Nachhaltiger Gewinn aus eigenem Vermögen
Solche Tage gehören zu den besonderen. Gebündelte Forschung trifft auf geballte Neugier. Wissenschaftler touren mit der „Roadshow Nachhaltige Entwicklung“ durchs Land – und informieren Entscheider über Lösungen für kommunales Management. Zum Auftakt in Schwerin.
Bürgermeister Hans Hüller kommt aus Witzin, einer Mecklenburger Gemeinde zwischen Schwerin und Güstrow. Hans Hüller kommt aus einer lebendigen Gemeinde, Tendenz Wachstum. Die gegenwärtig 490 Einwohner haben seit einigen Jahren wieder eine Kita mit 39 Kindern, sie veranstalten gemeinsame Feste und Frühjahrsputz. Jetzt sollen u.a. ein Radweg für Touristen entstehen und eine Bau-Firma ansässig werden.
Witzin ist eine Gemeinde, die von ihrer wunderschönen, geschützten Landschaft profitiert. Menschen kommen gern hierher, machen Urlaub, siedeln sich an. Die urwüchsige Natur, Luft und Wasser sind das Kapital von Witzin – wie von vielen Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern. So formuliert es Landes-Umweltminister Till Backhaus. Er, Hans Hüller und rund 60 weitere Entscheider und Multiplikatoren sind zum Workshop der „Roadshow Nachhaltige Entwicklung“ gekommen. Aus Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, auch aus Niedersachsen.
Wie schöpfen wir Gewinn aus unserem kommunalen Vermögen? Diese Frage eint die Teilnehmenden aus Gemeinden, Städten, von kommunalen Beratungsgesellschaften. Hans Hüller interessiert speziell die Frage: Wie ist das mit den Energie-Hecken, die gleichzeitig Schutz vor Wind und Hochwasser bieten und Hackschnitzel für die Biogas-Anlage? Solche Hecken könnten den neuen Radweg säumen. Christian Böhm von der Technischen Universität Cottbus und Landwirt Thomas Domin präsentieren dieses nachhaltige Modell. Auf den Feldern des Brandenburger Landwirtes stehen seit drei Jahren Kurzumtriebs-Hecken. Schnellwachsende Bäume, die das Getreide und den Boden vor Wind und Erosion schützen und überflüssige Nährstoffe filtern. In wenigen Jahren steht die erste Ernte an. Die Hackschnitzel werden von einer regionalen Genossenschaft als Heiz- und Baumaterial verkauft.
Gewinn aus dem kommunalen Vermögen schaffen auch andere Wissenschafts-Kommunen-Teams, die ihre Forschungsergebnisse auf dem Workshop vorstellen. Dazu gehört Agrophotovoltaik, eine Technologie, die Solarstrom erzeugt und gleichzeitig Landwirtschaft ermöglicht. Oder ein Controlling-Tool für das nachhaltige Management kommunaler Wasserwirtschaft.
Die Wissenschaftler des Instituts für angewandtes Stoffstrommanagement der Hochschule Trier (IfaS) haben diese und weitere Modelle aus der Nachhaltigkeits-Forschung gebündelt und ihre Macher in der „Roadshow Nachhaltige Entwicklung“ vereint. Sie präsentieren, informieren, laden zur Nachahmung ein. Zum Beispiel als Modellkommune, die sich mit ihrem Vermögen Energie, Wasser und Land nachhaltig aufstellt – und dafür vom Bundesforschungsministerium gefördert wird. Im kommenden Jahr ist das mit der „Roadshow“ möglich. Projektleiter Peter Heck: „Wer das Potenzial seiner Ressourcen vor Ort nutzt, braucht langfristig keine umfangreichen Investitionen.“
Gewinn aus eigenem Vermögen schöpft auch die Gemeinde Rosenow in Mecklenburg-Vorpommern. Sie hat ihre Energieversorgung mit Hilfe von Wissenschaftlern auf sauber und autark umgestellt. 70 Prozent der Haushalte und alle kommunalen Einrichtungen nutzen bereits eigene Wärme und Strom aus der Biogas-Anlage. Zu einem günstigen, festen Preis. Das Netz gehört der Gemeinde, das macht sie von Markt-Schwankungen unabhängig. Damit hat sie Reserven, um beispielsweise generationengerechte Wohnungen zu schaffen. Rosenows Bürgermeister Norbert Stettin: „Wenn ich an Energiewende denke, dann denke ich zuerst an die Energie meiner Bürgerinnen und Bürger.“
Die Roadshow macht 2018 noch an drei weiteren Standorten Station.
Wie profitieren Städte und Gemeinden von der Zusammenarbeit mit Forschenden? Einblicke gibt die Multimedia-Reportage.