Erdwärme verursacht schnellen Eisfluss und Gletscherschmelze in Grönland
Geowissenschaftler des Deutschen GeoForschungsZentrums haben herausgefunden, dass die erdgeschichtliche Vergangenheit des Nordatlantik den heutigen Eismassenverlust steuert.
Der Nordatlantik ist tektonisch aktiv. Vor 80 bis 35 Millionen Jahren vor heute bewegten die Prozesse der Plattentektonik Grönland über einen Bereich außergewöhnlich heißen Materials im Erdmantel, der heute noch für den Vulkanismus Islands verantwortlich ist. Dieses heiße Gesteinsmaterial dünnte dabei die Lithosphäre unter Grönland aus und heizte sie auf. So entstand eine große geothermische Anomalie unter einem Viertel der Landmasse Grönlands. Diese alte und langlebige Wärmequelle schuf eine Region mit viel Schmelzwasser unterhalb des Gletschers, auf der das Eis bis heute rutschen und sich schnell bewegen kann. Ungefähr die Hälfte der Eiskappe im nördlichen Zentral-Grönland liegt auf aufgetautem Gesteinsbett und leitet sein Schmelzwasser über ein dichtes hydrologisches Netz unter dem Eis in den Ozean.
Das Geoforschungsteam hat hier zum ersten Mal die enge Kopplung von weit in die Erdgeschichte zurückreichenden Prozessen tief im Erdinnern mit eisdynamischen Vorgängen und dem thermo-hydrologischen Verhalten großer Eisdecken nachgewiesen: „Die geothermische Anomalie, die durch den isländischen Mantel-Plume vor über zehn Millionen Jahren entstand, ist ein wichtiger Motor für die heutige Hydrologie unter dem Eisschild und für die Flussgeschwindigkeit des Eises“, erklärt Irina Rogozhina. „Dieses wiederum beeinflusst allgemein das dynamische Verhalten der großen Eisschilde und möglicherweise auch die zukünftige Reaktion auf Klimaänderungen.”
Bisher war die erdgeschichtliche Vergangenheit des Plumes unter Grönland unter der drei Kilometer dicken Eisdecke verborgen. Ihr Geheimnis konnten die Geoforscher konnten nun mit einer innovativen Kombination von Computermodellen und Datensätzen aus Seismologie, Schweremessungen, Bohrungen, Radarmessungen, Eisdickenmessungen am Boden, vom Flugzeug und von Satelliten aus, entschlüsseln. Die Lage und Ausrichtung des Gebiets erhöhten geothermischen Wärmeflusses zeigt, wo Grönland über den heißen Island-Mantelplume wanderte.
Der unerwartete Zusammenhang von Mantelplumes und Eisdecken zeigt, dass die Einwirkungen auf die Eiskappen auf höchst unterschiedlichen Zeitskalen ablaufen, von Langzeitprozessen der Tektonik vor über zehn Millionen Jahren bis hin zu aktuellen Änderungen über die letzten Monate heutiger Klimaentwicklung. Zugleich ergeben die Ergebnisse der Studie nun auch einen unabhängigen Test für die verschiedenen Modellvorstellungen, wie sich der Nordatlantik öffnete, denn dieser tektonische Vorgang wird seit dreißig Jahren diskutiert und ist bis heute noch nicht vollständig geklärt.
Das Deutsche GeoForschungsZentrum GFZ wird zu 90 Prozent aus Mitteln des Bundesforschungsministeriums finanziert. Die geowissenschaftliche Forschung wird im Rahmen des Programms Forschung für Nachhaltige Entwicklung gefördert.
Originalpublikation:
Irina Rogozhina, Alexey G. Petrunin, Alan P. M. Vaughan, Bernhard Steinberger, Jesse V. Johnson, Mikhail K. Kaban, Reinhard Calov, Florian Rickers, Maik Thomas and Ivan Koulakov: “Melting at the base of the Greenland ice sheet explained by Iceland hotspot history”, NATURE GEOSCIENCE, Advance Online Publication, 04 April 2016, DOI: 10.1038/NGEO2689