Gigantisches submarines Kaltwasserkorallen-Gebirge vor Mauretanien
Auf einer Länge von etwa 400 Kilometern erstreckt sich am Meeresboden vor der Küste Mauretaniens die weltweit größte zusammenhängende Kaltwasserkorallenstruktur. Dr. Claudia Wienberg vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen und ihre Kolleginnen und Kollegen haben untersucht, wie sich die Kaltwasserkorallen vor Mauretanien in den vergangenen 120.000 Jahren entwickelten. Ihre Ergebnisse haben sie in der Zeitschrift Quaternary Science Reviews veröffentlicht.
Alpen vor Mauretanien
Die weltweit größte zusammenhängende Kaltwasserkorallenstruktur mit einer Länge von etwa 400 Kilometern existiert entlang der Mauretanischen Küste. Hier erreichen die Korallenhügel Höhen von 100 Metern. „Die Größe der Hügel und die Länge dieser Strukturen ist wirklich speziell. Im Grunde genommen könnte man hier tatsächlich von einem Kaltwasserkorallen-Gebirge unter Wasser sprechen“, sagt Dr. Claudia Wienberg vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen. „Vor Mauretanien sind die einzelnen Kaltwasserkorallen-Hügel vermutlich über die Zeit zusammengewachsen. So etwas gibt es nirgendwo sonst in den Weltmeeren.“ Wienberg war Teil eines internationalen Teams von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, das an Bord des Forschungsschiffs MARIA S. MERIAN dieses Gebiet intensiv beprobte, um mehr über die Entwicklung der Kaltwasserkorallen zu erfahren. In einer Studie, die im Wissenschaftsjournal Quaternary Science Reviews veröffentlicht wurde, stellen sie und ihre Kolleginnen und Kollegen nun die Ergebnisse vor.
Sauerstoffmangel versetzte Korallen in Ruhezustand
Prof. Dr. Norbert Frank und sein Team von der Universität Heidelberg analysierten Korallenfragmente von der Oberfläche und aus verschiedenen Tiefen des Meeresbodens und bestimmten deren Alter. Mit diesen und weiteren Untersuchungen konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nachzeichnen, wie sich die Kaltwasserkorallen vor Mauretanien in den vergangenen 120.000 Jahren entwickelten. So gab es in der Vergangenheit immer wieder Phasen, in denen die Wachstumsraten Spitzenwerte von 16 Metern pro 1000 Jahre erreichten. So schnell wächst nicht einmal das derzeit größte Kaltwasserkorallen-Riff vor Norwegen. Vor fast 11.000 Jahren stagnierte das Wachstum der Mauretanischen Korallenhügel. Zu dieser Zeit sind die Korallen wahrscheinlich gänzlich von den Hügeln verschwunden. Erst heute tauchen dort wieder vereinzelt lebende Kaltwasserkorallen auf.
Das Wachstum der Korallen hängt von verschiedenen Umweltbedingungen ab, wie Wassertemperatur, Sauerstoffgehalt, dem Nahrungsangebot und den vorherrschenden Strömungen, die Nahrung zu den unbeweglichen Kaltwasserkorallen transportieren. Von allen Einflüssen machten die Forschenden den niedrigen Sauerstoffgehalt von etwa ein Milliliter Sauerstoff pro Liter Wasser als kritischen Faktor aus. „Das ist extrem wenig. Ursprünglich wurde angenommen, dass bei 2,7 Milliliter pro Liter die unterste Grenze für Kaltwasserkorallen liegt, bei der sie zwar überleben, aber keine Riffe mehr bauen können“, so Wienberg. „Die vereinzelten Kaltwasserkorallen auf den Hügeln zeigen zwar, dass sie zumindest zeitweise sehr geringe Sauerstoffgehalte überleben können, aber gut geht es ihnen nicht.“
Sauerstoff befeuert das Korallenwachstum
Die Ergebnisse zeigen, dass die Hochphasen der Kaltwasserkorallen, in denen die Hügel in die Höhe wuchsen, mit Zeiten zusammenfallen, in denen mit Sauerstoff angereicherte Wassermassen aus dem Norden in das Gebiet strömten. Waren die Kaltwasserkorallen in der Vergangenheit wie auch heute von sauerstoffarmen Wassermassen aus dem Süden umströmt, so wuchsen die Hügel nicht oder nur sehr langsam. Je nach vorherrschendem Klima verschob sich die Front zwischen diesen Wassermassen von Nord nach Süd und umgekehrt, und die Korallen wurden von sauerstoffreichem, dann wieder von sauerstoffarmem Wasser umströmt.
Schluchten dienten Kaltwasserkorallen als Zufluchtsort
Wienbergs Theorie zufolge fanden die Kaltwasserkorallen bei extrem niedrigen Sauerstoffgehalten in kleineren Schluchten zwischen den großen Hügelstrukturen Zuflucht. In diesen Canyons finden sich heutzutage auch weit mehr Kaltwasserkorallen als auf den Hügeln. Die schwimmenden Korallenlarven sind über eine gewisse Strecke mobil, bevor sie sich endgültig niederlassen. So könnten Migrationsbewegungen von den Hügeln in die Canyons und – unter dem Einfluss der nördlichen Wassermassen – wieder zurück stattgefunden haben.
Sauerstoffminimumzonen werden in Zukunft wachsen
„Laut wissenschaftlicher Prognosen werden sich die Zonen mit geringem Sauerstoffgehalt in den Weltmeeren weiter ausdehnen“, so Wienberg. „Auch wenn Kaltwasserkorallen eine hohe Toleranz zeigen, so ist dies doch ein entscheidender Stressfaktor für diese Ökosysteme der Tiefsee. Hinzu kommen die durch den Klimawandel erhöhten Wassertemperaturen sowie die zunehmende Ozeanversauerung.“
Wienberg C, Titschack J,Freiwald A, Frank N, Lundälv T, Taviani M, Beuck L, Schröder-Ritzrau A, Krengel T, Hebbeln D (2018). The giant Mauritanian cold-water coral mound province: oxygen control on coral mound formation. Quaternary Science Reviews 185:135–152. DOI:10.1016/?j.quascirev.2018.02.012