CO2-Entnahme aus der Atmosphäre – auch eine europäische Frage

Um die Klimaziele zu erreichen, ist auch die aktive Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre notwendig. Doch wie unterstützen Forschung, Entwicklung und Politik die CO2-Entnahme in der EU? Dazu luden die Initiative JPI Climate und das BMBF zum Austausch ein.

Laut Weltklimarat IPCC werden neben der raschen und signifikanten Reduktion von Treibhausgasemissionen auch sogenannte „negative Emissionen" benötigt, um die Erderwärmung zu begrenzen und die Klimaziele auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene zu erreichen. Negative Emissionen bedeuten das aktive Entziehen von CO2 aus der Atmosphäre (Carbon Dioxide Removal, CDR) und dessen langfristige Speicherung. Die CDR-Methoden umfassen diverse Maßnahmen und Verfahren an Land und im Meer. Wegen noch bestehender, großer Wissenslücken zur CO2-Entnahme werden CDR-Methoden aktuell erforscht – auf nationaler und EU-Ebene.

Für einen intensiven Austausch zu den verschiedenen CDR-Ansätzen sowie zur Erörterung von weiteren Forschungsbedarfen richtete die europäische Initiative JPI Climate (siehe Infobox) in enger Kooperation mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) am 5. September 2023 in Brüssel einen Workshop zum Thema „The Role of R&D and Policy for advancing CDR in the EU" aus. Bei dem Treffen stellten hochrangige CDR-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler nationale und europäische Forschungsaktivitäten zu CDR sowie politische Entwicklungen vor. Darüber hinaus diskutierten die rund 40 Teilnehmenden vor Ort sowie etwa 90 Zuhörerinnen und Zuhörer online gemeinsam mit den internationalen Expertinnen und Experten Lücken im Bereich Forschung und Entwicklung sowie regulatorische Optionen für CDR.

Status quo aktueller Forschungsaktivitäten
Wie Deutschland die CDR-Forschung im Rahmen der beiden BMBF-Förderprogramme CDRterra und CDRmare voranbringt, stellte Professorin Julia Pongratz, CDRterra-Programmkoordinatorin von der Ludwig-Maximilians-Universität München, beim Workshop vor. Das BMBF begegnet dem hohen Forschungsbedarf zu CDR-Methoden mit der Förderung von zwei Forschungsprogrammen zu landbasierten (CDRterra) und marinen CDR-Methoden (CDRmare). Insgesamt investiert das BMBF derzeit rund 50 Millionen Euro in die Erforschung des breiten Spektrums an CDR-Methoden. Ziel des Forschungsprogramms CDRterra zu landbasierten CDR-Methoden ist es, die Wissensgrundlagen für forschungs- und klimapolitische Entscheidungen der Bundesregierung zu verbessern.

Als Beispiel für CDR-Forschung auf europäischer Ebene präsentierte Soheil Shayegh vom Centro Euro-Mediterraneo sui Cambiamenti Climatici (CMCC) das zum 1. September 2023 gestartete Horizon Europe-Projekt „UPTAKE". Das europäische Forschungsprojekt hat zum Ziel, nachhaltige und robuste Szenarien für den Einsatz von CDR in Europa zu entwickeln. Der Fokus des Projektes liegt hierbei auf der integrierten Modellierung von CDR und der Energietransformation.

Dr. Steve Smith von der Oxford Universität und Leiter des britischen multidisziplinären Forschungszentrums CO2RE präsentierte die Forschungsarbeiten zu CDR in Großbritannien. In fünf Projekten erprobt das Zentrum CDR in kleinerem Maßstab, um daraus Erkenntnisse für die breitere Anwendung zu gewinnen.

Der Vorsitzende des Europäischen Wissenschaftlichen Beirats zum Klimawandel sowie Direktor und Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung Ottmar Edenhofer hob in seiner Keynote die Notwendigkeit einer Governance für CDR hervor. Er erläuterte verschiedene Optionen, die etwa eine „European Carbon Central Bank" umfassen könnte.

Diskussion zur künftigen CDR-Forschung sowie möglicher Regulierungsoptionen rund um CDR
In der anschließenden Podiumsdiskussion diskutierten die Forschenden die noch bestehenden Innovations- und Entwicklungslücken sowie die Regulierungsoptionen, die etwa durch die EU-Gesetzgebung oder spezielle Anreizprogramme CDR voranbringen könnten. Die Debatte befasste sich beispielsweise mit der Frage, wie die Investitionen in CDR gesteigert werden könnten – auch losgelöst von öffentlichen Mitteln, sowie mit der Frage, welche Rolle CDR in einer Weiterentwicklung des bestehenden Emissionshandels spielen könnte. Ein weiterer beleuchteter Aspekt war die Idee eines klar definierten Ziels für negative Emissionen, das losgelöst vom den Emissionszielen der EU ist. Erst durch ein solches Ziel könne verdeutlicht werden, wie hoch der Bedarf an CDR-Methoden ist.

Seit der Gründung von JPI Climate im Jahr 2011 gestaltet das BMBF als Vertretung für Deutschland aktiv die europäische Klimaforschung mit. So trägt das Bundesforschungsministerium dazu bei, die Weichen für einen gemeinsamen Weg zur Bewältigung des Klimawandels zu stellen.

Hintergrund zu JPI Climate

Die Joint Programming Initiative „Connecting Climate Knowledge for Europe", kurz JPI Climate, ist eine Initiative der europäischen Mitgliedsstaaten und assoziierten Mitglieder, um nationale Forschungsförderprogramme zur Klimaforschung durch gemeinsame Koordinierung und Finanzierung neuer europäischer Forschungsaktivitäten aufeinander abzustimmen. Die länderübergreifende Koordinierung der Klimaforschung zielt darauf ab, die öffentlichen Forschungs- und Entwicklungsressourcen durch die Schaffung von Synergien besser zu nutzen und die Zusammenarbeit zwischen Spitzenwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler über die nationalen Grenzen hinweg zu erleichtern. JPI Climate verbindet verschiedene wissenschaftliche Disziplinen, ermöglicht grenzüberschreitende Forschung und verstärkt die Interaktion zwischen Wissenschaft und Praxis. Damit ist das Ziel der JPI Climate, die europäischen Anstrengungen zur Bewältigung der gesellschaftlichen Herausforderung des Klimawandels maßgeblich zu unterstützen.