Karliczek: Wir brauchen für Klimaneutralität auch CO2-Entnahmemethoden
BMBF startet Forschungsprogramm zur Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre
Das BMBF fördert mit rund 20 Millionen Euro über drei Jahre zehn Forschungsprojekte zur Analyse der Chancen und Risiken der Kohlendioxidentnahme aus der Atmosphäre. Erste Projekte der Fördermaßnahme „Methoden zur Entnahme von atmosphärischem CO2" gehen jetzt an den Start. Nur mit einem tiefergehenden Verständnis für verschiedene Methoden und Technologien der CO2-Entnahme (im Englischen Carbon Dioxide Removal/CDR) können Entscheidungen für die angestrebte Treibhausgasneutralität Deutschlands bis 2045 fundiert und zukunftsfähig getroffen werden.
Dazu erklärt Bundesforschungsministerin Anja Karliczek:
„Es muss für alle klipp und klar sein: Die Treibhausemissionen müssen so weit sinken, dass wir die Ziele des Pariser Abkommens einhalten können. Erste Priorität haben immer Emissionsreduktionen, und dafür brauchen wir ein kräftiges Signal auch vom Klimagipfel in Glasgow. Aber die Wissenschaft macht auch deutlich: Neben der drastischen Reduktion von Treibhausgasen brauchen wir auch die Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre sowie die langfristige Speicherung von Kohlendioxid, um unsere Klimaziele einzuhalten. Nahezu alle Pfade beinhalten den Einsatz von Entnahmetechnologien aus der Atmosphäre ab Mitte des Jahrhunderts. Wir müssen auch diesen Aspekt des wissenschaftlichen Konsenses im Weltklimarat zur Kenntnis nehmen und entsprechend handeln. Mögliche Methoden und Technologien zur CO2-Entnahme sind aber noch nicht ausreichend erforscht. Wir haben daher ein starkes Forschungsprogramm aufgestellt, um die offenen Fragen zur CO2-Entnahme gründlich zu untersuchen. Wir werden in den kommenden Jahren und Jahrzehnten wichtige Entscheidungen treffen müssen, um die Klimaneutralität Deutschlands zu realisieren. Wir brauchen wissenschaftliche Erkenntnisse, um hierbei die bestmögliche Richtung einschlagen zu können. Dazu benötigt die Politik insbesondere eine vergleichende Analyse der verschiedenen CO2-Entnahmemethoden. Nur wenn wir heute damit anfangen, ihren verantwortungsvollen Einsatz zu erforschen und vorzubereiten, werden wir unsere Klimaziele erreichen können. Da CO2-Entnahme-Methoden mit vielen Chancen, aber auch mit Risiken verbunden sind, müssen wir sie sehr gründlich auf ihre Wechselwirkungen im Erdsystem sowie auf wirtschaftliche Rahmenbedingungen und gesellschaftliche Anliegen und Auswirkungen untersuchen. Um diese vielschichtigen Herausforderungen zu bewältigen, kommen nun mehr als hundert Forscherinnen und Forscher aus allen relevanten Fachrichtungen im bislang breitesten Forschungsprogramm zur CO2-Entnahme in Deutschland zusammen."
Hintergrund:
In den Forschungsprojekten werden zum einen technische CDR-Ansätze wie zum Beispiel die direkte Abscheidung von CO2 aus der Umgebungsluft und dessen Speicherung (Direct Air Carbon Capture and Storage, DACCS) erforscht. Zum anderen werden naturbasierte CDR-Methoden untersucht, wie etwa Agroforstwirtschaft - also der Kombination von Land- und Forstwirtschaft -, Methoden der beschleunigten Verwitterung von Gesteinen, die Herstellung von Biokohle sowie die Aufforstung. Im Fokus dieser Forschung steht auch, wie solche Methoden kombiniert werden können.
Im Zentrum der Projekte steht die Frage nach dem CO2-Entzugspotenzial und die Frage, wie das entnommene CO2 dauerhaft gebunden werden kann. Zudem wird die Entwicklung und Bewertung von geeigneten Politikinstrumenten unter Einbeziehung der Öffentlichkeit und Beteiligten vorangetrieben: So werden nicht nur CO2-Entnahme-Methoden vorangebracht, sondern auch die institutionellen und politischen Rahmenbedingungen partizipativ mitgedacht und vorbereitet. Wir fördern diese zukunftsweisende Forschung mit 20 Millionen Euro bis 2024.
Kern der Forschungsarbeiten des am 1. November 2021 startenden Begleit- und Synthesevorhabens CDRSynTra ist der Transfer von fundiertem Wissen zu verschiedenen CDR-Ansätzen in die Politik und die Gesellschaft. Das Ziel des Forschungsprojekts ist, die Potenziale und Nebenwirkungen der verschiedenen Methoden umfassend und einheitlich zu bewerten. Damit werden die wissenschaftlichen Grundlagen gelegt, aufgrund derer ein gesellschaftlich akzeptabler und ökologisch sowie ökonomisch sinnvolles Portfolio an CO2-Entnahme-Methoden entwickelt werden kann. Das übergeordnete Begleit- und Synthesevorhaben CDRSynTra bündelt dafür die Forschungserkenntnisse aus den Projekten und entwickelt eine mögliche Strategie zur künftigen Gestaltung der CO2-Entnahme in Deutschland.
Neben dem Begleit- und Syntheseprojekt CDRSynTra sind bisher vier weitere Projekte bereits gestartet.
Das Projekt STEPSEC wird analysieren, wieviel CO2 die vegetationsbasierten CDR-Methoden Aufforstung und Wiederaufforstung, Waldbewirtschaftung und Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -Speicherung (BECCS) der Atmosphäre entziehen können. Dabei werden auch Synergien und Zielkonflikte mit anderen Nachhaltigkeitszielen analysiert. Die Methoden werden kritisch auf ihre Auswirkungen auf das Erdsystem geprüft, wie etwa den Einfluss auf die Wasserverfügbarkeit, die Biodiversität und das lokale Klima.
Das Projekt NETPEC entwickelt neue photoelektrochemische Ansätze, um mithilfe von künstlicher Photosynthese CO2 aus der Atmosphäre zu entziehen und in langfristig lagerfähige Produkte umzuwandeln.
Das Projekt DAC-TALES bewertet aus ökologischer, ökonomischer und sozialer Perspektive das Potenzial der direkten Abscheidung von CO2 aus der Umgebungsluft und der anschließenden dauerhaften Speicherung des CO2 (Direct Air Carbon Capture and Storage – DACCS).
Das Projekt CDR-PoEt bewertet ethische und rechtliche Aspekte sowie Fragen der institutionellen Machbarkeit für die großskalige Umsetzung von CDR-Methoden. Das Projekt erforscht zudem die gesellschaftliche Akzeptanz von CDR-Methoden, um Empfehlungen für die Politik zu entwickeln.
Anfang 2022 werden weitere fünf Projekte des Forschungsprogramms ihre Arbeit aufnehmen und zur vergleichenden, systematischen Untersuchung möglicher CO2-Entnahmemethoden beitragen.
Das Programm „Methoden zur Entnahme von atmosphärischem CO2" fokussiert auf CDR-Methoden „an Land". Bereits im August 2021 hat das BMBF darüber hinaus sechs Forschungsprojekte zu „Marinen Kohlenstoffspeichern als Weg zur Dekarbonisierung" im Zuge einer Forschungsmission mit der Deutschen Allianz Meeresforschung gestartet. Das Forschungsprojekt CDRSynTra bildet die Schnittstelle zwischen beiden Programmen und wird die wissenschaftliche Gesamtsynthese verantworten. Es ist zentral, dass landbasierte und marine CDR-Methoden in Kombination betrachtet werden. Die Projekte der Forschungsmission bilden die Grundlage für Untersuchungen der Bedeutung und der Potenziale der Ozeane für die Aufnahme und Speicherung von CO2 aus der Atmosphäre. Diese anwendungsbezogene Forschungsmission wird Politik und Gesellschaft Umsetzungskonzepte und konkretes Handlungswissen zur marinen CO2-Entnahme vermitteln.
Insgesamt investiert das BMBF 47 Millionen Euro in die Erforschung von landbasierten und marinen CDR-Methoden.