu 60 Meter türmen sich die Sedimentschichten vor dem Staudamm auf. Einige Grundablässe, mit denen der Wasserstand reguliert werden kann und über die im Notfall eine Entleerung des Stauraumes möglich sein muss, sind immer wieder verstopft. Diese wurden jüngst von einer Spezialfirma mit großem Aufwand freigespült.
Auch andere Faktoren beeinflussen die Sicherheit der Staudämme: So können natürliche Erdbeben oder solche Beben, die durch Betriebsaktivitäten in den Wasserreservoiren ausgelöst werden, im Zusammenwirken mit anderen Extremereignissen wie Starkregen fatale Folgen haben. Daher spielten seismische Messungen und geologische Erkundungen eine wichtige Rolle in DAMAST.
„Viele Staudämme haben ein kritisches Alter erreicht“, sagt Müller. Daher sei es wichtig, seismologische und meteorologische Daten, aber auch Veränderungen der Dammstruktur engmaschig zu erfassen und in ein Risikomanagement einfließen zu lassen. „Wenn wir rechtzeitig baulich oder auch operativ gegensteuern, gewinnen wir weitere Jahrzehnte an Betriebszeit.“
Über ihre Ergebnisse berichteten die Forschenden aus Deutschland und Georgien kürzlich bei einer Abschlusskonferenz in Thüringen. An der Veranstaltung nahmen auch die Botschafter beider Länder sowie ranghohe Vertreter des georgischen Energieversorgers teil. Das unterstreicht die Bedeutung des Vorhabens: Die Kraftwerke im Enguri-Tal liefern die Hälfte des in Georgien verbrauchten Stroms.
Abgeschlossen ist das Projekt dennoch nicht – mit finanzieller Unterstützung des BMBF wird jetzt eine zweijährige Transferphase gestartet, in der Daten für ein innovatives Monitoring- und Risikokonzept aufbereitet werden. Dieses soll künftig auch zur Überwachung anderer Staudämme oder Neubauvorhaben – etwa im Nenskra-Tal im Nordwesten Georgiens - eingesetzt werden.
Dr. Frieder Kettemann, zuständiger Referent im BMBF, verwies auf der Konferenz auf die immensen Sanierungsmaßnahmen, die weltweit notwendig sind, um die Leistungsfähigkeit der Staudämme zu erhalten. „Wir brauchen langfristige und internationale Kooperationen, um diese Aufgaben bewältigen zu können", betonte er. Das Projekt DAMAST habe hier wegweisende Arbeit geleistet.
Zusammen mit dem Betreiber überlegen die Forscherteams bereits, wie der Enguri-Damm gerettet werden kann. Mögliche Konzepte zum Ausspülen der Sedimente werden untersucht. Auch wird ein „Bypass“-Tunnel in ein benachbartes Tal erwogen, um die Sedimentfrachten auszuleiten. Ebenso steht eine Ausbaggerung zur Diskussion, um den Sand und kleine Steine in das 50 Kilometer entfernte Schwarze Meer zu transportieren.
Die Projektpartner denken noch weiter: Das in DAMAST gewonnene Know-how soll langfristig in Georgien verfügbar sein und in ein Kompetenzzentrum für die nachhaltige und sichere Nutzung von Wasserkraft einfließen, welches bei künftigen Staudammprojekten oder der Nutzung von Geothermie unterstützen kann. Wesentlicher Aspekt hierbei ist die weitere Qualifikation junger Forschender an den georgischen und deutschen Universitäten.
Projekt DAMAST
Im deutsch-georgischen Verbundvorhaben DAMAST, ein Projekt innerhalb des vom Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsprogramms CLIENT II – Internationale Partnerschaften für nachhaltige Innovationen – wurden in den vergangenen drei Jahren innovative Monitoring- und Risikokonzepte eines entwickelt, die einen sicheren und effizienten Betrieb von Staudämmen ermöglichen. Das im Projekt gesammelte Wissen soll auch in die Planung weiterer Staudämme sowie in den Aufbau eines Kompetenzzentrums einfließen.