HAUSGARTEN in der Arktis: Tiefseeobservatorium existiert seit 25 Jahren
Seit einem Vierteljahrhundert untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Langzeit-Observatorium HAUSGARTEN natürliche und durch den Klimawandel erzeugte Veränderungen im Atlantischen Ozean zwischen Grönland und Spitzbergen. Daten sammeln die vorwiegend autonomen Systeme ganzjährig von der Meeresoberfläche sowie direkt unter dem Meereis bis zum Meeresboden in 5500 Metern Tiefe.

Ein blühendes Refugium, welches viel Arbeit erfordert - das stellt man sich gemeinhin unter einem Hausgarten vor. In der arktischen Tiefsee existiert auch ein Hausgarten, einer für wissenschafltiche Beobachtungen. Das Langzeit-Observatorium HAUSGARTEN wurde von Forschenden des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), vor 25 Jahren in der Meerespassage zwischen Grönland und Spitzbergen errichtet. Ende der Woche startet das Forschungsschiff Polarstern die nächste Expedition dorthin.
„Wir hatten im Jahr 1999 während einer Polarstern-Expedition den Tiefseeroboter Victor 6000 des Ifremer mit an Bord, mit dessen Hilfe wir den Meeresboden kartieren und den Standort für die heutige zentrale Station auswählen konnten," erinnern sich die AWI-Biologen Dr. Thomas Soltwedel und Dr. Michael Klages an die Anfänge. „Auf einer Fahrt zu den Kooperationspartnern nach Frankreich kamen wir auf den Namen HAUSGARTEN, der unterstreichen sollte, dass es uns um einen langfristig angelegten Forschungsplan handelt." Seitdem brechen Forschende der Biologie, Ozeanografie oder Geochemie jährlich zu „Gartenarbeiten" auf.
Im Laufe der Zeit wurden 21 Stationen in Tiefen zwischen 250 und 5500 Metern etabliert, die die Polarstern regelmäßig ansteuert. Heute ist der HAUSGARTEN auch Teil der FRAM-Infrastruktur, die Daten zur Erdsystemdynamik, der Klimavariabilität und damit verbundener Veränderungen im marinen Ökosystem zur Verfügung stellt. Ganzjährig erfassen autonome Messgeräte auch unter dem Meereis wichtige Daten wie Temperatur, Salzgehalt und Strömung, aber auch die Aktivität von Mikroorganismen, Plankton und Benthos.
Von Beginn an spielte der Export organischen Materials von der Wasseroberfläche in die Tiefsee eine wichtige Rolle. Die dortigen Lebewesen sind auf herabsinkende Nahrung angewiesen, da kein Licht in die Tiefsee vordringt, das Pflanzenwachstum durch Fotosynthese erlauben würde. Die zentrale HAUSGARTEN-Station in 2500 Metern Wassertiefe in der östlichen Framstraße dient als Versuchsgebiet für einzigartige biologische Experimente am Meeresboden, bei denen verschiedene Szenarien unter wechselnden Umweltbedingungen simuliert werden.
Ozeane gehören zu den größten Kohlenstoffsenken unseres Planeten. Dazu trägt auch die biologische Kohlenstoffpumpe bei: Dicht unter der Wasseroberfläche nehmen Mikroorganismen das Kohlendioxid aus der Atmosphäre durch Fotosynthese auf. Sinken sie auf den Meeresboden, kann dieser den enthaltenen Kohlenstoff für mehrere tausend Jahre speichern. Wann Kohlenstoff aus der Atmosphäre aufgenommen und gespeichert wird, entschlüsselten AWI-Forschende anhand von Daten aus dem HAUSGARTEN.
Zudem stehen atlantische Einflüsse auf den Arktischen Ozean im Fokus der Wissenschaft, denn die Arktis erwärmt sich im Zuge des Klimawandels viel stärker als andere Regionen. Polare Zooplanktonarten müssen mit steigenden Wassertemperaturen zurechtkommen, während sie gleichzeitig einer zunehmenden Konkurrenz durch atlantische Schwesterarten ausgesetzt sind, die durch einen stärkeren atlantischen Zustrom in den Arktischen Ozean gelangen.
Temperaturexperimente auf HAUSGARTEN-Expeditionen zeigten, dass einige arktische Kleinkrebsarten physiologisch toleranter gegenüber der Erwärmung der Ozeane sind als erwartet. Jedoch könnten sie in Gebieten mit starker Überlappung der Verbreitungsgebiete von ihren atlantischen Verwandten ab einer bestimmten Temperaturschwelle verdrängt werden.
Auch die Erforschung von Müll im Meer spielt mittlerweile schon seit über zehn Jahren eine wichtige Rolle. So filmt und fotografiert das am AWI entwickelte Ozeanboden-Beobachtungssystem OFOBS regelmäßig den Meeresboden. Die Auswertungen des Bildmaterials zeigen, dass sich menschliche Hinterlassenschaften in steigendem Maße sogar bis in die arktische Tiefsee nachweisen lassen.
Die Polarstern verlässt ihren Heimathafen Bremerhaven jetzt für zwei jeweils etwa vierwöchige Expeditionen in den HAUSGARTEN, die von einem Hafenanlauf mit Teamwechsel im norwegischen Tromsø unterbrochen werden. Anfang August fährt der Eisbrecher dann in die Zentralarktis und wird Mitte Oktober in Bremerhaven zurückerwartet.