(Nicht) auf Sand gebaut
BMBF-Projekt entwickelt neue Methode zur Erkundung von Sedimenten in Baggerseen
Das Karlsruher Startup limknow hat in Zusammenarbeit mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) im BMBF-Projekt Kiesdetektion eine neue Methode entwickelt, die nutzbare Sand- und Kiesschichten in Baggerseen präzise erfassen kann. Sie ermöglicht Kiesgrubenbetreibern viel besser als bisher einzuschätzen, ob sich ein weiterer Abbau der kostbaren Rohstoffe lohnt. Das hat auch positive Folgen für den Grundwasserschutz.
Sand und Kies sind nach Wasser die am meisten verbrauchten Rohstoffe. Die Nachfrage danach steigt durch den anhaltenden Bau-Boom stetig. In Deutschland wurden im Jahr 2016 etwa 256 Millionen Tonnen Bausand und Kies im Wert von rund 1,83 Milliarden Euro verkauft. Der Abbau dieser Rohstoffe steht jedoch häufig in Konflikt mit dem Natur- und Gewässerschutz. Insbesondere beim sogenannten Nassabbau in Baggerseen werden Grundwasservorkommen freigelegt. Fehlt die schützende Bodenschicht, droht eine Verschmutzung des Grundwassers – etwa durch Bakterien oder Schadstoffe, die von außen eindringen. Erweiterungen bestehender oder die Erschließung neuer Sand- und Kieslagerstätten unterliegen somit langwierigen Genehmigungsverfahren oder sind aufgrund von Nutzungskonflikten mit Wasserversorgern, Naturschutz oder Landwirtschaft oft gar nicht möglich.
Als Lösung setzt die Branche mittlerweile darauf, Sand und Kies aus bisher ungenutzten Vorkommen in bestehenden Baggerseen zu gewinnen. Problem hierbei: Tief im See liegende Lagerstätten werden häufig von mächtigen Schichten aus feinen Schlammsedimenten überdeckt, die bei der Spülung der geförderten Rohstoffe anfallen. Die Vorräte können daher nicht zuverlässig geortet werden. „Bislang fehlten Mess- und Erkundungsmethoden, die die Sedimentschichten präzise und sicher kartieren konnten, um Antworten auf zentrale Fragen zu geben wie: Wo liegt wieviel Schlamm und wie ist er beschaffen? Wo liegt noch Sand und Kies und lohnt es sich, diesen zu fördern? Die Planung einer konkreten Abbaustrategie war daher kaum möglich. Das war der Ansatz für unsere Forschungsarbeiten", sagt Dr. Stephan Hilgert, Koordinator des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts Kiesdetektion und Geschäftsführer von limknow.
Ziel war es, neue Vermessungs- und Auswertemethoden zu entwickeln, mit deren Hilfe bestehende Kies- und Sandlagerstätten in Baggerseen genau bestimmt sowie die überdeckende Feinsedimentmenge erfasst werden können. „Dafür war es notwendig, verschiedene Ansätze und Strategien zu kombinieren", so Hilgert. Konkret haben die Forschenden seismische Aufnahmen, die den Seeuntergrund mittels Schallwellen untersuchen, mit Tiefenbohrungen bis in die Kiesschicht des Sees verknüpft.
Das Prinzip der Seismik ist vergleichbar mit dem Echolot auf Schiffen, das die Wassertiefe mithilfe von ausgesendeten Schallwellen elektroakustisch misst. Als Sedimentecholot haben Hilgert und sein Team ein sogenanntes parametrisches Echolot verwendet. Dessen Schallwellen können sehr tief in den Seegrund eindringen und die Schichtung wiedergeben. Durch Nutzung eines Drohnenboots als Träger für das Echolot konnte dieses sehr viel engere Peillinien als üblich abfahren und dadurch hochgenaue Schichtinformationen gewinnen. „Auf diese Weise ist es uns gelungen, die überdeckenden Sedimente erstmals engmaschig zu vermessen", sagt Hilgert.
„Um die seismischen Echolotdaten und damit auch den Erfolg unserer Erkundungsmethode zu überprüfen, gleichen wir sie mit Sedimentproben ab, die wir mit Tiefenbohrungen gewinnen." Die Forschenden nutzen eine mobile Bohrplattform zur Entnahme von bis zu 20 Meter langen Sedimentkernen, die als Material für Laboruntersuchungen dienen. Die Sedimentkerne werden im Labor in Schichten unterteilt und ihre physikalischen und chemischen Eigenschaften bestimmt. So lassen sich zum Beispiel anhand der Korngrößen die Materialklassen – Kies, Sand, Schluff oder Ton – feststellen. Darauf basierend werden die die Schallgeschwindigkeiten der verschiedenen Sedimente berechnet, was eine Korrektur der seismischen Daten ermöglicht. Die Schichtinformationen und die seismischen Messungen nutzen die Projektpartner als Trainingsdaten für Algorithmen des Maschinellen Lernens (ML). ML-Methoden sollen helfen, Schallmuster zu identifizieren, die als Basis für eine automatisierte Bestimmung von Sedimentschichten in Baggerseen dienen können und so kostengünstigere Untersuchungen ermöglichen.
Im nächsten Schritt fließen die kombinierten Daten aus Echolotmessungen und Tiefenbohrungen in ein 3D-Untergrundmodell ein. Es bildet die Überdeckung der vorhandenen Ressourcen präzise ab. „Durch die Kombination der vielen unterschiedlichen Ansätze ist eine individuelle Diagnose für jedes Gewässer möglich. Kiesgrubenbetreiber wissen somit über die Restkies- und -sandmengen in ihren Seen Bescheid und können ihre Abbaustrategie danach ausrichten", fasst Hilgert den Vorteil der im Projekt Kiesdetektion entwickelten Erkundungsmethode zusammen.
Da Schätzungen davon ausgehen, dass der weitere Abbau von Kies und Sand in mindestens 30 Prozent der aktiven Kiesgruben im Oberrheingraben und weiteren Kiesgruben in ganz Deutschland durch überdeckende Feinsedimente behindert oder zukünftig unmöglich wird, ist das Marktpotenzial dafür groß. Verbesserte Erkundungsmethoden und die Darstellung von Sand- und Kiesvorkommen in einem 3D-Sedimentmodell können für Baggerseebetreiber in ganz Deutschland eine Chance sein, den Betrieb langfristig zu sichern und nachhaltige Nutzungskonzepte zu erarbeiten.