Kaiserpinguine leben weiter nördlich in der Antarktis als angenommen

Junge Kaiserpinguine aus der Atka-Bucht nahe der deutschen Neumayer-Station III in der Antarktis schwimmen in ihrem ersten Lebensjahr bis weit über den 50. südlichen Breitengrad nach Norden hinaus. Somit sind sie durch bestehende und geplante Schutzgebiete nur unzureichend geschützt, berichten Forschende unter Beteiligung des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), in einer aktuellen Studie im Fachmagazin Royal Society Open Science.

Kaiserpinguine verkörpern die Antarktis wie kaum eine andere Art und spielen eine wichtige ökologische Rolle im Nahrungsnetz des Südlichen Ozeans. Da letzterer unter anderem durch die Klimaerwärmung und Fischerei unter Druck gerät, wurden Meeresschutzgebiete eingerichtet und die Fischerei reguliert. Die zuständigen Kommissionen beziehen für das Management bestehender und die Einrichtung neuer Schutzgebiete sowie für die Festlegung von Fischereiquoten unter anderem die Ausbreitung der Vorkommen des Kaiserpinguins mit ein. Diese basiert bisher überwiegend auf Beobachtungen erwachsener Tiere. Damit eine Art überleben kann, müssen jedoch alle Lebensphasen gute Bedingungen vorfinden.

Wie weit junge Kaiserpinguine nach Norden schwimmen, hat ein internationales Forschungsteam jetzt untersucht. Im Januar 2019 (antarktischer Sommer) statteten sie acht Jungtiere mit Sendern aus, die in der Folgezeit sechsmal täglich ihre Positionsdaten per Satellit übermittelten. Die sogenannten Juvenilen sind im Südwinter 2018 in der Kaiserpinguin-Kolonie in der Atka-Bucht geschlüpft, nahe der deutschen Neumayer-Station III, die vom AWI betrieben wird und deren Bau das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanzierte. Die Kaiserpinguine waren bei der Besenderung etwa sechs Monate alt und dabei, sich vom plüschigen hellgrauen Küken zum typischen Frackträger zu mausern.

Das überraschende Ergebnis der so aufgezeichneten Schwimmrouten: Alle Jungtiere hielten sich im antarktischen Winter (August) außerhalb der äußeren Grenzen des Vorkommens auf, das die Internationale Union zur Bewahrung der Natur (IUCN) für die Art angibt. Einige der besenderten Kaiserpinguine waren zusätzlich sogar bis zu 1260 Kilometer von den vorgeschlagenen Schutzgebieten entfernt, so dass diese Tiere in diesem Lebensstadium nur unzureichend geschützt würden. Ein Vergleich mit weiteren wissenschaftlichen Studien an jungen Kaiserpinguinen in anderen Gebieten des Südozeans zeigte, dass auch deren Schwimmgebiete überwiegend außerhalb von Schutzgebieten liegen.

Somit unterschätzt das von der IUCN definierte Verbreitungsgebiet des Kaiserpinguins den tatsächlichen Lebensraum der Tiere, erläutern die Forschenden ihre Ergebnisse. Bestehende und geplante Meeresschutzgebiete (Marine Protected Areas, MPAs) decken im Durchschnitt nur 10,0 ± 4,9 % der geschätzten Verbreitungsgebiete ab. „Unsere Daten verdeutlichen, dass strategische Schutzpläne für den Kaiserpinguin und andere langlebige, ökologisch wichtige Arten den dynamischen Lebensraumbereich aller Altersklassen berücksichtigen sollten“, fasst Prof. Dr. Olaf Eisen, wissenschaftlicher Leiter der AWI-Antarktis-Forschungsinfrastrukturen und Mitautor der Studie die Erkenntnisse zusammen.

Originalpublikation:

Aymeric Houstin, Daniel P. Zitterbart, Karine Heerah, Olaf Eisen, Víctor Planas-Bielsa, Ben Fabry, Céline Le Bohec: Juvenile emperor penguin range calls for extended conservation measures in the Southern Ocean. Royal Society Open Science (2022). DOI: https://doi.org/10.1098/rsos.211708