Deutschland unterzeichnet historisches UN-Hochseeschutzabkommen

„Meilenstein im internationalen Meeresschutz“ – mit diesem Echo schreibt das UN-Hochseeschutzabkommen nach über 15-jähriger Verhandlungsdauer seinen erfolgrei-chen Abschluss. Das Abkommen gilt für ein Gebiet, das ca. 40 Prozent der Erdoberfläche ausmacht. Was konkret regelt das Meeresschutzabkommen? Welche Bedeutung hat das Abkommen für die Forschung auf Hoher See? Und welche Rolle spielt die Deutsche Meeresforschung bei der Implementierung des Abkommens?

Deutschland hat als einer der ersten Staaten das UN-Hochseeschutzabkommen BBNJ (Biodiversity Beyond National Jurisdiction) bei den Vereinten Nationen (UN) in New York am 20.09.2023 unterzeichnet. Das Abkommen ist ein historischer Durchbruch im Umwelt- und Seevölkerrecht. Das Bundesministerium für Bildung (BMBF) hat sich als Teil der Deutschen Delegation im Verhandlungsprozess in New York für die Forschung eingesetzt.

Schutzräume und nachhaltige Nutzung erstmalig möglich

Die Hohe See ist ein Gebiet, in dem es aktuell kaum einheitliche globale Regeln zum Schutz der biologischen Artenvielfalt der Meere gibt. Diesen „rechtsfreien Raum“ schließt das BBNJ-Abkommen erstmalig. Zentrales Thema des Abkommens: der Schutz und eine nachhaltige Nutzung der Meeresbiodiversität. Diese umfasst dabei alle Arten, ihre natürlichen Lebensräume und deren genetische Vielfalt - auf Hoher See und in deren Tiefsee. Zentrales Ergebnis des Abkommens: Perspektivisch können zukünftig Schutzgebiete auf der Hohen See eingerichtet werden, um mögliche Ruheräume für die Meeresnatur zu gewähren. So kann in diesen Gebieten die menschliche Nutzung wie die Fischerei, die Schifffahrt, oder auch der Tiefseebergbau eingeschränkt werden. Darüber hinaus müssen potentiell schädliche Aktivitäten auf Hoher See einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) unterzogen werden.

Mikroorganismen im Interesse von Forschung und Entwicklung

Neben diesen Aspekten regelt das Abkommen auch den Zugang zu maringenetischen Ressourcen (MGR) auf der Hohen See und auf dem internationalen Meeresboden sowie die gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung ergebenen Vorteile. Bei MGR handelt es sich um funktionale Erbeinheiten aus pflanzlichen, tierischen, mikrobiellen oder sonstigen Ursprungs. Speziell Mirkoorganismen aus den Regionen des küstenfernen Tiefseebodens stehen im Interesse der Forschung und Entwicklung. Es besteht teils die Hoffnung, aus MGR Pharmazeutika, Kosmetika oder anderweitige Produkte von kommerzieller Bedeutung zu gewinnen. Wem in einem solchen Fall der Erzielung von Profiten aus MGR aus Gebieten jenseits der nationalen Hoheitsbefugnisse zusteht, war bislang unter den seevölkerrechtlichen Vorgaben ungeregelt.

Teilhabe sichern über Datenaustausch, Kapazitätsaufbau und Technologietransfer

Vor diesem Hintergrund sieht das UN-Hochseeschutzabkommen nun Vorgaben für eine transparentere Forschungspraxis im Zusammenhang mit MGR und einen gerechten Vorteilsausgleich vor. Neben dem optimierten Datenaustausch steht dabei auch eine stärkere Einbindung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus dem Globalen Süden als auch die Unterstützung von dortigen Infrastrukturen im Fokus. Letzteres ist auch Element des separaten Themenblocks des Abkommens: Kapazitätsaufbau und Technologietransfer. Da es sich bei dem MGR-Regelungen in weiten Teilen um ein Rahmenwerk handelt, bedürfen viele Teilaspekte der künftigen Konkretisierung durch die Vertragsstaatenkonferenz des Abkommens und der untergeordneten Einrichtungen.

Deutsche Meeresforschung relevant für wissensbasierte Schutzabkommen

Mit dem Augenmerk auf die Meeresforschung hat das BMBF als Teil der Deutschen Delegation vor den Vereinten Nationen insbesondere den MGR-Themenkomplex verhandelt und sich für die völkerrechtlich garantierte Freiheit der Forschung auf Hoher See eingesetzt. Auch weiterhin ist der freie Zugang zu genetischem Material auf der Hohen See ohne vorherige Genehmigung gewährleistet. Darüber hinaus hat das Bundesforschungsministerium die Notwendigkeit wissenschaftsbasierter Entscheidungen und fachkompetenter Gremien betont und für deren Einrichtung votiert. Denn die Gewinnung von Wissen, wissenschaftlichem Verständnis und technologischen Innovationen werden unter dem Abkommen als grundlegende Beiträge zur Umsetzung vorgesehen.

Um die Ziele des UN-Hochseeschutzabkommens in die Wirklichkeit zu überführen bedarf es wissenschaftsbasierter Entscheidungen. Dies betrifft insbesondere auch die Einrichtung von Schutzgebieten und die Beurteilung relevanter Aktivitäten unter den UVP-Vorgaben. Die Deutsche Meeresforschung ist international bestens vernetzt, ausgestattet mit Hightech-Infrastruktur wie einer leistungsfähigen Forschungsschiffsflotte und besetzt mit hoch qualifizierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Sie kann auch zukünftig entscheidende Beiträge zum Gelingen des UN-Hochseeschutzabkommens leisten.

UN-Hochseeschutzabkommen

Die Hohe See umfasst etwa zwei Drittel der gesamten Meeresgebiete und liegt außerhalb nationaler Hoheitsbefugnisse einzelner Staaten. Mit dem UN-Hochseeschutzabkommen werden detail-lierte Regelungen zum Schutz und der nachhaltigen Nutzung der dortigen marinen Biodiversi-tät geschlossen. Das UN-Seerechtsübereinkommen (1982), die sog. „Verfassung der Meere", sieht für die Biodiversität auf Hoher See nur unzureichende Regelungen vor. Diese Lücke wurde von der internationalen Staatengemeinschaft bereits vor knapp 20 Jahren identifiziert. Seit 2018 liefen die offiziellen Regierungsverhandlungen unter dem Dach der Vereinten Nati-onen zum UN-Hochseeschutzabkommen. Erst 2023 konnte sich auf ein Abkommenstext verständigt werden. Das UN-Hochseeschutzabkommen fungiert als Umsetzungsabkommen unter dem UN-Seerechtsübereinkommen.

Deutschland hat nunmehr als einer der ersten Staaten das UN-Hochseeschutzabkommen unterzeichnet. Das Inkrafttreten des Abkommens hängt davon ab, das mindestens 60 Staaten das Abkommen ratifizieren. Erst in Folge des Inkrafttretens findet die erste Vertragsstaaten-konferenz statt, bei der unter anderem die Einrichtung eines ständigen Sekretariats und des-sen Sitz verhandelt werden.