Nahrung aus dem Meer – Forschen gegen den Hunger in der Welt
„Nahrung aus dem Meer, „Entwicklungsziele der Vereinten Nationen, „Hunger beenden - unter diesen Schlagworten diskutierten rund 60 Experten im Rahmen des 13. BMBF-Forums für Nachhaltigkeit am 10. Mai 2017 die Zukunft unserer Ozeane. Zur Erreichung des 14. UN-Nachhaltigkeitsziels das Leben unter Wasser zu schützen haben die Geschäftsbereiche MGS1 und UMW5 diesen Workshop als einen der vier Experten-Workshop im Auftrag des BMBF für das FONA-Forum organisiert und moderiert. Der Fokus lag dabei auf dem Zustand unserer Meere und aktuellen Meeresforschungsprojekten.
Meeresforscher diskutieren: Forschen gegen den Hunger in der Welt?
30 Prozent der weltweiten Fischbestände gelten als überfischt, weitere 58 Prozent als maximal befischt. Gleichzeitig versorgen unsere Ozeane die Weltbevölkerung mit lebensnotwendigen Proteinen. Wie lässt sich das Ziel, Leben unter Wasser zu schützen, mit dem Ziel vereinbaren, den Hunger global zu bekämpfen?
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Heike Vesper, Biologin und Leiterin Meeresschutz beim WWF, zeigte auf, dass derzeit an die 100 Millionen Tonnen Fisch inklusive Beifang weltweit auf den Ozeanen gefangen werden. Der weitaus größte Anteil des Fisches wird importiert oder stammt aus der Aquakultur. Nachhaltig ist die Fischerei auf den Weltmeeren derzeit nahezu nirgendwo. Nach einer WWF-Studie könnten allerdings bei einer 100%-igen Wirksamkeit des Fischereimanagements weltweit 137 Millionen Tonnen nachhaltig gefangen werden – bei voller Berücksichtigung aller Auswirkungen der Fischerei auf künftige Fangmöglichkeiten und den ökologischen Interaktionen. Dies wäre sogar noch mehr Fisch als heutzutage gefangen wird. Voraussetzung wäre aber, dass wir unser Konsumverhalten ändern müssten, also vermutlich anderen Fisch essen würden als bisher, die illegale Fischerei beenden würden und den wissenschaftlichen Empfehlungen zur Fangquotenbeschränkung folgen würden.
Prof. Dr. Martin Quaas, Ökonom an der Christian-Albrechts-Universität Kiel bestätigte, dass Voraussetzung für eine nachhaltige Fischerei die konsequente Umsetzung der Empfehlungen aus der Wissenschaft sei, nicht jedoch die primär ökonomischen Interessen bei der Fangquotenvergabe durch die EU-Kommission. Die Gefahr sei groß, dass man ansonsten bald in leeren Gewässern fischen würde.
Prof. Bettina Meyer von der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg erklärte, wie sich die Krillfischerei im Südpolarmeer darstellt. Die Fangquote zum Krillfang wird jährlich von der Arbeitsgruppe der CCAMLR (Commission for the Conservation of Antarctic Marine Living Resources) für die Überwachung und Verwaltung des Ökosystems (WG-EMM) und des Wissenschaftlichen Ausschusses überprüft. Die vereinbarten Grenzen der Kommission werden für die jeweils laufende Fischsaison in den Erhaltungsmaßnahmen festgelegt. Krill gilt als eine der wichtigsten Komponenten der polaren Nahrungsnetze: Pinguine, Robben und Wale könnten ohne nicht existieren. Obwohl die CCAMLR Regeln als vorbildlich gelten, wies Frau Meyer darauf hin, dass auch Klimaänderungen ganz erheblichen Einfluss auf die Krillbestände haben können. So sei derzeit im Südpolarmeer eine starke Zunahme von gelatinösem Plankton (Salpen) zu beobachten, das auch bei geringen Temperaturänderungen womöglich besser an den Klimawechsel angepasst sein könnte als das Krill. Des Weiteren steigt das Interesse an Krill seitens der Aquakultur und Pharmazie. Hier muss CCAMLR darauf achten, dass die bestehenden Regeln nicht aufgeweicht werden und illegale Fischerei konsequent verfolgt wird.
Nachhaltigkeit und Ökonomie müssen nicht im Widerspruch stehen. Dr. Levent Piker von der Coastal Research & Management GbR (CRM) und Oceanbasis GmbH züchtet Brauntange und Muscheln in der Kieler Förde und vermarktet seine Produkte vor allem lokal. Er kennt aber auch die internationale Aquakultur aus eigenen Projekten und zeigte anhand von Beispielen auf, wie Aquakultur nachhaltig betrieben werden kann: Besonders die integrierte multitrophe Aquakultur (IMTA) sieht er als Lösung, die eine größere Umweltverträglichkeit bietet und gleichzeitig den wirtschaftlichen Nutzen für die Erzeuger und Gemeinden erhöht. IMTA ist eine andere Art des Denkens über die aquatische Nahrungsmittelproduktion, die auf dem Konzept des Recyclings basiert. Anstatt nur eine Art (Monokultur) zu kultivieren und sich vor allem auf die Bedürfnisse dieser Art zu konzentrieren, imitiert die IMTA ein natürliches Ökosystem, indem sie die Zucht von mehreren, komplementären Arten aus verschiedenen Ebenen der Nahrungskette kombiniert.
Der biologische Ozeanograph Prof. Dr. Ulf Riebesell vom GEOMAR stellte einen anderen Ansatz auf dem FONA-Forum vor. Er untersucht die Möglichkeiten und die ökologischen Auswirkungen, nährstoffreiches Tiefenwasser im offenen Ozean mittels einer Wellenpumpe an die Oberfläche zu pumpen. Durch das nährstoffreiche Wasser an der Oberfläche soll die natürliche Planktonproduktion im offenen Ozean angeregt werden und die Nahrungsgrundlage für Fische geschaffen werden. Nährstoffreiches Wasser und damit große Fischpopulationen finden sich ansonsten primär in Küstennähe. Inwieweit die Gesellschaft derartig technische Eingriffe zur Fischgewinnung befürwortet, verbunden mit ethischen, politischen und rechtlichen Fragen, gilt es im gesellschaftlichen Dialog zu klären.
Wissenschaftsjahr präsentiert Vielfalt und Verletzlichkeit unserer Meere
Im Rahmen des Wissenschaftsjahres 2016*17 wurde das BMBF-FONA-Forum bildstark abgerundet: Der Forschungstaucher und Biologe Uli Kunz von der Forschungstauchgruppe submaris entführte die Zuschauerinnen und Zuschauer in die Unterwasserwelt. Weltweit preisgekrönte Bilder zeigten den Lebensraum Meer in seiner Einzigartigkeit und Verletzlichkeit.
Eine Ausstellungs-Fläche des BMBF zur Meeresforschung lud die Besucher zudem ein, spontane Assoziationen zum Thema Meer zu formulieren und mittels einer Fotoaktion zu veröffentlichen. Der Satzanfang „Denk ich an das Meer, denk ich an..., weckte beispielsweise die Assoziation mit „unendlicher Weite, „Urlaub und „Freiheit. „Die Erforschung der Meere und Ozeane ist wichtig, weil..., vervollständigte ein Besucher mit „...wir die Wellen für unsere Resonanzbeziehungen brauchen, und nahm dabei Bezug auf den Eingangsvortrag des Soziologen Prof. Dr. Hartmut Rosa: Nicht materielle Ressourcen seien der Weg zu einem guten Leben, sondern eine intakte Beziehung zur Welt; Resonanzerfahrung als Gegenteil der Entfremdung. Außerdem wünschten die Besucher dem Meer „weniger Emissionen, „Stille und Sauberkeit, und „dass sie nachhaltig geschützt werden. Zu diesem Wunsch möchte das Bundesforschungsministerium mit seinem Programm „Forschung für Nachhaltige Entwicklung (FONA) beitragen, das teilweise vom Projektträger Jülich umgesetzt wird.