Projekt "CAP4GI-GAP für vielfältige Landschaften" im Interview – Gemeinsame Agrarpolitik für eine bessere Unterstützung von grüner Infrastruktur, Biodiversität und Ökosystemleistungen
Sarah Velten von der adelphi research gGmbH koordiniert die Forschung im Projekt "CAP4GI–GAP für vielfältige Landschaften", das die Menschen, insbesondere die Landwirtinnen und Landwirte in den Mittelpunkt rückt. Das Verständnis für betriebliche Entscheidungsprozesse ist Voraussetzung, um herauszufinden, wie die gemeinsame Agrarpolitik der EU ausgestaltet sein müsste, damit die Akteure erfolgreich wirtschaften und zugleich die Biodiversität in der Landwirtschaft besser als bisher schützen können.
In der Fördermaßnahme BiodiWert forschen Forschungsverbünde zu den Ursachen des ungebremsten Verlustes von Biodiversität und entwickeln innovative Ansätze zur Erhaltung. Im Fokus steht dabei die Wertschätzung von Biodiversität und Ökosystemleistungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Insgesamt 17 Projekte starteten in die zweite Förderphase. "CAP4GI-GAP für vielfältige Landschaften" ist eins davon. Das Projektteam will den Biodiversitätsschutz in der Landwirtschaft voranbringen und beleuchtet Hebel und Potenziale in der gemeinsamen Agrarpolitik für eine bessere Unterstützung von grüner Infrastruktur, Biodiversität und Ökosystemleistungen.
INTERVIEW
Das Projekt heißt in der Kurzform „CAP4GI-GAP für vielfältige Landschaften". Wofür steht das Akronym?
Sarah Velten: Das Akronym steht für „Common Agricultural Policy for Green Infrastructure", also "Gemeinsame Agrarpolitik für Grüne Infrastruktur". Wir haben diesem Akronym noch den Zusatz „GAP für vielfältige Landschaften" hinzugefügt, damit der Inhalt des Projekts für unsere Zielgruppe, Landwirtinnen, Landwirte und andere Akteure aus der Landwirtschaft und dem Naturschutz in Deutschland, unmittelbarer verständlich wird.
Das Projekt soll dazu beitragen, Biodiversität besser zu schützen. Wie soll das passieren und wie kamen Sie auf die Idee?
Sarah Velten: "CAP4GI-GAP für vielfältige Landschaften" beschäftigt sich mit der Förderung der Biodiversität in Agrarlandschaften. Konkret soll die Biodiversität durch die Erweiterung und Verbesserung Grüner Infrastruktur gefördert werden. Grüne Infrastruktur umfasst natürliche und naturnahe Landschaftselemente und weitere Maßnahmen zur Förderung der Agrar-Biodiversität wie zum Beispiel Hecken, Baumgruppen, Ackerrandstreifen, Brachen. Diese bieten Tieren und Pflanzen Lebensraum, Nahrung, Unterschlupf und die Möglichkeit zur Reproduktion. Um die Biodiversität auf landwirtschaftlichen Flächen zu fördern, muss es von solchen Landschaftselementen nicht nur mehr geben, sie müssen auch so platziert sein, dass sie ein Netzwerk bilden und so den verschiedenen Arten auch die Möglichkeit geben sich fortzubewegen und in neue Gebiete auszubreiten.
Eigentlich sollten hier die Greening- und sonstigen Agrarumweltmaßnahmen der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU schon zu Verbesserungen geführt haben. Jedoch erzielten diese Maßnahmen bisher nicht die gewünschten Effekte. Mit dieser Problematik beschäftigen sich sowohl wir von adelphi (unter anderem im inzwischen abgeschlossenen Projekt BIOGEA) als auch unsere Projektpartner UFZ Helmholtz Zentrum für Umweltforschung und Universität Rostock bereits seit vielen Jahren. Darauf aufbauend haben wir unser Forschungskonzept für "CAP4GI-GAP für vielfältige Landschaften" entwickelt.
Bei "CAP4GI-GAP für vielfältige Landschaften" wollen wir mit Landwirtinnen und Landwirten und anderen relevanten Akteuren reden, sie besser verstehen, und mit ihnen gemeinsam herausfinden, wie eine Förderung aussehen könnte, mit der die Betriebe zufrieden sind und mit der auch wirklich mehr und bessere Grüne Infrastruktur erreicht wird. Daher steht bei "CAP4GI-GAP für vielfältige Landschaften" der Mensch im Mittelpunkt, vor allem die Landwirtinnen und Landwirte und deren betriebliche Entscheidungen.
Mit wem arbeiten Sie zusammen und wie kann man sich die Zusammenarbeit vorstellen?
Sarah Velten: "CAP4GI-GAP für vielfältige Landschaften" wird vom Nachhaltigkeits-Think-and-Do-Tank adelphi geleitet. Die wissenschaftliche Forschung wird von der Universität Rostock und vom UFZ Helmholtz Zentrum für Umweltforschung durchgeführt. Außerdem sind mit der Bodensee-Stiftung und der Wildtierland Hainich GmbH zwei Praxispartner beteiligt. Diese etablieren in Baden-Württemberg und Thüringen Austauschplattformen durch die vor allem Landwirtinnen und Landwirte, aber auch andere Akteure beteiligt werden. Damit wird die Anbindung des Forschungsprozesses an die Praxis ermöglicht. Als weiterer Partner ist der Deutsche Naturschutzring (DNR) beteiligt. Als Dachorganisation deutscher Umweltorganisationen kann der DNR unsere Arbeit und Ergebnisse nicht nur in ein breites Netzwerk von NGOs kommunizieren, sondern auch in politische Gremien einbringen.
Ich erlebe die Zusammenarbeit als sehr lebendig und konstruktiv. Alle Projektpartner suchen proaktiv den Austausch und die Zusammenarbeit mit anderen Projektpartnern. Fragen, die mit der strategischen Ausrichtung des Projekts zusammenhängen, diskutieren und entscheiden wir im gesamten Konsortium.
Was ist das Neue an dem Projekt und wie wollen Sie vorgehen?
Sarah Velten: Von wissenschaftlicher Seite kennt man bereits viele Faktoren, die zu der mangelnden Effektivität der bisherigen GAP der EU in Hinblick auf Förderung der Biodiversität geführt haben: zum Beispiel zu viel bürokratischer Aufwand für die Landwirte, zu niedrige Fördersätze für die Ausführung der Maßnahmen, fehlendes Vertrauen in deren Wirksamkeit, Angst vor Sanktionen, fehlende Beratung zur effektiven Umsetzung der Maßnahmen. Was fehlt, sind praxiserprobte Ideen für alternative Ansätze. Wir wollen die Probleme und Bedürfnisse der Landwirtinnen und Landwirte verstehen, um unsere Forschung und Politikempfehlungen daran zu orientieren. Zudem wollen wir Landwirtinnen und Landwirte und andere relevante Akteure darin unterstützen, Lösungsansätze zu entwickeln – einerseits durch unsere Forschungsergebnisse, andererseits indem wir ihnen bei den Austauschplattformen einen Raum geben, um gemeinsam Lösungswege zu erarbeiten.
Auch auf wissenschaftlich-methodischer Seite gibt es innovative Aspekte: Die Universität Rostock arbeitet an einer so noch nicht dagewesenen ökonomischen Modellierung einer ökologischen Fragestellung. Konkret modellieren sie, wie es sich auf landwirtschaftliche Betriebe auswirkt, wenn sie verschiedene biodiversitätsfördernde Maßnahmen umsetzen, und identifizieren die Faktoren, die den Entscheidungen der Landwirtinnen und Landwirte bestimmte Maßnahmen umzusetzen (oder nicht) zugrunde liegen. Auch bei der Arbeit des UFZ spielt Modellierung eine zentrale Rolle: Das Team des UFZ koppelt soziologische Modellierung mit ökologischer Modellierung, um zu simulieren, wie sich verschiedene Arten der Förderinstrumente der Agrarpolitik am Ende auf die Entwicklung der Artenvielfalt auswirken. Eine solche Modellierung der gesamten Kette (Förderinstrument – Entscheidungen der Landwirtinnen und Landwirte zur Ausführung von Maßnahmen – deren Auswirkungen auf die Gestaltung der Landschaft – Auswirkungen auf die Biodiversität) hat bisher gefehlt.
Was erhoffen Sie sich von dem Projekt? Was muss passieren, dass Sie am Ende sagen: „Dieses Projekt war erfolgreich"?
Sarah Velten: Wir erhoffen uns Projekterfolge auf verschiedenen Ebenen: Zum einen wäre das Projekt für uns erfolgreich, wenn die teilnehmenden Landwirtinnen und Landwirte am Ende mehr und bessere Maßnahmen zum Erhalt der Biodiversität ausführen. Noch besser wäre es, wenn sie dabei auch ökonomisch besser dastehen würden.
Weiterhin erhoffen wir uns, dass wir Politikempfehlungen zur effektiveren Umsetzung der aktuellen GAP geben können. Darüber hinaus streben wir aber auch an, evidenz-basierte alternative Ansätze für die Gestaltung einer zukünftigen Agrarpolitik aufzeigen zu können, die unsere natürlichen Lebensgrundlagen erhält und fördert. Natürlich wollen wir am Ende des Projekts unsere Arbeit und Ergebnisse effektiv an relevante Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger kommuniziert haben. Insofern wäre es ein besonderer Erfolg für uns, wenn unsere Ergebnisse, Empfehlungen und Ideen Eingang in die politische Debatte um die Gestaltung der nächsten Förderperiode der GAP finden würden.
Mehr Informationen
CAP4GI - GAP für vielfältige Landschaften: Hebel und Potenziale in der gemeinsamen Agrarpolitik für eine bessere Unterstützung von grüner Infrastruktur, Biodiversität und Ökosystemleistungen
Zur Projektwebsite: https:\\cap4gi.de
Fördermaßnahme BiodiWert
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert mit der Fördermaßnahme "Wertschätzung und Sicherung von Biodiversität in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft" (BiodiWert) Projekte, die durch die Entwicklung innovativer Bewertungskonzepte, Governancestrukturen sowie (Politik-) Maßnahmen den Stellenwert von Ökosystemleistungen und Biodiversität auf unternehmerischer und gesellschaftlicher Ebene steigern – und damit wirksam zur Sicherung von Biodiversität beitragen.
Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt (FEdA)
Mit der Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt (FEdA) unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die wissenschaftliche Untersuchung der Biodiversität in Deutschland und die Entwicklung neuer, effektiver Artenschutzmaßnahmen.