Tiefseebergbau mit welchen Folgen? Neue Forschungsphase flankiert globales Moratorium
Schutz mariner Ressourcen versus industrieller Tiefseebergbau: Diesen Nutzungskonflikt behandelt das aktuelle Moratorium um die begehrten Rohstoffe Kupfer, Nickel, Kobalt oder Seltene Erden. Gebunden in sogenannten Manganknollen lagern diese in Tiefen von bis zu 5.000 m unseres Ozeans – industriell relevante Metalle für unsere modernen Gesellschaften. Die vom BMBF unterstützte europäische Förderrichtlinie „Ökologische Aspekte eines möglichen Tiefseebergbaus“ bereitet aktuell ihre dritte Projektphase vor. Gleichzeitig beginnen in Jamaika neue Verhandlungen der Internationalen Meeresbodenbehörde (IMB) zu einem möglichen Abbauregelwerk.
Eine Dekade Forschung und ein „Mining Code" für den Schutz der Tiefseeökologie
Das globale Interesse an einem potentiellen Tiefseebergbau zur Gewinnung industrieller Rohstoffe wächst. Bereits seit dem Jahr 2015 beteiligt sich das BMBF daher an den Förderinitiativen der europäischen Joint Programming Initiative „Healthy and Productive Seas and Oceans" (JPI Oceans). Im Fokus dieser Forschungsinitiative stehen die ökologischen Folgen eines möglichen Tiefseebergbaus („Ecological Aspects of Deep-Sea Mining"). Marine mineralische Ressourcen sind mit großen Flächen biologisch besiedelten Meeresbodens verknüpft. Aus diesem Grund würde industrieller Tiefseebergbau unweigerlich gravierende Störungen der Tiefsee-Ökosysteme und eine langfristige Beeinflussung der Lebensgemeinschaften zur Folge haben. Deshalb ist es unabdingbar, das Wissen über die Tiefseehabitate und deren möglichen Beeinträchtigungen stetig zu erweitern. Die gewonnenen Erkenntnisse fließen gleichzeitig in die Entwicklung eines internationalen Regulierungswerks für den Tiefseebergbau ein, der von der Internationalen Meeresbodenbehörde (IMB) (englisch: International Seabed Authority, ISA) in einem sogenannten „Mining Code" als rechtsverbindlicher Rahmen für den Abbau ausgearbeitet wird.
Dritte europäische Forschungsphase startet im Juli 2025
Bisherige Erkenntnisse der unabhängigen Forschung in der CCZ
Deutschland unterstützt ein globales Moratorium des Tiefseebergbaus
Die Bundesrepublik Deutschland setzt sich zusammen mit gleichgesinnten Staaten dafür ein, dass vor jeglichen Abbauaktivitäten die entsprechenden Regularien vereinbart werden müssen. Seit dem letzten Jahr unterstützt die Bundesregierung darüber hinaus eine „Precautionary Pause", wonach der Beginn eines kommerziellen Tiefseebergbaus bis auf Weiteres nicht befürwortet wird, solange die Tiefsee und die Auswirkungen des Tiefseebergbaus nicht hinreichend erforscht und zugleich strenge Regularien und Standards verabschiedet sind.
IMB-Verhandlungen zum „Mining Code" gehen in die nächste Runde
International rechtlich verbindliche Abkommen zur Ausbeutung mineralischer Ressourcen in der Tiefsee – diesen Rahmen für mögliche Tiefseebergbauaktivitäten verhandelt die internationale Staatengemeinschaft. Dabei sollen negative ökologische Folgen des Abbaus durch strenge Umweltstandards minimiert werden. Die Ausarbeitung eines solchen juristischen Regelwerks ist Aufgabe des Rats der IMB, in dem die Bundesrepublik als gewähltes Mitglied aktiv involviert ist. Ein erster Entwurf der Abbauregularien wurde bereits 2017 veröffentlicht und wird seitdem weiter beraten, auch während der aktuellen 29. Sitzungsperiode (15.–26. Juli 2024) des Rats der IMB in Kingston, Jamaika. Das BMBF begleitet diese Verhandlungen vor dem Hintergrund der forschungskompatiblen Ausgestaltung der Regeln unter Wahrung der Freiheit der wissenschaftlichen Meeresforschung von Beginn an. Insbesondere setzt sich das BMBF für strenge Umweltstandards anhand wissenschaftlicher Kriterien ein, ebenso wie für eine unabhängige Begleitforschung eines möglichen industriellen Abbaus.
Mineralische Ressourcen der Tiefsee
Mineralische Ressourcen der Tiefsee umfassen Manganknollen, Kobaltkrusten und Massivsulfide. Insbesondere die 3 bis 8 cm großen Manganknollen stehen aktuell im Fokus der Aufmerksamkeit. Neben dem Hauptmetall Mangan, das durchschnittlich etwa 30 % einer Knolle ausmacht, enthält diese weitere Metalle, wie die wirtschaftlich hoch relevanten Elemente Kupfer, Nickel und Kobalt mit einem Anteil von knapp 3 %. Auch andere Metalle, die eine steigende Nachfrage erfahren, z. B. sogenannte Seltene Erden, können in den Knollen enthalten sein.
Manganknollen kommen auf dem Tiefseeboden aller Weltmeere vor. Sie werden in der Grundlagenforschung schon seit langem beprobt und als Klimaarchive genutzt. In bestimmten Regionen treten sie in erhöhter Häufigkeit auf, z. B. in der Clarion-Clipperton-Zone (CCZ), einem Tiefseegebiet zwischen Hawaii und Mexiko im östlichen Zentralpazifik, das etwas größer als die Fläche der EU ist und sich im Durchschnitt in etwa 5.000 m Wassertiefe befindet. Die dort befindlichen Manganknollen stehen unter Verwaltung der Internationalen Meeresbodenbehörde (IMB). Daher erfolgt die Erkundung der Manganknollen als Rohstoffquelle und Erforschung eines möglichen Tiefseebergbaus in von der IMB lizenzierten Gebieten durch verschiedene Staaten (Belgien, China, Cookinseln, Deutschland, Frankreich, Japan, Kiribati, Nauru, Russland, Singapur, Südkorea, Tonga, UK und ein osteuropäisches Konsortium). In diesem Rahmen betreibt die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) im Geschäftsbereich des Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) die Rohstofferkundung für das insgesamt 75.000 km2 große deutsche Lizenzgebiet (etwas größer als die Fläche des Bundeslandes Bayern), das sich auf zwei Areale der CCZ verteilt. Jeder staatliche Lizenznehmer ist verpflichtet, während der Explorationsphase Umwelt-Referenzdaten zu sammeln. Diese Daten sollen durch unabhängige Begleitforschung eine Abschätzung und Beurteilung der negativen Auswirkungen möglicher zukünftiger Tiefseebergbauaktivitäten auf den Lebensraum der Tiefsee ermöglichen.