Die Juristin für Eigenrechte der Natur
Jula Zenetti forscht zum Konzept, der Natur eigene Rechte zu geben. In Leipzig untersucht die Doktorandin, wie sogenannte Eigenrechte der Natur im europäischen und nationalen Recht wirken könnten und wie sie sich ins geltende Recht integrieren lassen.
Wie sich die Natur am besten schützen lässt, möchte Umweltjuristin Jula Zenetti herausfinden. Am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig untersucht sie ein Konzept, das weltweit an Bedeutung gewinnt: Bereits in mehr als 20 Ländern hat die Natur, beziehungsweise einzelne Ökosysteme, sogenannte Eigenrechte, etwa auf Existenz, Unversehrtheit oder Reproduktion. Diese können dort vor Gericht eingeklagt werden, wenn zum Beispiel ein Bauunternehmen mit giftigen Chemikalien den Fluss verunreinigt. Die junge Doktorandin möchte prüfen, inwiefern der Ansatz auch für das deutsche und europäische Recht sinnvoll ist.
Entwickelt wurde das Konzept von einem US-amerikanischen Rechtswissenschaftler in den 70er-Jahren. Anerkannt werden die Eigenrechte jedoch erst seit den 2000ern, oftmals dank des Einflusses indigener Bevölkerungsgruppen, für die die Natur besondere religiöse Werte hat. Vorreiter war 2008 das südamerikanische Land Ecuador, das die Rechtsfähigkeit der Natur in seiner Verfassung anerkennt. „In Anbetracht der ökologischen Krise sollten wir Menschen uns nicht länger der Natur überlegen sehen", erklärt die Juristin. „Im Gegenteil, wir sind davon abhängig, dass sie ‚funktioniert'. Und dort, wo ihre Unversehrtheit beeinträchtigt wird, müssen wir Grenzen setzen."
Eigenrechte könnten durch Personen oder Organisationen vor dem Gericht geltend gemacht werden. So gab es in Deutschland in den 80er Jahren bereits eine Klage von Umweltorganisationen im Namen von Nordseerobben, die sich an chemischen Abfällen von Industrieunternehmen reihenweise vergifteten. Das Gericht wies sie damals allerdings ab und seitdem wurden hierzulande keine Eigenrechte der Natur mehr geltend gemacht.
„Dabei liegt es in der Hand der Gesetzgebenden zu bestimmen, wer eine Person im Recht ist", erzählt Zenetti. Denn neben Menschen besitzt zum Beispiel auch Vermögen in Form von Aktiengesellschaften eine sogenannte Rechtspersönlichkeit - es hat also Rechte, die vor Gericht eingeklagt werden können. „Der Natur eigene Rechte anzuerkennen, könnte eine Chance sein, ihre Position gegenüber menschlichen Interessen und Kapital zu stärken. Auch könnte so möglicherweise das Umweltrecht besser durchgesetzt werden", so die Juristin. Denn die Eigenrechte sollen das Umweltrecht nicht ersetzen, sondern ergänzen.
Nach ihrem Studium in Rechtswissenschaften in Konstanz, Lyon und Maynooth und einem Referendariat in Frankfurt arbeitete die Master-Juristin zunächst ein Jahr als Rechtsanwältin. Dann entschied sie sich jedoch für eine ökologische Karriere und trat eine Stelle als Referentin beim Sächsischen Ministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft an. In einer Fachzeitschrift las sie schließlich zum ersten Mal über die Eigenrechte der Natur. Das Thema faszinierte Zenetti und sie wollte sich intensiver damit beschäftigten. So bewarb sie sich auf das Promotionsstipendium des Kompetenznetzwerks "Zukunftsherausforderungen des Umweltrechts" (KomUR) und ist seit August 2020 Doktorandin am UFZ in Leipzig.
„Optimal wäre natürlich, wenn die Idee von einer Partei oder Gesetzgebenden aufgegriffen würde, sollte meine Forschung ergeben, dass Eigenrechte Potenzial haben", erhofft sich die Doktorandin. „Oder aber es stellt sich raus, dass Eigenrechte aufgrund des geltenden Rechts vor Gericht bereits anerkannt werden."