Das blau-grüne Management
Berlin stellt sich auf Regen ein und managt ihn. Die Hauptstadt besitzt dafür ein blau-grünes Konzept. Der Regen wird oberirdisch dort genutzt, wo er anfällt. Das entlastet die Kanalisation, schützt vor urbaner Überflutung und erfrischt das Stadtklima.
Blau und Grün sind die Farben, mit denen sich Berlin vor einem Zuviel an Regenwasser schützen will. Eine blau-grüne Infrastruktur vereint Wasser und Vegetation dafür zu einer Symbiose. Sie hält den Regen mit Hilfe begrünter Flächen an der Oberfläche und speichert ihn direkt in den Quartieren. Dezentrale Regenwasserwirtschaft heißt die Strategie. Alle neu erbauten Wohngebiete erhalten eine blau-grüne Struktur, jährlich entkoppelt Berlin zudem je ein Prozent der Stadt von der Kanalisation.
Die Regenwasseragentur koordiniert diese Strategie. Als Einrichtung des Landes Berlin und der örtlichen Wasserbetriebe ist sie die erste derartige in Deutschland. Ihr Job ist so zukunftsträchtig wie notwendig. Denn die Berliner Mischkanalisation stößt schon jetzt an ihre Grenzen. Bei Regen droht Abwasser in die umliegenden Seen und Trinkwasser-Reservoirs zu fließen. Und die knapp Vier-Millionen-Metropole wächst, mit ihr wächst der Wasserverbrauch, sinkt der Anteil der Flächen, die Regenwasser ungehindert aufnehmen können. Unterirdisch schaffen die Wasserbetriebe mehr Raum, bauen Stau- und Rückhalteräume entlang der Kanalisation. Mehr geht nicht, weil es weder ökologisch noch wirtschaftlich sinnvoll ist.
Also nach oben. Da belassen und nutzen, wo es anfällt. Den Beschluss für eine Regenwasseragentur, die das Ganze steuert, fasst das Berliner Abgeordnetenhaus im Sommer 2017 - nur eine Woche nach den verheerendsten Starkregen, die die Stadt je erlebt hat. Ein Zufall, der das Muss bestätigt. Auch Berlin rechnet im Zuge des Klimawandels mit zunehmenden Unwettern, die die Stadt großräumig überfluten können.
Seit Mai 2018 existiert die Regenwasseragentur, füllt die Strategie mit Leben, vernetzt die Fachleute, die das blau-grüne Berlin gestalten. Werkstattgespräche beispielsweise bringen Planer, Ingenieure und Amtsmitarbeitende an einen Tisch. Wenn das Wasser oben bleiben soll, braucht es künftig auch Straßenprofile, die die Regenmassen hin zu ihren Speichermulden lenken. Es braucht die Zusammenarbeit unterschiedlichster Behörden. Zu klären sind die vielen Details - die Regeln für eine wassersensible Stadt. Auch für die Bürgerinnen und Bürger. Die Agentur bietet einen Baukasten der Möglichkeiten. Konkrete bauliche Lösungen obliegen den jeweiligen Experten.
Dieser Baukasten besteht aus mehreren Elementen. „Dezentrale Regenwassersysteme können unterschiedliche Effekte erzielen“, sagt Agentur-Chefin Darla Nickel. Begrünte Dächer und bewachsene Mulden, Teiche und bewachsene Wassergräben sind auch Inseln für das Stadtklima, für Artenvielfalt von Tieren und Pflanzen – und Reservoirs für ökologischen Wassergebrauch. Diese Bausteine hat Berlin gemeinsam mit den „KURAS“-Forschenden entworfen und pilothaft an einzelnen Orten der Millionen-Stadt umgesetzt. Ihren Modellcharakter haben sie bereits bewiesen. Den Starkregen 2017, der einem Großteil der Stadt Millionenschäden bringt, überstehen sie, so Darla Nickel, „problemlos.“
Das Konzept dezentraler Regenwasserbewirtschaftung ist eines der Forschungsergebnisse, die die „Roadshow Nachhaltige Entwicklung“ auf ihrer Deutschlandtour zur Nachahmung präsentiert. Sie vermittelt Lösungen aus der BMBF-„Forschung für Nachhaltige Entwicklung“ (FONA) für ein nachhaltiges Wirtschaften mit Energie, Wasser und Land. Teilnehmende Gemeinden können sich als Modellkommune für eigene Nachhaltigkeitsprojekte bewerben.
Die bundesweite Veranstaltungsreihe macht heute und morgen in Leipzig Station. Nächster Termin: 11. und 12. April in Nürnberg.