Zurück für die Zukunft – BMBF-Forschungsprogramm PalMod III simuliert das Klima von der letzten Warmzeit über die Eiszeit bis in die Zukunft, um Klimawechsel besser vorhersagen zu können

Prof. Gerrit Lohmann erklärt, warum die Simulation des Klimas der letzten 130.000 Jahre so wichtig ist, um verlässlichere Prognosen über die Entwicklung des Klimawandels in den nächsten Jahrhunderten und Jahrtausenden treffen zu können.

Prof. Lohmann, in Ihrer Forschung im Rahmen der BMBF-Förderinitiative PalMod simulieren Sie das Klima und dessen Wandel in den letzten 130.000 Jahren. Wie können diese Simulationen dabei helfen, die Zukunft des Klimas besser vorherzusagen?
Bislang wurden Klimamodelle auf kürzeren Zeitskalen ausführlich getestet. Jetzt betreten wir eine neue Welt, in der sich zum Beispiel die Eisschilde auf Grönland und der Antarktis massiv verändern können. Auch der Kohlenstoffkreislauf hält noch so manche Überraschung parat. Im Projekt PalMod entwickeln wir neuartige Modellsysteme, die diese Veränderungen abbilden und Vorhersagen für die Zukunft treffen können. Die Simulationen können wir dann mit den tatsächlich stattgefundenen Klimaänderungen der letzten 130.000 Jahre vergleichen. Wenn solche getesteten Systeme für die Zukunft eingesetzt werden, haben wir noch mehr Vertrauen in Klimamodelle.

Das 1,5 Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens von 2015 ist höchstwahrscheinlich nicht mehr zu erreichen, was nun?
Um ehrlich zu sein: Wenn wir unter 2 Grad bleiben, wäre es schon ein Erfolg. Für mich ist es völlig unverständlich, dass die Industrieländer nicht vorangehen und massiv auf erneuerbare Energien setzen. Die Gefahr ist viel zu groß, dass bestimmte Schwellenwerte im Klima- und Ökosystem überschritten werden, die zu unwiederbringlichen Verlusten führen können. Diese kritischen Prozesse müssen in der Forschung identifiziert werden! Es zeigt sich in unserem Projekt, dass die Einhaltung des Klimaschutzabkommens absolut essenziell ist, um eine nachhaltige Zukunft ohne große Klimaüberraschungen zu gewährleisten.

Was wissen Sie jetzt schon über die Dynamik des Klimawandels, welche Folgen könnte diese Entwicklung für unser Leben haben?
Das Paläoklima gibt uns einen Einblick in das, was passieren kann. Einige Tier- und Pflanzenarten kommen mit schnellen Klimawechseln nicht zurecht und müssen abwandern, andere werden sich anpassen können. Es gibt auch Regionen auf der Erde, die es klimatisch in einer wärmeren Welt gar nicht mehr geben wird, zum Beispiel unsere auch im Sommer eisbedeckte Arktis. Das hat nicht nur Auswirkungen auf das Wetter und die Wetter- und Klima-Extreme, sondern auch direkt auf Tiere und Pflanzen. Die Folgen sind bislang noch relativ unbekannt, und die Modelle für eine verbesserte Abschätzung der Folgen stecken noch in den Kinderschuhen. Ein wichtiges Beispiel ist der Meeresspiegel. In der letzten Warmzeit war das Klima ein paar Grad wärmer und der Meeresspiegel lag 4-9 Meter höher als heute. Das zeigt, wie empfindlich unser Erdsystem ist. Bremen, Bremerhaven, Hamburg und Kiel hätten damit große Probleme und müssten wahrscheinlich umziehen.

Welchen Nutzen hat Forschung, die einen so langen Zeitraum in der Vergangenheit untersucht, für die Zukunft, während wir heute doch schon wissen, was zu tun ist? Nämlich dass der Klimawandel nur durch eine massive Reduzierung von Kohlendioxid (CO2)-Emissionen und der aktiven CO2-Entnahme aus der Atmosphäre (CDR, Carbon Dioxide Removal) einzudämmen ist.
Wir erforschen die Kohlenstoffspeicher auf der Erde: Wo befinden sie sich? Wie verändern sie sich? Ich selbst wurde geboren, als die atmosphärische CO2-Konzentration 320 ppm war, jetzt sind wir bei über 420 ppm, Tendenz steigend. In der letzten Eiszeit hatten wir ungefähr 180 ppm. Wir rechnen mit über 600 ppm, wenn die Menschheit ihren Kurs nicht ändert. Die Auswirkungen wären drastisch und teilweise auch nicht vorhersehbar.

Für wissenschaftlich unterlegte Szenarien brauchen wir Modelle, die die notwendige Komplexität angemessen erfassen können. Interaktive Eisschilde und Kohlenstoffspeicher in unseren neuen Modellsystemen ermöglichen Rückkopplungen, die in den aktuellen Szenarien noch nicht wirklich enthalten sind. Im Übrigen glaube ich nicht, dass alle Menschen begriffen haben, dass jetzt eine massive Reduzierung der Treibhausgasemissionen ansteht. Weder interessieren sich die meisten für ihren ökologischen Fußabdruck, noch setzt die Politik seit Jahrzehnten überzeugende und konsequente Rahmenbedingungen. Es wird über technische Möglichkeiten diskutiert, aber das Kohlenstoffproblem in der Atmosphäre wird dadurch so schnell nicht gelöst werden können. Unsere Modelle können auch aussagen, wie viel Zeit uns bleibt, Lösungen zu finden.

Was wollen Sie mit den Ergebnissen von PalMod erreichen und verbessern?
Die Forschung im Rahmen des PalMod-Projekts ist ein Meilenstein in der Paläoklimaforschung, denn sie wirft die Frage auf: Wie sind wir in die letzte Eiszeit hineingeraten und wie sind wir aus ihr herausgekommen? Aus der Vergangenheit lassen sich Erkenntnisse darüber gewinnen, wie Prozesse in der Atmosphäre und im Ozean die heutigen Eisschilde und damit den Meeresspiegel beeinflussen. Gekoppelte Eisschild-Klimamodelle, wie sie das PalMod-Projekt entwickelt, werden einen neuen Standard für Meeresspiegelprojektionen unter Erwärmungsbedingungen setzen. Modelle mit interaktiven Kohlenstoffspeichern werden bereits verwendet, ihre Anwendung auf das Klima der Erdvergangenheit ist unverzichtbar, um das gekoppelte Klima-Kohlenstoff-System zu verstehen und Schlüsse daraus zu ziehen.

Professor Lohmann, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Zur Person

Prof. Gerrit Lohmann leitet die Arbeitsgruppe „Dynamik des Paläoklimas" am Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven und ist Professor an der Universität Bremen für den Bereich „Physik des Klimasystems". Er gibt regelmäßig Vorträge zu Fragen des Klimawandels und ist Verfasser von Fachbeiträgen und Büchern. Lohmann forscht im Bereich der Klimamodellierung und Dateninterpretation. Sein Arbeitsgebiet umfasst die Analyse von abrupten Klimaübergängen in der Vergangenheit sowie die langfristige Entwicklung von Wetter und Klima.