Klimaschutz im Fokus: Wissenschaft mit Politik und Zivilgesellschaft im Dialog zur CO2-Entnahme und -Speicherung an Land und im Meer

Nach drei Jahren interdisziplinärer Forschung stellten die BMBF-Forschungsprogramme CDRterra und CDRmare ihre wissenschaftlichen Ergebnisse vor und traten mit Politik und Verbänden in den Austausch – für den direkten Transfer in politische Prozesse.

Wie kann Deutschland seine geplante Entnahme und Speicherung von CO2 aus unvermeidbaren Restemissionen sinnvoll gestalten? Diese Frage stand im Mittelpunkt des „Afterwork Insight", zu dem am 5. Juli die beiden Forschungsprogramme CDRmare und CDRterra des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) geladen hatten. Die Abkürzung CDR steht für „Carbon Dioxide Removal" (CO2-Entnahme). Die Wissenschaft forscht in den Programmen sowohl zu Methoden der CO2-Entnahme im Meer als auch an Land (siehe Infobox unten). Rund 100 Vertreterinnen und Vertreter aus Forschung, Politik, Zivilgesellschaft und von Fachverbänden kamen im Garten des Magnus-Hauses in Berlin zusammen. Das Hauptziel der Veranstaltung war es, die erlangten wissenschaftlichen Erkenntnisse an die Teilnehmenden, wie etwa Mitgliedern des Deutschen Bundestags, zu kommunizieren und eine Plattform für den Austausch unter den verschiedenen Akteuren zu schaffen.

Transfer stärken: Von der Forschung in politische Prozesse

Beispielsweise sollen die wissenschaftlichen Erkenntnisse der CDR-Forschung eine wichtige Basis für die von der Bundesregierung für 2025 geplante „Langfriststrategie Negativemissionen" bilden. Diese Strategie sieht vor, den Ausbau von CDR-Methoden voranzutreiben und in die deutsche Klimapolitik zu integrieren. Erst im Mai 2024 hatten CDRterra-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler zur landbasierten CO₂-Entnahme konkrete Empfehlungen für die Ausgestaltung dieser Strategie entwickelt und in einem Policy Brief zusammengefasst. Im gleichen Monat beschloss die Bundesregierung einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes, laut dem die Speicherung von CO2 unter dem Meeresboden außerhalb von Meeresschutzgebieten erlaubt werden soll.

In den verschiedenen Statements der CDR-Forschenden beim „Afterwork Insight" wurde ein Aspekt immer wieder hervorgehoben: Die CO2-Entnahme aus der Atmosphäre und anschließende langfristige Speicherung ist nur eine von vielen Lösungsbausteinen, um gemeinsam das Ziel der Klimaneutralität in Deutschland bis 2045 zu erreichen. CDR kann dafür lediglich eine Ergänzung zu den notwendigen massiven Emissionsreduktionen sein.

 

Doch welche CDR-Methoden sollen in welchem Umfang zum Einsatz kommen? Das hängt insbesondere davon ab, wie viel CO2 reduziert wird. Fest steht: Es wird ein breites Portfolio an unterschiedlichen CDR-Maßnahmen – sowohl an Land als auch im Meer – benötigt werden. Dazu ist die Forschung in Deutschland sehr breit aufgestellt und sucht stets neue, innovative Lösungen. Die Forschung befasst sich jedoch auch mit Fragen zu politischer, wirtschaftlicher und institutioneller Machbarkeit, gesellschaftlicher Akzeptanz sowie Ethik der CO2-Entnahme. Einige Projekte forschen ganz gezielt an Einzeltechnologien wie etwa die direkte CO2-Abscheidung aus der Umgebungsluft mit anschließender Speicherung (DACCS, Direct Air Carbon Capture and Storage). Andere landbasierte Methoden wiederum nehmen beispielsweise kombinierte Methoden in den Blick und befassen sich mit dem CO2-Bindungspotenzial von beschleunigter Verwitterung und Pflanzenkohle. Bei den CDR-Methoden im Meer werden sowohl naturbasierte als auch technologische Lösungen erforscht. So stehen neben der Renaturierung von Seegraswiesen, Salzmarschen und Mangroven auch Verfahren in der Wassersäule (Erhöhung der Alkalinität des Meerwassers) und unter dem Meeresboden im Fokus. Letzteres umfasst die Offshore-Speicherung von CO2 in tiefliegenden geologischen Formationen.

Eine weitere Botschaft der CDR-Forschenden lag darin, wie zentral die Schaffung eines von einer unabhängigen Stelle regulierten und kontrollierten Marktes für Methoden der CO2-Entnahme und -Speicherung sowie klare regulatorische Rahmenbedingungen sind. Die Basis dafür ist ein transparentes und solides System der Überwachung, Berichterstattung und Verifizierung von entnommenem und dauerhaft gespeichertem CO2. Nur so kann ein verlässlicher und transparenter Markt für negative Emissionen entstehen.

Neben den Statements und Diskussionen des „Afterwork Insight" konnte so der Dialog zwischen Wissenschaft und Politik sowie weiteren Fachverbänden an Thementischen zu Land, Ozean und Politikdesign weiter intensiviert und damit der Transfer von Wissenschaft in die Praxis gestärkt werden.

Hintergründe zu den BMBF-Forschungsprogrammen CDRterra und CDRmare

Deutschlands Ziel ist, bis 2045 klimaneutral zu sein. Auf dem Weg dahin sollen die Treibhausgas-Emissionen hierzulande bis 2030 um 65 Prozent und bis 2040 um 88 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 sinken. Neben dieser massiven Reduktion von Emissionen ist auch die Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre und dessen dauerhafte Speicherung erforderlich. Die BMBF-Fördermaßnahmen CDRterra und CDRmare erforschen CO2-Entnahmemethoden an Land bzw. im Meer und werden aktuell in der ersten Förderphase mit insgesamt rund 50 Millionen Euro gefördert.

In CDRterra untersuchen aktuell zehn Forschungsprojekte CDR-Methoden an Land – auch mit Fokus darauf, wie sich Methoden kombinieren lassen und dadurch eine höhere Wirksamkeit gewonnen werden kann. Neben der Frage nach dem CO2-Entzugspotenzial und der dauerhaften Bindung von CO2 ist die Entwicklung und Bewertung von geeigneten Politikinstrumenten unter Einbeziehung der Öffentlichkeit und Stakeholder aus der Zivilgesellschaft ein zentraler Aspekt.

Die Forschungsmission CDRmare im Rahmen der Deutschen Allianz Meeresforschung (DAM) untersucht derzeit in sechs Verbundprojekten, ob und inwieweit der Ozean eine wesentliche und nachhaltige Rolle bei der Aufnahme und Speicherung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre spielen kann. Darüber hinaus werden Zusammenhänge mit und Auswirkungen auf die Meeresumwelt, das Erdsystem und die Gesellschaft ermittelt.

CDRterra und CDRmare werden in einer zweiten Förderphase fortgesetzt, um die Forschung auszubauen und den Dialog unter den Akteuren weiterzuentwickeln. Die zweite Phase CDRmare startet ab August 2024. Die zweite Phase CDRterra wird im Frühjahr 2025 beginnen.