Die gesunde Stadt im Klimawandel
Im Workshop Gesundheitsherausforderungen in der Zukunftsstadt diskutierten Expert*innen und Teilnehmer*innen u. a. aus Kommunen, der Weltgesundheitsorganisation (WHO), dem Umweltbundesamt und der Forschung über die Gesundheit in Städten. Im Mittelpunkt standen dabei die Herausforderungen des Klimawandels, der beispielsweise zu einer Zunahme an Hitzetagen führt. Aber auch Schadstoffbelastungen, Infektionskrankheiten und die Gefährdung des menschlichen Wohlbefindens durch Extremereignisse wurden als Herausforderungen gerade auch für Stadtbewohner angesprochen.
Interessant war für viele Teilnehmende, dass von Seiten der Forschung zunehmend ein gestiegenes Gesundheitsbewusstsein bei Stadtbewohner*innen wahrgenommen wird; ebenso wie ein gestiegener Anspruch an politische Entscheidungsträger, die Gesundheitsgefahren aus Klimawandel und Umweltverschmutzung durch Vorsorge und Anpassung zu reduzieren.
Für die Berücksichtigung von gesundheitlichen Aspekten der Klimaanpassung in kommunalen Planungsprozessen kommt es nach Einschätzung der anwesenden Expert*innen auf verlässliche, kleinräumige und konkret auf Wirkungen und Vulnerabilitäten bezogene Informationen und Daten an, die bisher kaum zur Verfügung stehen. Als wichtig wird zudem erachtet, dass Wissenschaft und Praxis sowie verschiedene Disziplinen und Ressorts - z. B. Umwelt-, Gesundheits- und Stadtplanungsämter - zusammen arbeiten, um die Anpassung an den Klimawandel voran zu bringen und damit gesundheitliche Folgen für die Stadtbewohner*innen zu minimieren. Neben planerischen und technischen Anpassungsmaßnahmen können soziale Innovationen, d. h. veränderte Verhaltenspraktiken, einen Beitrag leisten.
Vorträge
Prof. Dr. René Haak, BMBF, Leiter des Referats 723 Globaler Wandel, betonte in seiner Einführung die Relevanz des Themas im globalen Kontext. Weltweit starben 2012 nach Angaben der WHO 6,5 Millionen Menschen verfrüht durch die Auswirkungen von Luftverschmutzung. Die Auswirkungen des Klimawandels verstärken die Gesundheitsrisiken. Forschung hilft, geeignete Vorsorge- und Anpassungsmaßnahmen zu treffen. Das BMBF fördert deshalb z. B. in der Leitinitiative Zukunftsstadt Projekte, die zeigen, wie sich Städte und die Stadtgesellschaft auf Hitzewellen einstellen können.
Oliver Schmoll vom Europäischen Zentrum für Umwelt und Gesundheit der WHO zeigte in seinem Impulsvortrag den derzeitigen Wissensstand zu den Wirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit. Schätzungen zufolge werden zwischen 2030 und 2050 in der WHO-Region Europa jährlich 250.000 Menschen zusätzlich an den Folgen des Klimawandels vorzeitig sterben. Schmoll betonte dabei, dass Städte besonders vulnerabel und deren Vorsorge- und Anpassungsaktivitäten deshalb relevant sind. Er sprach u. a. den Zugang zu Grünflächen, die Unterstützung zur aktiven Mobilität und die Verbesserung des Wohnraums als Optionen an.
Prof. Dr. Jörn Birkmann, Leiter des Instituts für Raumordnung und Entwicklungsplanung der Universität Stuttgart stellte erste Ergebnisse einer Städtebefragung zum Thema vor. Die Ergebnisse zeigen u. a., dass Hitzestress eine mittlere Priorität beigemessen, aber eine zunehmende Vulnerabilität gegenüber Hitze erwartet wird. Informationen und Prognosen zu Hitzestress sowie zur Vulnerabilität der Stadtbevölkerung (inkl. sozio-demographischer Faktoren) stehen bisher aber kaum zur Verfügung. Das laufende, BMBF-geförderte Projekt Zukunftsorientierte Vulnerabilitäts- und Risikoanalyse als Instrument zur Förderung der Resilienz von Städten und urbanen Infrastrukturen bearbeitet diese Informationslücke. Zusammen mit den Städten Bonn und Ludwigsburg werden Klima- und sozio-demographische Szenarien sowie Vulnerabilitätsindikatoren entwickelt. Auf dieser Basis lassen sich Hotspots der Vulnerabilität sowie Pfade für die Anpassung identifizieren.
Dr. Hans-Guido Mücke, stellv. Leiter des Fachgebietes Umweltmedizin, gesundheitliche Bewertung des Umweltbundesamtes veranschaulichte mit Daten und Karten den Urbanen Wärmeinsel-Effekt. Besonders problematisch sind Hitzewellen, bei denen auch nachts über eine längere Zeit keine ausreichende Abkühlung erfolgt. Die Handlungsempfehlungen für die Erstellung von Hitzeaktionsplänen zum Schutz der menschlichen Gesundheit, die Bund und Länder gemeinsam ausgearbeitet haben, sollen Kommunen bei der Anpassung unterstützen. Die Handlungsempfehlungen zeigen langfristige bis akute Maßnahmen und Vorbereitungen auf. Ein Kernelement ist die zentrale Koordinierung bei interdisziplinärer Zusammenarbeit.
Dr. Christian Korndörfer, Leiter des Umweltamts der Stadt Dresden, erläuterte die Anpassungsstrategie seiner Stadt. Da großflächige Grünanlagen dem Ziel einer kompakten, ressourcensparenden Stadt der kurzen Wege widersprechen, verfolgt Dresden als neues Leitbild: Die kompakte Stadt im ökologischen Netz. Dichte urbane Siedlungsräume sind dabei eingebettet in ein Netz von Freiräumen.
Podiumsdiskussion
An der Podiumsdiskussion nahmen neben den Impulsreferenten zwei weitere Expertinnen teil.
Dr. Katrin Jurisch, Mitarbeiterin in der Europäischen Geschäftsstelle des Klima-Bündnisses, berichtete, dass unter den 1.700 Mitgliedskommunen des Netzwerkes Klimaanpassung im Gesundheitsbereich noch keine große Rolle spielt. Vor allem kleine und mittlere Kommunen verfügten nicht über Konzepte zur Anpassung an den Klimawandel. Daher sind weiterhin Maßnahmen aus den Bereichen Information/Sensibilisierung und Motivation wichtig, um gegenüber der Bevölkerung die gesundheitlichen Aspekte der Klimaveränderungen zu kommunizieren.
Christa Böhme, Mitarbeiterin am Deutschen Institut für Urbanistik im Bereich Stadtentwicklung, Recht und Soziales, erläuterte, dass der Klimawandel eine große Herausforderung für eine gesundheitsfördernde Stadtentwicklung sei. Hierfür sind insbesondere drei Aspekte verantwortlich: (1) Die Stadtplanung kann mit den Unsicherheiten von Klimaprojektionen (noch) nicht gut umgehen. (2) Die Klimafolgenanpassung stellt bisherige Leitbilder der Stadtentwicklung wie Kompakte Stadt in Frage, weil Verdichtung die Probleme verstärkt. (3) Der Klimawandel ist für die gesundheitsfördernde Stadtentwicklung eine organisatorische Herausforderung, denn die Folgen des Klimawandels können nur durch ressortübergreifende Zusammenarbeit wirkungsvoll bearbeitet werden.
In der weiteren Diskussion mit Fragen von den Teilnehmer*innen wurden Luftschadstoffe, insbesondere bodennahes Ozon, als weitere negative Klimawirkung angesprochen. Als wichtiges Forschungsziel wurde genannt, Daten und Tools zu entwickeln, mit denen bei Planungsprozessen Variantenvergleiche durchgeführt werden können, um so die Bebauungsplanung zu optimieren.
Im Auftrag des BMBF wurde der Workshop vom DLR Projektträger, Bereich Umwelt und Nachhaltigkeit, im Rahmen des 14. FONA-Forums konzipiert und veranstaltet. Dr. Birgit Kuna und Dr. Andreas Schmidt moderierten den Workshop.