Auf dem Weg zur grünen Null

In Sprendlingen-Gensingen wächst die erste Generation Einwohner mit einer grünen Null heran. Die rheinhessische Kommune lebt nach einem Konzept, mit dem sie klimaneutral werden will. Das hat Magnetwirkung, wie ein erneuter Ortsbesuch in der Gemeinde zeigt.

Ein Grünzug entsteht zwischen den beiden Gemeinden Sprendlingen und Gensingen, den beiden größten Orten der rheinhessischen Verbandsgemeinde gleichen Namens. Der Grünzug ist ein weiteres sichtbares Zeichen der grünen Null, der sich die Kommune mit ihren insgesamt 15.000 Einwohnern verschrieben hat.

Das natürliche Gelände wird ein Mix aus essbarer Landschaft und Erholungswald. Hier wächst bald Obst und Gemüse zum Selbstpflücken, hier wachsen bald auch Laubbäume und regionale Sträucher. Kinder der Kitas und Schulen können diesen Grünzug mitgestalten. Es ist die erste Generation der Verbandsgemeinde unweit von Frankfurt/Main, die auf diese Weise von einem Öko-Konto profitiert. Dieses hat die Kommune eingerichtet, um Flächen zu kaufen und zu bepflanzen. Investoren zahlen auf das Konto als Ausgleich für bebautes Land. Eingriffe in die Landschaft und das Neuschaffen von Naturraum gleichen sich aus – nachhaltig, zur Null.

„Das Null-Emissions-Konzept ist inzwischen die Grundlage jeglicher Entscheidung der Verbandsgemeinde“, sagt Nachhaltigkeitsmanagerin Heike Müller. Vor knapp zwei Jahren, beim ersten Ortsbesuch, war dieses Konzept gerade fertig geworden. https://www.bmbf.de/de/die-null-emissions-gemeinde-4135.html. Entstanden ist es in fünfjähriger Forschungsarbeit gemeinsam mit den Wissenschaftlern vom Institut für angewandtes Stoffstrommanagement (IfaS) am Umweltcampus Birkenfeld der Hochschule Trier. Die Strategie, gefördert vom Bundesforschungsministerium, umfasst alle Bereiche – Emissionen – kommunalen Lebens: Abfall, Abwasser, Treibhausgas und Bodenverbrauch. „Eine Kommune ist ein System, mit Input und Output“, sagt Peter Heck, Leiter des IfaS. Das Null-Emissions-Konzept reduziert den Input der Emissionen und nutzt den Output. Ein umfassender Kreislauf führt Energie, Wasser, Abfall und Land zusammen. Ein ganzheitliches Stoffstrommanagement reduziert Verbrauch und Ausstoß und nutzt die Reste als Ressourcen für neue Produkte.

Das geschieht zum Beispiel im Ressourcenzentrum, das in den kommenden Jahren entstehen wird. Hier sammelt die Gemeinde Abfälle und verarbeitet sie zu Energie. Das geschieht auch in den kleinen Tauschregalen, die die Einwohner eingerichtet haben: Für Lebensmittel, Bücher, alltägliche Dinge. Stück für Stück, mit den Bepflanzen des Grünzugs, mit dem Umstellen auf eine Tausch-Gemeinschaft, mit Sonnenenergie auf ihren Dächern, machen sich die Menschen in Sprendlingen-Gensingen das Null-Emissions-Konzept zu eigen. Entlang des Grünzugs soll auch ein Radweg entstehen, auf dem die Menschen sicher und schnell fahren können. Derweil chauffieren Senioren im Ehrenamt andere Senioren zu Einkäufen oder zum Arzt – mit dem Bürgerbus der Gemeinden, der zukünftig elektrisch betrieben wird.

Es werden auch mehr Einwohner. Die Hoffnung von Bürgermeister Manfred Scherer, das von der Attraktivität der grünen Weinbauregion und ihrer nachhaltigen Atmosphäre neue Einwohner angezogen werden, erfüllt sich. Dazu baut die Gemeinde ein Null-Emissions-Wohngebiet, gewissermaßen ein kleines Modell-Quartier des großen Konzepts. Dieses Wohngebiet, ein Quartier für viele Generationen, wird klimaneutral errichtet – mit Null Emission. Die Energie- und Wärmeversorgung ist autark und stammt von Sonne und Erdwärme. Wohnungen für 400 bis 500 Menschen entstehen am Flüsschen Wiesbach, eine Kita, ein Laden. Derzeit wird die Infrastruktur bereitet, Leitungen verlegt. Mitte des kommenden Jahres können die ersten Bewohner einziehen. Die Nachfrage übersteigt das Angebot an Wohnungen im Null-Emissions-Gebiet.

„Viele kleine Schritte“, sagt Nachhaltigkeitsmanagerin Heike Müller, geht die Verbandsgemeinde auf ihrem Weg zur Null-Emissions-Gemeinde, zur Klimaneutralität. Manchmal sind auch vermeintliche Rückschritte dabei, weil sich nachhaltige Lösungen zunächst noch nicht praktizieren lassen.

Die nächste Generation der Verbandsgemeinde Sprendlingen-Gensingen, Kinder und Jugendliche, haben dem Konzept derweil ein dauerhaftes Bild gegeben. Auf eine Tunnelwand haben sie ein Graffiti gesprüht: Freundliche Häuser, umgeben von Grün und einem Fluss mit quicklebendigen Fischen; umrahmt von Windrädern.

Wie Kommunen ähnlich Sprendlingen-Gensingens mit ihren eigenen Ressourcen nachhaltig wirtschaften können, präsentiert die „Roadshow Nachhaltige Entwicklung“ auf einer Deutschlandtour. Forschende und kommunale Entscheider stellen ihre Modelle vor. Die nächsten Stationen: Emsdetten mit Bundesforschungsministerin Anja Karliczek am 7./8. März; Leipzig am 20./21. März, Nürnberg am 11. und 12. April.