Projekt ValuGaps im Interview – wie viel ist Biodiversität wert?

Prof. Dr. Martin Quaas von der Universität Leipzig will mit seinem Team im Projekt ValuGaps eine Methode weiterentwickeln, die es ermöglicht zu erfassen, was Biodiversität wert ist, wie diese Werte verteilt sind, und wie sie durch private und politische Entscheidungen beeinflusst werden. Die Forschergruppe legt besonderen Wert auf die praktische Anwendbarkeit und arbeitet daher von Anfang an eng mit den für eine Erfassung von Biodiversitätswerten relevanten Akteuren zusammen: Umweltbundesamt, Bundesamt für Naturschutz und Statistisches Bundesamt.

In der Fördermaßnahme BiodiWert forschen Forschungsverbünde zu den Ursachen des ungebremsten Verlustes von Biodiversität und entwickeln innovative Ansätze zur Erhaltung. Im Fokus steht dabei die Wertschätzung von Biodiversität und Ökosystemleistungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Insgesamt 17 Projekte starteten in die zweite Förderphase. "ValuGaps" ist eins davon. Das Projektteam will die Methodik zur Bewertung von Biodiversität voranbringen – denn nur was bekannt ist, kann auch geschützt werden.

INTERVIEW

Das Projekt heißt „ValuGaps". Wofür steht das Akronym?

Prof. Dr. Martin Quaas: Der deutsche Projekttitel lautet "Umfassende Inwertsetzung von Naturkapital in Deutschland: Ansätze und Methoden zum Umgang mit knapper Information und Unsicherheiten". Das Akronym ist aus dem englischen Projekttitel abgeleitet, "Towards a comprehensive valuation of natural capital in Germany: Methods and approaches to deal with limited information and uncertainty". Es deutet an, dass es um die Inwertsetzung von Biodiversität geht – Valu – aber auch, dass es dabei nach wie vor große Lücken gibt – Gaps.

Das Projekt soll dazu beitragen, Biodiversität besser zu schützen. Wie soll das passieren und wie kamen Sie auf die Idee?

Prof. Dr. Martin Quaas: Dass die vielfältigen Werte von Biodiversität besser in politischen und privaten Entscheidungen berücksichtigt werden sollten, ist schon lange ein erklärtes Ziel. Der sogenannte Weltbiodiversitätsrat IPBES hat im entsprechenden Assessment, das im Sommer 2022 verabschiedet worden ist, erklärt, dass eine solche Inwertsetzung zu einem nachhaltigeren Umgang mit der Natur beitragen könne. Dazu müssen diese Werte aber zunächst bekannt sein, und zwar in möglichst umfassender Weise. Das Projekt ValuGaps möchte hier zu den wissenschaftlichen Grundlagen beitragen, so dass diese Werte insbesondere in Deutschland besser verfügbar werden.

Mit wem arbeiten Sie zusammen und wie kann man sich die Zusammenarbeit vorstellen?

Prof. Dr. Martin Quaas: Am Vorhaben sind neben dem Deutschen Zentrum für Integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig auch die Universitäten Hamburg, Freiburg und die Freie Universität Berlin beteiligt. Damit decken wir von wissenschaftlicher Seite alle benötigten Disziplinen ab, von der Ökologischen Ökonomik bis zur Biodiversitätsforschung.

Besonders an ValuGaps ist die enge Zusammenarbeit mit dem Umweltbundesamt und dem Bundesamt für Naturschutz, die sowohl fachliche Expertise einbringen als auch den Blick auf die Anwendung in Deutschland. Zudem arbeiten wir eng mit der Arbeitsgruppe im Statistischen Bundesamt zusammen, die die Ökosystemgesamtrechnung in die Berichterstattung einfügen soll.

Was ist das Neue an dem Projekt und wie wollen Sie vorgehen?

Prof. Dr. Martin Quaas: Wir schaffen zum Einen die konzeptionellen Grundlagen, um Werte der Biodiversität möglichst umfassend bereitstellen zu können. Das ist eine Herausforderung, denn diese Werte werden in der Regel nur punktuell und mit spezifischen Fragestellungen erhoben. Zum Beispiel mit der Frage, wie viel städtische Grünflächen in Leipzig wert sind. Um solche punktuelle Werten auf andere Anwendungsfragen oder größere Zusammenhänge hochzurechnen, müssen weitere ökologische und ökonomische Daten einfließen. Denn die Werte hängen davon ab, wie die jeweiligen Ökosysteme funktionieren und wie die lokalen ökonomischen Gegebenheiten sind, zum Beispiel was die Einkommensverteilung angeht. Mit Hilfe solcher Hochrechnungen kann man sich dann einen Überblick verschaffen, wie viel die Biodiversität – um im Beispiel zu bleiben: die Biodiversität städtischer Grünflächen – in Deutschland wert ist, wie diese Werte verteilt sind, und wie sie durch private und politische Entscheidungen beeinflusst werden.

Was erhoffen Sie sich von dem Projekt? Was muss passieren, dass Sie am Ende sagen: „Dieses Projekt war erfolgreich"?

Prof. Dr. Martin Quaas: Wenn wir mit der Methodenentwicklung weitergekommen sind und diese Methoden sich für unsere Praxispartner vom Umweltbundesamt (UBA), Bundesamt für Naturschutz (BfN) und vom Statistischen Bundesamt (DESTATIS) als nützlich erweisen, wäre ValuGaps nach unserer Auffassung sehr erfolgreich.

Projekt Website

"Intaktes Naturkapital erbringt dauerhaft Leistungen, die für Menschen wertvoll sind. Die gesellschaftlichen Werte von Naturkapital sind bisher nur lückenhaft bekannt und mit großer Unsicherheit behaftet. ValuGaps entwickelt Methoden, Informationslücken zu schließen, mit Unsicherheiten umzugehen und bestehendes Wissen so zusammenzubringen, dass Entscheidungsträgerinnen es praktisch anwenden können." https://valugaps.de/

Fördermaßnahme BiodiWert

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert mit der Fördermaßnahme "Wertschätzung und Sicherung von Biodiversität in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft" (BiodiWert) Projekte, die durch die Entwicklung innovativer Bewertungskonzepte, Governancestrukturen sowie (Politik-) Maßnahmen den Stellenwert von Ökosystemleistungen und Biodiversität auf unternehmerischer und gesellschaftlicher Ebene steigern – und damit wirksam zur Sicherung von Biodiversität beitragen.

Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt (FEdA)

Mit der Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt (FEdA) unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die wissenschaftliche Untersuchung der Biodiversität in Deutschland und die Entwicklung neuer, effektiver Artenschutzmaßnahmen.