Ein Leuchtturm mit internationaler Strahlkraft
Mit dem Einzug des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel in den Erweiterungsbau ist in Kiel ein einzigartiger Leuchtturm für die Meeresforschung entstanden. Das Gebäude wurde von Bettina Stark-Watzinger, Bundesministerin für Bildung und Forschung, gemeinsam mit Daniel Günther, Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein, und weiteren namhaften Gästen feierlich eröffnet.
„Das Gebäude spiegelt unseren Auftrag und unser Selbstverständnis wider: Unsere Welt ist der Ozean. Hier werden wir unter optimalen Bedingungen auf nationaler und internationaler Ebene maßgeblich dazu beitragen, den Ozean vom Meeresboden bis in die Atmosphäre zu verstehen und nachhaltige Lösungen für drängende gesellschaftliche Probleme zu entwickeln", sagt Professorin Dr. Katja Matthes, Direktorin des GEOMAR.
Nunmehr sind alle vier Forschungsbereiche des GEOMAR sowie Verwaltung und zentrale Einrichtungen an einem Standort auf dem Kieler Ostufer vereint. Der moderne Campus mit Laboren, Klimakammern und direktem Seewasser-Anschluss sowie Konferenzbereich, Bibliothek und Rechenzentrum soll die Exzellenz der wissenschaftlichen Arbeit am GEOMAR fördern - und eine Strahlkraft weit über Kiel hinaus entwickeln. Die Gesamtkosten in Höhe von etwa 140 Millionen Euro netto werden zu 90 Prozent vom Bund und 10 Prozent vom Land Schleswig-Holstein getragen.
Der Komplex wurde am 21. Mai 2024 im Beisein von Bettina Stark-Watzinger, Bundesministerin für Bildung und Forschung, gemeinsam mit Daniel Günther, Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein sowie Dr. Ulf Kämpfer, Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Kiel, Direktorin Katja Matthes und weiteren 200 geladenen Gästen feierlich eingeweiht. Vorausgegangen waren knapp zwei Jahrzehnte der Planungen und Bautätigkeiten.
Bundesforschungsministerin Stark-Watzinger erklärte dazu: „Die Ozeane haben eine zentrale Bedeutung für das Leben auf unserem Planeten. Zum einen für das Klima und die Biodiversität, zum anderen aber auch als Wirtschafts- und Lebensraum. Daher müssen wir die Meere weiter erforschen, um sie besser verstehen, schützen und nachhaltig nutzen zu können. Mit seiner gezielten und umfangreichen Förderung stellt das Bundesministerium für Bildung und Forschung hierfür die Weichen. Deutschland hat international eine führende Rolle in der Meeresforschung. Das ist zuvorderst der Verdienst der exzellenten Arbeit der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am GEOMAR. Mit dem Erweiterungsneubau verfügt das GEOMAR jetzt auch über einen Meeresforschungscampus, der seiner wissenschaftlichen Exzellenz gerecht wird: Groß, hell und zeitgemäß. Mit jeder Menge Platz für neue Ziele und besten Bedingungen für innovative Lösungen zum Schutz der Meere."
Ministerpräsident Daniel Günther betonte: „Wir sind stolz, eines der besten meereswissenschaftlichen Institute der Welt in Schleswig-Holstein zu haben. Mit diesem neuen Campus sichert sich das GEOMAR langfristig einen Spitzenplatz in der weltweiten Ozeanforschung. Er wird unser Land und die Stadt Kiel als meereskundlichen Standort noch sichtbarer machen und viele Talente und Expertinnen und Experten zu uns in den echten Norden führen. Als Land zwischen zwei Meeren liegt uns sehr viel daran, hier beste Arbeitsbedingungen zu bieten. Der maritime Bereich hat für Schleswig-Holstein strategisch höchste Bedeutung. Daher haben wir als Land sehr gerne in diese Erweiterung investiert."
CO2-Speicherung und Munitionsbergung
Beispiele für aktuelle Forschungsthemen am GEOMAR konnten Gäste bei der offiziellen Eröffnung kennenlernen. Hierzu zählt die Erforschung von Verfahren zur zusätzlichen Speicherung von Kohlendioxid im Ozean, ein wichtiger Baustein auf dem Weg zur Klimaneutralität. Ein bedeutendes Vohaben in diesem Zusammenhang ist die am GEOMAR koordinierte und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und den norddeutschen Bundesländern geförderte Forschungsmission CDRmare der Deutschen Allianz Meeresforschung (DAM).
Ebenfalls den Besuchern präsentiert wurden Arbeiten zur Bergung von Munitionsaltlasten aus Ost- und Nordsee mit dem am GEOMAR koordinierten Forschungsverbund CONMAR der DAM-Forschungsmission sustainMare. Zudem wurden Forschungsarbeiten zu Rohstoffquellen und dem Schutz der Tiefsee im Projekt „MiningImpact" innerhalb der europäischen Initiative JPI Oceans vorgestellt. Eine weitere Rolle spielte die Nutzung und Aufbereitung von Mess- und Beobachtungsdaten für sogenannte Digitale Zwillinge, mit denen Klimaszenarien in der Zukunft berechnet werden können. Der Technologietransfer des GEOMAR stellte sich mit den Schwerpunkten Künstliche Intelligenz, etwa für die Entwicklung des Roboter-Spürhundes SPOT-KI, und zur Ozeanbeobachtung vor.
Feldforschung im tropischen Atlantik
Ein besonderer Schwerpunkt gilt der Forschung in Cabo Verde, wo das GEOMAR seit nahezu 20 Jahren eng mit Wissenschaft, Politik und Gesellschaft zusammenarbeitet. Seit 2017 wird das Ocean Science Centre Mindelo (OSCM) als Basis für Feldforschung im tropischen Nordostatlantik, wissenschaftlichen Austausch sowie universitäre Ausbildung und Netzwerkbildung mit Westafrika betrieben.
So wird in Mindelo auch das internationale Masterprogramm „Climate Change and Marine Sciences" für junge Forschende aus Westafrika angeboten, welches das BMBF im Rahmen des West African Science Service Centre on Climate Change and Adapted Land Use (WASCAL) fördert. In dieser mit dem Ozean-Auftriebsgebiet global wie regional bedeutenden Meeresregion planen das GEOMAR und seine internationalen Partner die ganzjährige Forschungsmission Future of Tropical Upwelling Regions in the Atlantic Ocean (FUTURO).
„Dieser Tag der Freude ist auch ein Tag des Rückblicks", erklärte GEOMAR-Direktorin Professorin Dr. Katja Matthes. „Wir danken denjenigen, die das GEOMAR über die Jahrzehnte zu einer international führenden Einrichtung gemacht haben."
Wurzeln des GEOMAR reichen bis ins Jahr 1902
Mit dem Einzug ins neue Gebäude endete die Phase einer räumlichen Aufteilung des heutigen GEOMAR. Seine Wurzeln reichen zurück bis zur Gründung des „Laboratorium für die Internationale Meeresforschung" durch Otto Krümmel im Jahr 1902. Ein erstes „Institut für Meereskunde" entstand 1937 in Kitzeberg als Institut der Christan-Albrechts-Universität zu Kiel. Nach einem Bombenangriff, bei dem der damalige Leiter Hermann Wattenberg und neun weitere Kollegen ums Leben kamen, setzen die Forschenden ihre Arbeit unter der Leitung von Georg Wüst ab 1946 in der Hohenbergstraße in Kiel-Düsternbrook fort.
Neben seinem Schwerpunkt auf der physikalischen Ozeanographie deckte das „Institut für Meereskunde" eine Bandbreite chemischer und biologischer Fragestellungen ab. Im Jahr 1968 wurde es in ein Institut der „Blauen Liste" (der späteren Leibniz-Gemeinschaft) überführt und damit unter die Trägerschaft des Landes Schleswig-Holstein und der Bundesrepublik Deutschland gestellt. 1972 erhielt es sein eigenes Gebäude mit Aquarium und Seehundbecken.
Mit erstarkendem Interesse an meeresgeologischen Themen ab den 1960er Jahren empfahl eine Arbeitsgruppe dem Senat der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) die Gründung eines eigenen Instituts. Dieser Empfehlung folgend, sprach sich der Schleswig-Holsteinische Landtag im Juli 1987 einstimmig für ein „Forschungszentrum für Marine Geowissenschaften GEOMAR" als Stiftung des öffentlichen Rechts in Kiel aus. Zum Gründungsdirektor wurde Professor Dr. Jörn Thiede berufen. Keimzelle des damaligen GEOMAR war das Gebäude 4 auf dem Seefischmarkt. Der neue Zweig wuchs schnell und dehnte sich auf weitere Gebäude auf dem Gelände aus.
Fusion zweiter Meeresforschungsinstitute
Die Idee einer Zusammenlegung der beiden Standorte war bereits 2004 bei der Gründung des Leibniz-Instituts für Meereswissenschaften IFM-GEOMAR aus dem Institut für Meereskunde (IfM) und dem Forschungszentrum für Marine Geowissenschaften GEOMAR präsent. Schließlich konnte 2012 ein Architektur-Wettbewerb ausgelobt werden, in dessen Rahmen die Staab Architekten GmbH mit ihrem Entwurf überzeugte.
Der erste Spatenstich für den Neubau wurde am 27. März 2017 gefeiert. Am 28. September 2021 wurden das Zentrale Probenlager und das Parkhaus eingeweiht. Für einen Rückschlag sorgte der bei Dacharbeiten am 13. September 2022 ausgebrochene Brand, der noch vor dem Umzug Sanierungsarbeiten an der Fassade und in einigen Innenräumen erforderte. Dennoch konnte der Umzug bis Ende 2023 weitgehend abgeschlossen werden.