BIOFAIR - innovative Anbaustrategien zur besseren Resilienz im europäischen Weizenanbau
Welchen Einfluss hat der Klimawandel auf die landwirtschaftlichen Erträge, insbesondere dem Weizenanbau? Dieser Frage geht das Projektteam im Verbundhaben BIOFAIR nach. Dr. Markus Weinmann und Prof. Dr. Günter Neumann berichten über die Ziele des Projekts.
Was steckt hinter BIOFAIR?
Professor Dr. Günter Neumann: Die Green Deal und Farm-to-Fork-Politik der Europäischen Union (EU) setzt ambitionierte Ziele zur Ökologisierung und nachhaltigen Anpassung der Landwirtschaft und stellt sich damit auch den Herausforderungen des Klimawandels. Dazu sind angepasste Pflanzenbausysteme erforderlich, die sowohl gegenüber extremen Wetterereignissen resilient sind als auch vermehrt auf biologische Alternativen zu bedenklichen Agrochemikalien setzen. Eine Grundvoraussetzung hierfür sind gesunde Böden, die mit ihrem vielfältig aktiven Bodenleben das Wachstum, die Wasser- und Nährstoffversorgung und gleichzeitig die Stresstoleranz von Kulturpflanzen auf natürliche Weise unterstützen. Unser Ziel im Rahmen von BIOFAIR ist es, diese komplexen Wechselwirkungen unter Einfluss des Klimawandels besser zu verstehen und am konkreten Beispiel des Weizenanbaus landwirtschaftliche Innovationen zur Erhaltung gesunder Böden und qualitativ hochwertiger Lebensmittel zu entwickeln.
Welche konkreten Auswirkungen hat der Klimawandel auf die landwirtschaftlichen Erträge?
Dr. Markus Weinmann: Zu den anerkannten Folgen des Klimawandels in Deutschland gehört nicht nur ein Anstieg der Jahresmitteltemperatur, sondern auch das vermehrte Auftreten von Wetterextremen wie Hitze, Dürre, Sturm, Dauer- oder Starkregen. Vor allem im Sommer treten längere Trockenphasen auf, während im Winter die Niederschläge zunehmen. Langfristig kann sich durch den Anstieg der Temperaturen das Anbauspektrum im Pflanzenbau verschieben. In den vergangenen Jahren war bereits eine deutliche Verfrühung des Vegetationsbeginns vieler Pflanzenarten zu beobachten. In der Folge tritt auch die Erntereife früher ein. Sofern die Witterungsbedingungen geeignet sind und genügend, aber nicht zu viel Wasser vorhanden ist, kann das durchaus zur Erzielung höherer Erträge und besserer Qualitäten beitragen. Die Zunahme von Extremwetterlagen bringt jedoch ein erhöhtes Risiko von Ertrags- und Qualitätseinbußen mit sich. Nicht nur, dass Hagel, Spät- oder Starkfrost anhaltende Trockenheit oder Dauerregen die Pflanze direkt schädigen, auch Pflanzenkrankheiten und Schädlinge können in der Folge solcher Ereignisse vermehrt auftreten.
Welche Methoden setzen Sie ein, um den Einfluss des Klimawandels auf den Weizenanbau zu untersuchen?
Dr. Markus Weinmann: Neuere wissenschaftliche Studien weisen darauf hin, dass insbesondere der Weizen als eines der weltweit wichtigsten Grundnahrungsmittel besonders vom Klimawandel beeinträchtigt werden könnte. Eine jüngere internationale Studie, an der auch mehrere deutsche Forschungsinstitute beteiligt waren, ergab, dass jeder zusätzliche Grad an Erderwärmung die Weizenernte ohne Kompensationsmaßnahmen um durchschnittlich sechs Prozent verringern würde. Schon allein physikalische Faktoren wie Krümelstabilität und Wasserspeicherkapazität sind wichtige Voraussetzungen, dass Böden Wetterextreme effektiv ausgleichen können. So zum Beispiel um Regenwasser, das vermehrt im Winter auf die Böden fällt, für die zunehmend trockenen Sommermonate zu speichern oder bei Starkregenereignissen eine ausreichend schnelle Bodeninfiltration zu gewährleisten und dadurch Oberflächenabfluss und Erosion zu vermeiden. Diese Eigenschaften können jedoch nicht mechanisch hergestellt werden, sondern sind das Ergebnis eines aktiven Bodenlebens, das die Lebendverbauung von Bodentexturbestandteilen zu stabilen Krümelaggregaten bewirkt. Mit internationalen Partnern im Verbundprojekt BIOFAIR werden wir neben Feldversuchen auch ECOTRON-Experimente durchführen (siehe Infobox). In dieser Anlage am Standort Gembloux der Universität Lüttich können auf dem neusten Stand der Forschung Klimaszenarien für komplette Ökosysteme wie Pflanzen, Bodenlebewesen und Böden simuliert werden.
Was ist zentraler Forschungsgegenstand?
Professor Dr. Günter Neumann: Das Projektteam erforscht konkret die Auswirkungen des Klimawandels auf das Bodenleben, um innovative Anbaumethoden zu identifizieren, die die Bodengesundheit und die Pflanzenproduktivität erhalten und fördern. Zu den wichtigsten Ökosystemdienstleistungen eines intakten Bodenmikrobioms und einer artenreichen Mikro- und Mesofauna gehören die biologische Bekämpfung von Krankheitserregern und Schädlingen, die Umsetzung von organischen Rückständen und Abbau von Schadstoffen, die Stabilisierung von organischem Kohlenstoff und Stickstoff und die Bereitstellung von pflanzenverfügbaren Nährstoffen. Die Projektergebnisse werden damit einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung zukünftiger nachhaltige Agrarsysteme leisten, insbesondere dort, wo Böden bereits geschädigt oder gefährdet sind. Wir unterstützen die Landwirtinnen und Landwirten darin, die vielfältigen Interaktionen zwischen Boden, Pflanzen und Bodenlebewesen für sowohl für die Ernährungssicherheit als auch die ökologische Nachhaltigkeit besser zu nutzen
Green Deal
Der europäische Green Deal ist ein Paket politischer Initiativen, mit dem die Europäische Union (EU) bis 2050 klimaneutral werden wollen. In einem ersten Schritt sollen die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 % gegenüber dem Stand von 1990 sinken. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen Wirtschaft und Gesellschaft in vielen Bereichen neu ausgerichtet werden. Das Paket "Fit für 55" umfasst eine Reihe von Vorschlägen zur Überarbeitung und Aktualisierung von EU-Rechtsvorschriften.
Farm-to-Fork
Die "Farm to Fork"-Strategie (F2F) ist ein umfassender Zehnjahresplan, der von der Europäischen Kommission veröffentlicht wurde, um den Übergang zu einem fairen, gesunden und umweltfreundlichen Lebensmittelsystem in Europa voranzutreiben. So soll unter anderem bis 2030 die Verwendung von Düngemitteln um 20 % und die Anwendung von chemischen Pflanzenschutzmitteln um 50 % vermindert werden. Gleichzeitig sollen Nährstoffverluste um 50 % verringert und sichergestellt werden, dass die Bodenfruchtbarkeit nicht beeinträchtigt wird. Die Strategie ist eine der wichtigsten Maßnahmen im Rahmen des europäischen Grünen Deals. Ziel ist es, eine Lebensmittelpolitik zu entwerfen, die für jede Stufe der Lebensmittelwertschöpfungskette von der Produktion über den Vertrieb bis zum Verbrauch, Maßnahmen und Ziele vorschlägt, um die europäischen Lebensmittelsysteme nachhaltiger zu gestalten.
ECOTRON
Das Ecotron ist ein Komplex von mehreren Klimakammern zur Untersuchung von Agrar-Ökosystemfaktoren, einschließlich Böden, Pflanzen, Tieren (Insekten und andere Wirbellose) und Mikroorganismen. Es wurde entwickelt, um die tatsächlichen und zukünftigen Umweltbedingungen einschließlich Luft- und Bodenbedingungen auf realistische Weise zu simulieren. Tägliche und saisonale Schwankungen von Faktoren wie Temperatur, Niederschlägen, Gasaustausch usw. können gesteuert werden. Auf diese Weise werden unter Berücksichtigung der Komplexität vielfältiger Wechselwirkungen mögliche Auswirkungen des Klimawandels auf Böden, landwirtschaftlichen Nutzpflanzen als auch auf die biologische Vielfalt untersucht. Die Anlage ist zudem mit Lysimetern zur Sickerwasserfassung ausgestattet, was Untersuchungen zur Bilanzierung des Wasser- und Nährstoffhaushalts in Abhängigkeit von bestimmten Klimaszenarien ermöglicht.