Interview mit Genevieve Walther: „Biodiversität als Wert und Nutzungsinteresse kommunikativ, politisch und praktisch stärker in der Grünflächengestaltung wirksam machen“
Gärten, Parks und Grünstreifen stellen einen wichtigen Lebensraum für Insekten dar. Im Projekt BioDivKultur widmet sich ein interdisziplinäres Expertenteam Werthaltungen, Nutzungsinteressen und Handlungsoptionen bei der Gestaltung und Pflege dieser Grünflächen, um sie effektiver für den Erhalt der Artenvielfalt zu nutzen. Genevieve Walther, Ökologin und Koordinatorin im Verbundvorhaben BioDivKultur, berichtet über Neuigkeiten aus dem Projekt und die Zusammenarbeit des interdisziplinären Teams.
Frau Walther, können Sie kurz skizzieren, was Ihre gemeinsame Motivation und Ziel im Projekt BioDivKultur ist?
Artenreiche Grünlandflächen wie Wiesen und Weiden bieten bekanntermaßen Insekten einen wichtigen Lebensraum. Doch auch in Parks, auf Grünstreifen wie Ackerränder und Straßenbegrenzungen sowie Grünflächen des Gewerbes gibt es Lebensräume für Insekten. Dabei stehen für diejenigen, die solche Flächen besitzen, verwalten und/oder pflegen, unterschiedliche Gestaltungsentscheidungen an: Was soll offene Grünfläche bleiben? Welche Optionen wähle ich bei der Gestaltung der Grünfläche selbst, z. B. durch Bewuchs und Mahd? Diese Entscheidungen werden immer vor dem Hintergrund unterschiedlicher Werthaltungen gegenüber Natur, unterschiedlicher Nutzungsinteressen (z. B. Ästhetik, Sicherheit, Sicherung von Ökosystemdienstleistungen usw. und pragmatischer Rahmenbedingungen wie Kosten und Zeitaufwand für die Pflege getroffen. Wir – ein Verbund aus Biologinnen und Biologen und Geistes- und Sozialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern – gehen diesen Rahmenbedingungen auf den Grund und widmen uns den dahinter liegenden Werthaltungen, Nutzungsinteressen, Handlungsoptionen und Regulierungsmöglichkeiten. Konkret untersuchen und erproben wir, wie Biodiversität als Wert und Nutzungsinteresse kommunikativ, politisch und praktisch stärker in der Grünflächengestaltung wirksam werden kann.
Wir haben zuletzt im September 2022 im Rahmen eines Interviews über Ihr Projekt gesprochen. Was ist im seither passiert?
Ein wichtiger Meilenstein war die Durchführung unseres Mahdworkshops. Hierbei gingen verschiedene Akteure aus Wissenschaft und Praxis in den Austausch bezüglich des Mähens von Grünflächen. Der Workshop zeigte, wie aktuell das Thema ist und wie viel Bedarf an Informationen besteht sowie insbesondere an einer Plattform zum Austausch von Fakten und Erfahrungen. Die Durchführung von Impulsveranstaltungen mit Vorträgen von verschiedenen Referentinnen und Referenten hat sich im Projekt zu einem wichtigen Instrument für den trans- und interdisziplinären Wissenstransfer entwickelt.
Welchen Mehrwert hat die Biodiversität von dieser inter- und transdisziplinären Ausrichtung?
Der Rückgang der Biodiversität ist insbesondere auf menschliche Entscheidungen und Handlungen zurückzuführen. Es ist also notwendig die verschiedenen Aspekte, die zu diesen Handlungen führen, in ihren verschiedenen Ebenen zu erforschen. So wird gleichzeitig Wissen über die Kommunikation von Biodiversität, ihre Handhabung in der Politik, ihre Wertschätzung und das Ausmaß ihres Rückgangs gewonnen. Dieses Wissen kann direkt an den richtigen Stellen eingebracht und praktisch umgesetzt werden. Der Mehrwert dieser ganzheitlichen Betrachtung ist also, dass die Erkenntnisse zu einer realen Veränderung führen.
Können Sie uns einen Einblick in das Zusammenwirken der unterschiedlichen Disziplinen im Projekt geben?
Das Zusammenwirken der wissenschaftlichen Disziplinen und der Praxispartner zeigt sich besonders bei der Vermittlungsarbeit oder der Umsetzung von Erkenntnissen aus der Forschung in die Praxis. Damit dies erfolgreich ist, werden das Wissen und die Erfahrung aller Projektmitglieder benötigt und auch eingesetzt. So arbeitet beispielsweise die Wissenschaftsstadt Darmstadt bei der Formulierung von Pflegeplänen mit dem BUND, der Biologie und Linguistik zusammen. Auch in der Öffentlichkeitsarbeit sind in der Regel mehrere Partnerinnen und Partner aus verschiedenen Disziplinen gemeinsam an einem Konzept aktiv, damit dieses sowohl wissenschaftlich korrekt, als auch an die jeweiligen Zielgruppen angepasst ist und so die Informationen und Botschaften auch richtig ankommen.
Sie sind im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit sehr aktiv. Wie ist Ihre bisherige Erfahrung?
Unserer Erfahrung nach ist es wichtig, im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit nicht nur auf unsere Veranstaltungen hinzuweisen oder Studienergebnisse zu präsentieren. Auch die detaillierte Entwicklung des Projekts und Einblicke in unsere Arbeitsweise wecken bei vielen das Interesse für die Thematik und schaffen eine Verbindung. Dies ist gerade über Kanäle wie Instagram, Twitter und Facebook gut umsetzbar.
Eine Schwachstelle der sozialen Medien ist, dass sich oft in einem Kreis von Personen bewegt wird, die sich ohnehin für das Thema interessieren. Für den Erhalt der Biodiversität ist es jedoch wichtig, auch die Personen zu erreichen und anzusprechen, die sich noch nicht mit dem Thema beschäftigt haben.
Was haben Sie sich für 2023 vorgenommen?
Dieses Jahr wollen wir im Rahmen des Projekts noch stärker auf die Öffentlichkeit zugehen. Die Partnerinnen und Partner aus der Praxis erstellen neue Konzepte für Ausstellungen und Veranstaltungen, welche noch weitere und verschiedene Zielgruppen ansprechen sollen.
Wir wollen ganz allgemein die interessierte Öffentlichkeit informieren, aber auch Schulen im Speziellen ansprechen. Bei den Sozial- und Geisteswissenschaften umfassen die Veranstaltungen unter anderem einen kreativen Hackathon, wie auch eine Tagung mit politischen Akteuren. Auch sind für dieses Jahr wieder biologische Erhebungen geplant, wobei die Wirkung verschiedener Mähgeräte und ungemähter Bereiche auf Insekten und Spinnen untersucht wird.
Fördermaßnahme BiodiWert
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert mit der Fördermaßnahme "Wertschätzung und Sicherung von Biodiversität in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft" (BiodiWert) Projekte, die durch die Entwicklung innovativer Bewertungskonzepte, Governancestrukturen sowie (Politik-) Maßnahmen den Stellenwert von Ökosystemleistungen und Biodiversität auf unternehmerischer und gesellschaftlicher Ebene steigern – und damit wirksam zur Sicherung von Biodiversität beitragen.
Links:
Website BioDivKultur
Chronologie von BioDivKultur
Podcast „BioDivKultur zirpt: Ein Podcast zum Erhalt der Biodiversität"
Informationen zur Ausstellung „Wiesion"
Informationen und Anmeldung zu den Impulsveranstaltungen
BioDivKultur Hackathon