Milch produzieren und Artenvielfalt schützen - GOBIOM im Interview
Die Forschergruppe GOBIOM will herausfinden, wie sich die Milchproduktion ökonomisch lohnen kann, wenn zugleich die Wirtschaftsweise Biodiversität schützt und entwickelt. Zusammen mit Praxispartnern entwickelt das Projekt GOBIOM Lösungsansätze und testet diese. Beteiligt sind unter anderem das Öko-Institut, Grünweg Projektmanagement und Beratung sowie das Institut für Ländliche Strukturforschung an der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
In der Fördermaßnahme BiodiWert forschen Forschungsverbünde zu den Ursachen des ungebremsten Verlustes von Biodiversität und entwickeln innovative Ansätze zur Erhaltung. Im Fokus steht dabei die Wertschätzung von Biodiversität und Ökosystemleistungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Insgesamt 17 Projekte starteten in die zweite Förderphase. "GOBIOM" ist eins davon. Das Projektteam arbeitet an der zentralen fragestellung wie Biodiversität bei der Milchproduktion geschützt und entwickelt werden kann, ohne die ökonomische Tragfähigkeit der Wirtschaftsweise zu gefährden. Denn nur gemeinsam mit den Landwirtinnen und Landwirten kann dies gelingen.
Interview
Das Projekt heißt „GOBIOM". Wofür steht das Akronym?
Dietlinde Quack (Öko-Institut): GOBIOM steht für „Gestaltungsoptionen für ökonomisch tragfähige biodiversitätsfördernde Milchproduktionssysteme in den Bio-Musterregionen Freiburg und Ravensburg". Wir zielen mit dem Projekt insbesondere auf artenreiches Grünland ab, das eine große Bedeutung für die Biodiversität in Deutschland hat und aus verschiedenen Gründen zunehmend bedroht ist. Einer der Gründe ist der Rückgang an Milchkühen – als Verwerter von Grünlandaufwuchs. Dabei spielt die Leistungssteigerung bei Milchkühen verbunden mit einem höheren Anspruch an die Futterqualität und einer Nutzungsintensivierung ebenso eine Rolle wie die Nutzungsaufgabe insbesondere an Grenzertragsstandorten.
Das Projekt soll dazu beitragen, Biodiversität besser zu schützen. Wie soll das passieren und wie kamen Sie auf die Idee?
Dietlinde Quack (Öko-Institut): Im Fokus des Projektes stehen sogenannte Milchproduktionssysteme und konkret Milchviehbetriebe, die durch entsprechend angepasste Wirtschaftsweisen zum Erhalt und im besten Fall zu einer Erhöhung der Artenvielfalt der von ihnen bewirtschafteten Flächen beitragen können. Unter den derzeitigen Rahmenbedingungen fällt es den Betrieben jedoch schwer, wirtschaftlich tragfähig zu sein – auch da Biodiversitätsleistungen in der Regel nicht angemessen finanziell honoriert werden. Vor diesem Hintergrund entstand die Idee, diese Fragestellung anhand von zwei beispielhaften Regionen zu bearbeiten. Eine ist die Biomusterregion Freiburg, in der in diesem Kontext die Nutzungsaufgabe die größte Bedrohung für den Erhalt artenreicher Flächen darstellt. Die zweite ist die Biomusterregion Ravensburg, die durch eine eher intensive Milchwirtschaft gekennzeichnet ist, und in der die intensive Grünlandbewirtschaftung der Artenvielfalt abträglich sein kann.
Mit wem arbeiten Sie zusammen und wie kann man sich die Zusammenarbeit vorstellen?
Tobias Pape (grünweg): Wir sind drei Partner im Verbundprojekt: das Öko-Institut koordiniert das Projekt. Projektpartner sind das Institut für Ländliche Strukturforschung (ifls) sowie das Büro grünweg. Im Projektteam tauschen wir uns regelmäßig aus und entwickeln das Projekt inhaltlich gemeinsam weiter. Darüber hinaus haben wir einen Begleitkreis mit vorwiegend regionalen Akteuren, mit dem wir uns zwei Mal im Jahr – bislang immer Online - treffen. Zusammengesetzt aus Vertreterinnen und Vertretern der Biomusterregionen, der Landwirtschaftsämter, aber auch der Regierungspräsidien und Landesanstalten dient der Begleitkreis der Vernetzung und der Einbindung externen Wissens. Mit den Milchviehbetrieben in den beiden Modellregionen, die mit uns kooperieren, sind wir über den gesamten Projektzeitraum in Kontakt: Wir besuchen sie mehrfach und werden sie darüber hinaus mit ihrer Praxisexpertise im Rahmen von Workshops einbinden.
Was ist das Neue an dem Projekt und wie wollen Sie vorgehen?
Dietlinde Quack (Öko-Institut): Uns geht es im Projekt um den Aspekt Transformation: Zunächst haben wir im Projekt ein Leitbild entwickelt, um zu definieren, was wir mit „biodiversitätsfördernden und ökonomisch tragfähigen Milchproduktionssystemen" konkret meinen. Die Vision, die darin formuliert ist, bildet ab, in welche Richtung die Transformation, die wir anstreben, gehen soll. Unser roter Faden im Projekt ist die Biodiversität und wie sich die gesellschaftlichen, politisch-administrativen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auf die Biodiversität in Milchproduktionssystemen auswirken. Das Öko-Institut beschäftigt sich inhaltlich mit der methodischen Weiterentwicklung zur Integration von Biodiversitätsleistungen in Ökobilanzen sowie der partizipativen Entwicklung von Zukunftsbildern und Gestaltungsansätzen mit regionalen und übergreifenden Akteuren. Das ifls bearbeitet ökonomische Fragestellungen und entwickelt Politik- und Handlungsempfehlungen, damit biodiversitätsfördende Milchproduktionssysteme auch administrativ sowie ordnungs- und förderrechtlich ausreichend Beachtung finden. Als Praxispartner ist das Büro grünweg dabei. Seine Aufgabe ist es, Milchviehbetriebe in den beiden Modellregionen des Projektes basierend auf einer Status Quo Analyse auf dem Hof im Hinblick auf biodversitätsfördernde Maßnahmen zu beraten und dann ein Monitoring gemeinsam mit den Praxisbetrieben durchzuführen.
Was erhoffen Sie sich von dem Projekt? Was muss passieren, dass Sie am Ende sagen: „Dieses Projekt war erfolgreich"?
Holger Pabst (ifls): Wenn wir das System besser verstehen und herausgearbeitet haben, welche Faktoren fördernd und hemmend wirken, welche Ansatzpunkte es für eine Transformation gibt und wie politische Instrumente in Milchproduktionssystemen besser ansetzen können, um eine biodiversitätsfördende Milchproduktion langfristig wirtschaftlich tragfähig zu machen, dann sind wir als Projektteam zufrieden. Wir sind damit einen großen Schritt vorangekommen. Idealerweise werden die Projektergebnisse von Verwaltung und Politik, der Wirtschaft und den Akteuren der Wertschöpfungskette Milch genutzt, um entsprechende zukunftsfähige Systeme zu etablieren. Dafür ist es essenziell, dass es uns gelingt, die relevanten Akteure – nicht zuletzt Milchviehbetriebe in den beiden Modellregionen und weitere regionale Akteure – in das Projekt einzubinden.
Fördermaßnahme BiodiWert
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert mit der Fördermaßnahme "Wertschätzung und Sicherung von Biodiversität in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft" (BiodiWert) Projekte, die durch die Entwicklung innovativer Bewertungskonzepte, Governancestrukturen sowie (Politik-) Maßnahmen den Stellenwert von Ökosystemleistungen und Biodiversität auf unternehmerischer und gesellschaftlicher Ebene steigern – und damit wirksam zur Sicherung von Biodiversität beitragen.
Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt (FEdA)
Mit der Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt (FEdA) unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die wissenschaftliche Untersuchung der Biodiversität in Deutschland und die Entwicklung neuer, effektiver Artenschutzmaßnahmen.