MediAN: "Gebt den Flüssen, gebt den Auen wieder mehr Raum"

Im Verbundprojekt MediAN setzt sich ein Team aus Forschung und Praxis für den Erhalt und die Förderung von Hartholz-Auenwäldern ein. Welche Methoden eingesetzt werden und was die Besonderheit des Projektes ist, berichtet Prof. Dr. Kai Jensen, Projektleiter und Professor für Angewandte Pflanzenökologie an der Universität Hamburg, im Interview.

Was steckt hinter dem Projektnamen MediAN und was erforschen Sie im Projekt?
Das Projektkürzel steht für „Mechanismen der Ökosystemdienstleistungen in Hartholz-Auenwäldern: Wissenschaftliche Analyse sowie Optimierung durch Naturschutzmanagement". Unser Projekt MediAN rückt die in der Vergangenheit vernachlässigten Ökosystemleistungen von Hartholz-Auenwäldern ins Zentrum, und zwar ins Zentrum der wissenschaftlichen Analyse, aber auch ins Zentrum der Umsetzung.

Wir beantworten Fragen wie zum Beispiel: Welche Komponenten der Biodiversität von Hartholz-Auwäldern sind besonders bedeutsam für deren Ökosystemleistungen? Wie unterscheiden sich die Ökosystemleistungen von Hartholz-Auenwäldern in der aktiven Aue der Elbe, in der fossilen Aue hinter dem Deich sowie in Auen von kleineren Nebengewässern? Wie können Hartholz-Auenwälder neu begründet werden, um die Ökosystemleistungen optimal bereitzustellen?

MediAN ist insbesondere bei der sehr engen Verknüpfung von Forschung und Umsetzung wegweisend. Im ersten Schritt werden wir neu Erkenntnisse zu den Ökosystemleistungen von Hartholz-Auenwäldern am Beispiel der Kohlenstoffspeicherung und der Hochwasserretention erarbeiten. Diese Erkenntnisse nutzen wir im zweiten Schritt für Bildungsangeboten und werden auch politischen Entscheidungsträgern und lokalen Akteuren zur Verfügung gestellt.

Was macht Hartholz-Auenwälder so besonders und warum ist deren Schutz so wichtig?
Hartholz-Auenwälder gehörten in Mitteleuropas Naturlandschaft zu den artenreichsten Lebensräumen. Sie sind durch den Menschen über Jahrhunderte in ihrer Ausdehnung dezimiert und in ihrer Funktionalität maßgeblich beeinträchtigt worden. Heute finden sich in Mitteleuropa nur noch sehr kleinflächige Fragmente der einstmals ausgedehnten flussbegleitenden Hartholz-Auenwälder. Erst in den letzten 20 Jahren sind Schutz und Renaturierung von Auenwäldern stärker ins Bewusstsein gerückt. Gerade in Zeiten des Klimawandels können Hartholz-Auenwälder wichtige Funktionen übernehmen: Beim Aufwachsen der Gehölze werden großen Mengen CO2 im Holz der Bäume gespeichert. Auenböden tragen zudem maßgeblich zur Kohlenstoffspeicherung bei. Bei Hochwasser bewirken Gehölze in den Auen außerdem einen verlangsamten, gleichmäßigen Wasserabfluss. Dies ist für Flussabwärts liegende wichtig, da sich Flutwellen so weniger steil und schnell durch die Täler bewegen.

Welche Methoden setzen Sie ein, um die Ökosystemleistungen von Hartholz-Auenwälder besser zu verstehen und zu erfassen?
Das Untersuchungsgebiet für das Projekt in MediAN erstreckt sich entlang von 150 Stromkilometer im UNESCO-Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe. Hier haben wir ein zwischen allen Projektpartnern abgestimmtes Untersuchungsdesign entwickelt: Wir erfassen die Struktur der Hartholz-Auenwälder mit klassischen forstlichen Methoden und bestimmen so die Kohlenstoffvorräte in den Bäumen. Über dendrologische Untersuchungen bilden wir das Wachstumsverhalten der Bäume der letzten Jahrzehnte ab und korrelieren dies mit Umweltparametern. Auch untersuchen wir die Artenzusammensetzung der Krautschichtvegetation sowie der Bodenfauna und suchen hier nach biotischen Einflussfaktoren auf die Ökosystemleistungen der Hartholz-Auenwälder. Weiterhin machen wir aufwändige Untersuchungen zu Quantität und Qualität des organischen Kohlenstoffs im Boden und quantifizieren die CO2-Flüsse zwischen Boden und Atmosphäre. Ein weiterer Aspekt sind die biotischen Interaktionen: Inwiefern fördern symbiontische (Mykorrhiza)Pilze Wachstum und Vitalität von Bäumen in Hartholz-Auenwäldern und wie interagieren benachbarte junge und ältere Gehölze miteinander? Zusammengefasst: In MediAN kombinieren wir Freiland- und Labormethoden und es werden sowohl klassische ökologische und ökophysiologische Ansätze als auch neuere molekulargenetische Verfahren genutzt.

Welche Maßnahmen müssen getroffen werden, um das dynamische Ökosystem der Hartholz-Auenwälder zu erhalten?
Das ist im Prinzip sehr einfach: Das dynamische Ökosystem der Hartholz-Auenwälder benötigt die für Auen so typische Dynamik der Umweltbedingungen. Dies betrifft insbesondere der Wasserstände. Aus Sicht der Erhaltung der Hartholz-Auenwälder gibt es in Mitteleuropa viel zu viele Deiche und viel zu wenige Auen, die heute noch in Verbindung mit der Wasserstandsdynamik der Flüsse stehen. Die Flüsse und damit den Auen brauchen wieder mehr Raum!
Ein weiterer Punkt ist der Verzicht auf landwirtschaftliche Verwertung: Der Großteil der Auen in Deutschland unterliegt einer landwirtschaftlichen Nutzung, teilweise auch einem aktiven Naturschutzmanagement zur Erhaltung von Auwiesen. Hartholz-Auenwälder können sich aber nur ohne diese landwirtschaftliche Nutzung und nur ohne ein Management zur Erhaltung von Offenland-Lebensräumen entwickeln. Das bedeutet im Sinne der Auenwälder, besser einfach nichts zu tun und die Natur Natur sein zu lassen!

Wie kann eine aktive Beteiligung der Öffentlichkeit zum Schutz der Hartholz-Auenwälder stattfinden?
Wir haben im Rahmen von MediAN zahlreiche Formate für die Öffentlichkeitsbeteiligung entwickelt und umgesetzt: Zum Beispiel haben wir eine Wanderausstellung zu Hartholz-Auenwäldern konzipiert, die in der Region an unterschiedlichen Orten gezeigt wird. Für Schulen und Hochschulen wurden Bildungsformate entwickelt und bereits erfolgreich erprobt. Interessiere Bürgerinnen und Bürger haben wir zu Exkursionen auf den Untersuchungsflächen eingeladen. Begleitend zum Projekt geben wir Flyer und Broschüren heraus, die Bedeutung der Ökosystemleistungen der Hartholz-Auenwälder noch weiter bekannt machen. Ein weiteres und sehr wichtiges Format ist die Beteiligung von zentralen Stakeholdern aus der Region über den gesamten Projektverlauf. Nach unserer Einschätzung leisten alle diese Maßnahmen zusammen einen elementaren Beitrag, um die aktive Beteiligung der Öffentlichkeit beim Schutz der Hartholz-Auenwälder zu steigern.

Infobox

Ökosystemleistungen
Als Ökosystemleistungen werden die Dienstleistungen der Natur für den Menschen bezeichnet, die er durch die Lebensräume und Lebewesen wie Tiere und Pflanzen bezieht. Die Ökosystemleistungen schaffen die Basis für grundlegende Bedürfnisse des Menschen, wie beispielsweise den Zugang zu Wasser und Nahrung

Dendrologie
Die Dendrologie ist die Lehre von den Bäumen und Gehölzen. Sie beschäftigt sich als Teilgebiet der Botanik mit verholzenden Pflanzen, insbesondere Bäumen, Sträuchern und verschiedenen Kletterpflanzen.

Nature based solutions
Der Begriff „nature-based solutions" (naturbasierte Lösungen) steht dafür, auf die natürlichen Funktionen von Ökosystemen zur Lösung von menschengemachten Umweltfolgen zu setzen. Dafür müssen sie mit ihren natürlichen Ressourcen besser geschützt und dürfen innerhalb der Belastungsgrenzen genutzt werden. So bleiben ökologische Systeme und ihre vorteilshaften Wechselwirkungen intakt und können sich regenerieren.

Ein Blick voraus: Was erhoffen Sie sich nach Abschluss des Projekts?
Es ist natürlich von sehr großer Bedeutung, dass unsere Forschungsergebnisse nicht in Vergessenheit geraten, sondern dass sie in die Öffentlichkeit getragen und von den Stakeholdern aktiv für den Schutz und die Entwicklung von Auenwäldern genutzt werden. Zweitens ist es essenziell, dass neue Fördermöglichkeiten zur Optimierung von Ökosystemleistungen geschaffen werden. Insgesamt können Nature based solutions, wie sie von MediAN verfolgt werden, zur Kohlenstofffestlegung und so zum Klimaschutz beitragen. Weitere Forschungsprojekte sollten hier die Impulse so setzen, dass sie einen optimalen Beitrag zur Erreichung unserer Klimaziele leisten. Dabei spielt die Forschungsförderung eine wesentliche Rolle. Wir benötigen in Zukunft weitere Maßnahmen, in denen Forschung und Umsetzung so eng an der Lösung von Umweltproblemen zusammenarbeiten wie in MediAN.

Untersuchungsfläche des Projektes MediAN

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Gebieten der Pflanzenökologie, der Bodenkunde, der Bodenzoologie und der Naturschutzforschung arbeiten regelmäßig auf den 55 MediAN-Untersuchungsflächen, die sich entlang von 150 Stromkilometer im UNESCO-Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe befinden. Sie erheben Daten, teilen sie untereinander und werten sie dann an ihren Instituten vor dem Hintergrund ihrer jeweiligen Fragestellungen aus.

Datenquellen: Biosphärenreservat: Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie Mecklenburg-Vorpommern (LUNG) (2015); Biosphärenreservat Niedersächsische Elbtalaue (2009); Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (2018); Landesamt für Umwelt Brandenburg (LfU) (2016); Bundesländer und Orte: GeoBasis-DE / BKG 2019; Aue: Bundesamt für Naturschutz (2009) unter Verwendung von Geobasisdaten GeoBasis-DE / BKG (2009);
Flüsse: Pottgiesser et. al. 2003. „Abschließende Arbeiten zur Fließgewässertypisierung entsprechend den Anforderungen der EU-WRRL - Teil II". Essen: Länderarbeitsgemeinschaft Wasser.
Erarbeitet von G. Oehmichen (Trägerverbund Burg Lenzen e.V.)