namares 2.0 - Digitales urbanes Ressourcenmanagement im Quartier

Die Nachhaltigkeit und Resilienz von bestehenden Stadtquartieren rücken in den Fokus von Politik und Gesellschaft. Der Handlungsdruck zur Nutzung vorhandener Ressourcen und Potenziale erfordert eine integrierte, ressourceneffiziente Quartiersentwicklung, urbane Transformation und konkrete Lösungen. namares zielt darauf ab, den integrierten Planungs- und Transformationsprozess auf Quartiersebene digital zu unterstützen. Die in der ersten Phase entwickelte Software wird in mehreren Testgebieten und in kommunalen Planungsprozessen erprobt und weiterentwickelt.

Die zweite Phase der BMBF-Fördermaßnahme "Ressourceneffiziente Stadtquartiere für die Zukunft (RES:Z)" geht zu Ende. Wir sprechen mit Dr. Rebekka Volk (Karlsruher Institut für Technologie (KIT)) im Interview über die Ergebnisse des Projekts namares 2.0.

Dr. Rebekka Volk

Dr. Rebekka Volk ) Quelle: Fotostudio Eidens-Holl

Was sind die wichtigsten Ergebnisse Ihres Projekts? Welche Ziele haben Sie erreicht?

Im Projekt namares 2.0 haben wir wichtige Fortschritte im Bereich Planung und Entwicklung nachhaltiger Stadtquartiere erzielt. Im Mittelpunkt stand die Entwicklung eines digitalen Webtools, das z.B. Kommunen dabei hilft, urbane Ressourcen wie Flächen, Wasser und Energie aber auch Ökosysteme und Stoffströme systematisch zu analysieren und zu bewerten. Das Tool ermöglicht eine technoökonomische sowie ökologische Beurteilung von neun Maßnahmen auf Flurstücksebene, darunter Dach- und Fassadenbegrünung, Photovoltaik, Bodenentsiegelung oder Regenwassernutzung.
Bei Planungen treten oft Zielkonflikte auf: So kann ein Dach beispielsweise entweder begrünt werden, um das Mikroklima und die Regenwassernutzung bzw. den Abfluss zu verbessern, oder mit einer Photovoltaikanlage versehen werden, welche zur lokalen Stromversorgung beiträgt und CO₂ einspart. Zudem sind verschiedene Maßnahmen mit unterschiedlichen Investitionen und Kosten verbunden. Das Webtool hilft, die Zielkonflikte auf mehreren Ebenen zu identifizieren und zu lösen.
Zum einen kombiniert es verschiedene städtische und kommunale Daten in einem integrierten Modell, um den aktuellen Ist-Zustand detailliert und gesamtheitlich erfassen und auswerten zu können. Zum anderen unterstützt es die Kommunen in den Entscheidungsprozessen, indem es simuliert und berechnet, wie sich verschiedene Maßnahmen auswirken würden. Mithilfe der entwickelten und berechneten Indikatoren lassen sich deren Vor- und Nachteile bewerten und gegenüberstellen. Wir haben das Webtool in der zweiten Förderphase um einige neue wissenschaftlich anspruchsvolle Methoden erweitert. Zum Beispiel haben wir eine automatisierte Biotopkartierung entwickelt und getestet. Diese ermöglicht Anwender:innen eine präzise Unterscheidung zwischen versiegelten und unversiege-ten Flächen sowie eine detaillierte Erfassung und automatisierte Lokalisierung von Baumkronen und Grünflächen. Insbesondere private Grünflächen, die häufig noch nicht in kommunalen Datensätzen erfasst und kartiert sind, konnten als wertvolle Ökosysteme identifiziert werden, die zur CO₂-Speicherung und Verbesserung des Mikroklimas beitragen.
Das Webtool wurde in drei Modellkommunen getestet: In Köln, Bruchsal und Bretten. In Köln haben wir mithilfe des Tools potenzielle Flächen für Dachbegrünungen und Photovoltaikanlagen in Bestandsquartieren ermittelt. Dabei zeigte sich, dass die Kombination dieser Maßnahmen erhebliche Vorteile für die Energieeffizienz und das Regenwassermanagement bringt. In Bretten wurde in Vorbereitung auf die Gartenschau 2031 ein Parkplatz in einen Campuspark umgewandelt. Mit dem Tool haben wir die Entsiegelungs- und Begrünungsmaßnahmen berechnet. Dadurch konnten wir dort die lokale Temperaturbelastung reduzieren und die Aufenthaltsqualität deutlich steigern.
Ein weiteres zentrales Ergebnis in namares 2.0 ist die Entwicklung einer userfreundlichen grafischen Benutzeroberfläche für das Webtool. Dank dieser können auch Anwender:innen ohne technische Vor-kenntnisse das Webtool einfach bedienen. Das Webtool visualisiert Analysen von Flächen, Gebäuden und Flurstücken bis hin zu ganzen Quartieren sowie die dort geplanten Maßnahmen direkt auf einer interaktiven Karte. So können Kommunen selbstständig damit arbeiten und beispielsweise Versiegelungsgrade, Dachbegrünungspotenziale oder die Auswirkungen von Maßnahmen auf die CO₂-Bindung übersichtlich ermitteln und für ihre Planungsanalysen nutzen

Was war auf dem Weg dorthin besonders wichtig?

Das Erfolgsrezept lag in der engen Zusammenarbeit zwischen wissenschaftlichen, kommunalen und technischen Partnern. Durch den regelmäßigen Austausch und das Zusammenbringen von interdisziplinären Partnern aus verschiedenen Bereichen konnten wir das Webtool praxisnah und userfreundlich gestalten. Durch die Kombination aus wissenschaftlicher Präzision und praktischer Anwendbarkeit wurden alle relevanten Akteure eingebunden und ein vielseitig nutzbares Planungswerkzeug für nachhaltige Stadtentwicklung geschaffen.
Ein weiterer Erfolgsfaktor war die modulare Struktur der Software, die eine einfache Anpassung an unterschiedliche Städte und Quartiere ermöglicht.
Ein Meilenstein war zudem die Einbindung von Fernerkundungstechnologien und automatisierten Datenanalysen, wie der Baumkartierung und Befestigungsanalysen für bislang nicht oder unzureichend kartierte Gebiete. Diese stellen sicher, dass komplexe Daten effizient verarbeitet und interpretiert werden können.
Weitere Meilensteine beim Entwickeln des Tools waren das Integrieren neuer Bewertungsaspekte, die Umwandlung des Softwareprototypen in ein anwendungsfreundliches Programm mit grafischer Benutzeroberfläche sowie das Sammeln und Aufbereiten von Daten aus neuen Gebieten. Außerdem haben wir an verschiedenen wissenschaftlichen Konferenzen teilgenommen. Stolz sind wir auch auf die Präsentation des Tools bei der Bundesgartenschau 2023 in Mannheim und auf die zahlreichen Veröffentlichungen, die die Projektergebnisse einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht haben.

Wie können Anwender Ihre Ergebnisse nutzen?

Die Ergebnisse von namares 2.0 sind darauf ausgelegt, Städte und Kommunen bei der Umsetzung ressourcen-effizienter Maßnahmen in der nachhaltigen Stadtentwicklung direkt zu unterstützen.
Das Webtool dient als Werkzeug, um Maßnahmen wie Dachbegrünungen, Photovoltaikanlagen oder Entsiegelungen gezielt zu planen und die ökologischen und ökonomischen Vorteile zu berechnen. Integriert wurden auch die jeweiligen Förderprogramme der Kommunen für die Investitionsrechnung von privaten Entsiegelungsmaßnahmen. Die Analyseergebnisse zeigten, welche Flächen besonders förderfähig sind und welche ökologischen Vorteile ihre Begrünung hätte. Zudem erlaubt das Webtool es, die Aggregationsstufe für die Darstellung der Ergebnisse beliebig zu wählen. So können sowohl einzelne Gebäudekomplexe oder Hinterhöfe konkret betrachtet und analysiert werden, als auch ganze Quartiere oder Stadtviertel, um großflächigere Planungen vorzunehmen und den aktuellen Zustand der Stadt zu untersuchen.
Die Ergebnisse des integrierten Datenmodells eignen sich, neben der genannten Planungsunterstützung in der kommunalen Verwaltung, auch zur Kommunikation mit (politischen) Entscheidungsträger:innen oder der Öffentlichkeit. So lassen sich die Auswirkungen verschiedener Stadtplanungsmaßnahmen darstellen und gezielt vermitteln.
Die offene Architektur des Webtools erlaubt es sowohl Kommunen als auch der wissenschaftlichen Community, es flexibel an lokale Bedürfnisse anzupassen und kontinuierlich weiterzuentwickeln. Mit seiner Hilfe können Maßnahmen nicht nur gezielt geplant, sondern auch in Form von Vorher-Nachher-Analysen evaluiert werden.