Forschungsschiff SONNE: Expedition zur Nahtstelle zwischen zwei Kontinenten
Unter der Oberfläche der Ozeane erstrecken sich gewaltige Gebirgszüge, die durch das Auseinanderdriften der Kontinentalplatten entstehen. Eine solche Erhebung ist Marion Rise südöstlich von Südafrika. Ein Wissenschaftlerteam untersucht mit dem Forschungsschiff SONNE vom 6. März bis 12. April 2020 diese Nahtstelle der Erdkruste genauer und bezieht die Öffentlichkeit mit Live-Bildern ein. Das Projekt wird vom Bundesforschungsministerium gefördert.
Es könnte ungemütlich werden auf der Forschungsfahrt SO273: Die Expedition führt ins Gebiet der „Roaring Forties", eine Region zwischen 40 und 50 Grad südlicher Breite mit häufigen Stürmen, hohem Seegang und viel Regen. Ziel des Forschungsteams ist das Unterseegebirge Marion Rise. An dieser Nahtstelle zwischen Afrika und der Antarktis treffen zwei Erdplatten aufeinander, die voneinander wegdriften - allerdings extrem langsam. Sie entfernen sich weniger als einen Zentimeter pro Jahr.
Durch die extrem langsamen Spreizungsraten auf dem südwestindischen Rücken ergibt sich eine Besonderheit: „An anderen Rücken wird die Naht mit Schmelze - also vulkanischem Gestein aus oberflächennahen Erdschichten - geschlossen. Am südwestindischen Rücken geschieht dies durch tektonische Prozesse, durch die an Land beispielsweise auch Gebirge entstehen", erklärt Projektleiter Professor Jürgen Koepke von der Leibniz Universität Hannover.
Bei diesem Vorgang dringt Material aus dem Inneren des Planeten - dem Erdmantel - an den Meeresboden durch. „Dieses Mantelgestein ist an der Erdoberfläche sehr selten. Deshalb werden wir Proben entnehmen und mit großem Aufwand analytisch untersuchen", erklärt der Mineraloge. Das Forscherteam will dadurch die Mechanismen besser verstehen, mit denen Erdplatten ultralangsam voneinander wegdriften. „Wir werden eine Lücke der Grundlagenforschung schließen", sagt Koepke.
Im Rahmen der Expedition soll eine Karte des Untersuchungsgebietes entstehen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler messen hierfür die Topographie, das Schwerefeld und den Magnetismus des Meeresbodens. Zudem geht das Forscherteam der Frage nach, weshalb sich Marion Rise, rund 2.500 Kilometer südöstlich der Südspitze Afrikas gelegen, gegenüber der Umgebung angehoben hat.
„Ein solches Plateau ist eine Anomalie, vergleichbar beispielsweise mit Island", sagt Koepke und ergänzt: „Es gibt die Theorie, dass das Marion Rise wie Island durch einen Hot Spot entstanden ist - also durch langlebige vulkanische Aktivität im Erdmantel. Wir denken aber, dass es einen anderen Grund gibt, der in der Zeit fußt, als Antarktis und Afrika noch als Kontinent Gondwana zusammenhingen", so Koepke. Im Untersuchungsgebiet ist die Erdkruste aber besonders dünn, daher vermutet man, dass dieses Gebiet durch den Aufstieg eines veränderten, leichten Erdmantels angehoben wurde.
Der Tauchroboter MARUM-QUEST wird nicht nur Gesteinsproben und Daten für die Wissenschaft sammeln, sondern auch in bestimmten Zeiträumen via Internet Live-Bilder
von seinen Einsätzen senden. Hierfür besteht eine Kooperation mit Museen in ganz Deutschland, die diese Bilder in Veranstaltungen integrieren. Ergänzt wird der Live-Stream vom Meeresgrund durch Audio-Schaltungen auf die SONNE. Das Team steht den Zuschauerinnen und Zuschauern Rede und Antwort. Auf der Projekt-Webseite wird außerdem ein Blog eingerichtet.
Beteiligt sind neben der Universität Hannover auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Freien Universität Berlin, den Universitäten Bremen, Erlangen-Nürnberg und Münster, von der University Helsinki (Finnland), der University of Wyoming, der Florida State University und der Woods Hole Oceanographic Institution (alle USA) sowie von der Università di Modena e Reggio Emilia (Italien).