Die Sauerstoffarmut im Ozean nimmt zu - Science-Studie zeigt Gefahren, aber auch Lösungsansätze auf

Die Gebiete mit extremer Sauerstoffarmut wachsen sowohl im offenen Ozean als auch in Küstenregionen. Zu diesem Ergebnis kommt ein internationales Wissenschaftsteam unter Beteiligung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und des Kieler Sonderforschungsbereich 754. In der bisher umfangreichsten Studie zu diesem Thema, die heute in der Fachzeitschrift Science erscheint, zeigen die Autorinnen und Autoren auch mögliche Folgen dieser Entwicklung sowie Lösungsansätze auf.

Vor rund einem Jahr veröffentlichten Kieler Ozeanographen eine Studie, die belegte, dass der Ozean in den vergangenen 50 Jahren global zwei Prozent Sauerstoff verloren hat. Jetzt hat sich ein internationales Team aus Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erneut die weltweite Sauerstoffentwicklung in den Weltmeeren angesehen. Die neue Übersichtsstudie, die heute in der internationalen Fachzeitschrift Science erscheint, beschäftigt sich erstmals mit Ursachen und Folgen, aber auch mit möglichen Lösungen für Sauerstoffmangel weltweit sowohl im offenen Meer als auch in Küstengewässern.

„Unsere Daten zeigen, dass im vergangenen halben Jahrhundert die Wassermenge im offenen Ozean, in der jeglicher Sauerstoff fehlt, um mehr als das Vierfache gewachsen ist, sagt Prof. Dr. Andreas Oschlies vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, einer der Autoren der neuen Studie. In Küstengewässern, einschließlich Flussmündungen und Randmeeren, haben sich Standorte mit niedrigem Sauerstoffgehalt seit 1950 sogar mehr als verzehnfacht. „Wir erwarten außerdem, dass die Sauerstoffkonzentrationen auch außerhalb dieser Gebiete weiter absinken werden, wenn sich die Erde weiter erwärmt, erklärt Professor Oschlies.

„Sauerstoff ist grundlegend für das Leben in den Ozeanen, betont Denise Breitburg, Erstautorin und Meeresökologin beim Smithsonian Environmental Research Center in Washington (USA). „Der Rückgang des Sauerstoffs im Ozean zählt daher zu den gravierendsten Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf die Umwelt der Erde.

Die Studie ist ein Ergebnis der internationalen Zusammenarbeit im Global Ocean Oxygen Network (GO2NE). Dabei handelt es sich um eine Arbeitsgruppe, die 2016 von der Zwischenstaatlichen Ozeanographischen Kommission der Vereinten Nationen (IOC) ins Leben gerufen wurde. Für ihre Studie haben die beteiligten Autorinnen und Autoren etwa eine Viertelmillion Datensätze und auch am GEOMAR durchgeführte Klimamodellrechnungen zu Sauerstoffkonzentrationen in Meeren ausgewertet.

Für den subtropischen und tropischen Atlantik und die entsprechenden Breitengrade im Pazifik stammen viele Daten von Expeditionen und Beobachtungsmissionen des Kieler Sonderforschungsbereichs 754 „Klima und Biogeochemische Wechselwirkungen im tropischen Ozean. Seit fast zehn Jahren untersucht dieses Kieler Netzwerk intensiv die natürlich vorkommenden Sauerstoffminimumzonen an den Osträndern der beiden großen Ozeane. „Wir konnten auch dort eine Ausdehnung und Intensivierung der Sauerstoffarmut und damit eine Einschränkung des Lebensraums für Fische, Krebse und Muscheln erkennen, berichtet Oschlies, der Sprecher des SFB 754 ist. Und die am GEOMAR betriebenen Klimamodelle sagen eine sich beschleunigende Ausbreitung der sauerstoffarmen Zonen bei einer weiteren Klimaerwärmung voraus.

Als Ursachen für die zunehmende Sauerstoffarmut nennen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die globale Erwärmung. Wärmeres Oberflächenwasser enthält weniger Sauerstoff. Es führt außerdem dazu, dass die Schichtung des Ozeans stabiler wird, wodurch sich Vermischung und Zirkulation abschwächen und es schwieriger wird, das Innere des Ozeans zu belüften. Ein weiterer Faktor ist vor allem in Küstennähe die Überdüngung der Meere. Sie führt zu Algenblüten, die nach dem Absterben der Algen viel Sauerstoff verbrauchen.

Die zunehmende Sauerstoffarmut des Ozeans hat natürlich auch Auswirkungen auf die Lebensgrundlage der Menschen, vor allem in Entwicklungsländern. Kleinere handwerkliche Fischereien können möglicherweise nicht umziehen, wenn wenig Sauerstoff ihre Fanggründe zerstört oder Fische zwingt, sich andere Lebensräume zu suchen. Auch Korallenriffe, eine wichtige Tourismusattraktion in vielen Ländern, könnten ohne genügend Sauerstoff absterben.

Um die weitere Ausweitung der Sauerstoffarmut zu begrenzen und ihre Folgen zu mindern, schlagen die beteiligten Forscherinnen und Forscher drei Maßnahmen vor. „Ganz wichtig ist natürlich, die Ursachen zu bekämpfen, also die Nährstoffbelastung und den Klimawandel, hebt Professor Oschlies hervor. Gleichzeitig könnte ein Schutz gefährdeter Regionen oder Arten den Druck auf die Ökosysteme reduzieren. Um diese Maßnahmen erfolgreich durchführen zu können, sei auch eine verbesserte Überwachung des ozeanischen Sauerstoffgehalts notwendig, so das Autorenteam. „Leider haben wir noch zu wenig Beobachtungen aus den Ökosystemen im offenen Ozean. Für einen effektiven Schutz müsste man das ändern, betont Andreas Oschlies.

Originalarbeit
Breitburg, D. L. A. Levin, A. Oschlies, M. Grégoire, F. P. Chavez, D. J. Conley, V. Garçon, D. Gilbert, D Gutiérrez, K. Isensee, G. S. Jacinto, K. E. Limburg, I. Montes, S.W.A. Naqvi, G. C. Pitcher, N. N. Rabalais, M. R. Roman, K. A. Rose, B. A. Seibel, M. Telszewski, M. Yasuhara, J. Zhang (2018): Declining oxygen in the global ocean and coastal waters. Science, doi: 10.1126/science.aam7240