Neue Erkenntnisse zu Tiefenwasserbildung und Meeresströmungen im Atlantik
Für die globale Ozeanzirkulation spielt der subpolare Nordatlantik eine entscheidende Rolle. Durch oberflächennahe Abkühlung wird warmes Wasser in kaltes und schweres Tiefenwasser umgewandelt, das in der Tiefe äquatorwärts strömt. Gestützt auf Modelldaten ging man bisher davon aus, dass der Hauptanteil des Tiefenwassers in der Labradorsee gebildet wird. Langzeitbeobachtungen eines internationalen Konsortiums mit Beteiligung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel zeigen nun erstmals, dass der wesentliche Beitrag der Umwälzzirkulation im östlichen Nordatlantik stattfindet. Die Ergebnisse wurden jetzt in der internationalen Fachzeitschrift Science veröffentlicht.
„Die Atlantischen Umwälzzirkulation ist ein komplexes Ineinandergreifen vieler Prozesse. Direkte Beobachtungen sind daher rar und viele Zusammenhänge sind bisher nur aus Modellstudien abgeleitet“, erläutert Dr. Johannes Karstensen vom GEOMAR, einer der Ko-Autoren einer Studie, die jetzt in der internationalen Fachzeitschrift Science veröffentlicht wurde. Um diese theoretischen Erkenntnisse aus Modellen auch mit Beobachtungen zu verifizieren, wurde 2014 mit Beteiligung von sieben Ländern die erste komplette Vermessung der subpolaren Umwälzzirkulation des Atlantiks unter dem Namen „OSNAP“ (Overturning in the Subpolar North Atlantic Program) gestartet. Das Beobachtungssystem OSNAP teilt sich in zwei Abschnitte auf: quer über die Labradorsee, von Kanada zur Südspitze Grönlands, und über den östlichen subpolaren Nordatlantik, von der Südspitze Grönlands bis Schottland. Eine Vielzahl an permanenten Messstationen (Verankerungen) stellen das Rückgrat des Systems dar. An den Stationen werden kontinuierlich Strömungsdaten aber auch Temperaturen und Salzgehalte des Wassers aufgezeichnet.
„In der 21 Monate überdeckenden Zeitserie der Umwälzzirkulation aus den OSNAP Messungen sehen wir eine erstaunlich hohe Variabilität. Das im Moment überraschendste Ergebnis ist aber, dass die Labradorsee, die wir immer als wichtigste Tiefenwasserbildungsregion angesehen haben, nur etwa 15 Prozent zur Umwälzzirkulation beiträgt“, erläutert Dr. Karstensen. „Wir müssen nun überlegen, wie wir das Konzept von Tiefenwasserformation und Umwälzzirkulation anpassen. Dazu gilt es die Prozesse, die für die Schwankungen in der OSNAP-Zeitreihe verantwortlich sind, genauer zu identifizieren“, so Dr. Karstensen.
„Beispielsweise ist es möglich dass der OSNAP Messzeitraum von 2014 bis 2016 nur einen speziellen Zustand der Umwälzzirkulation erfasst hat. Eine Frage die sich nur durch längere Messreihen ermitteln lässt“, so Dr. Karstensen. Im Sommer 2018 waren die OSNAP-Teams aus Europa, den USA, Kanada und China wieder mit den Forschungsschiffen im Subpolaren Nordatlantik unterwegs. Zurzeit werden die Daten analysiert, und es wird erwartet, dass die OSNAP-Zeitserie der Atlantischen Umwälzzirkulation in Kürze um zwei weitere Jahre verlängert sein wird. „Diese Region ist eine der empfindlichsten Stellschrauben unsere Klimasystems. Hier können durch relativ kleine und rasche Veränderungen globale und langzeitliche Auswirkungen auf das Klima ausgelöst werden. Deshalb ist ein umfassendes Verständnis der Prozesse in dieser Region so wichtig“, argumentiert Dr. Karstensen.
Zudem fließen die von dem internationalen Team zusammengetragenen Daten auch in die Berichte des Weltklimarates (IPCC) ein, dessen nächster Bericht in wenigen Jahren erstellt wird und die Basis für Handlungsempfehlungen zum Klimaschutz darstellt.
Originalpublikation:
Lozier, M.S., F. Li, S. Bacon, F. Bahr, A. Bower, S. Cunningham, F. de Jong, L. de Steur, B. DeYoung, J. Fischer, S. Gary, B. Greenan, N.P., Holliday, A. Houk, L. Houpert, M. Inall, W. Johns, H. Johnson, C. Johnson, J. Karstensen, G. Koman, I. LeBras, X. Lin, N. Mackay, D. Marshall, H. Mercier, M. Oltmanns, R.S. Pickart, A. Ramsey, D. Rayner, F. Straneo, V. Thierry, D.J. Torres, R.G. Williams, C. Wilson, J. Yang, I. Yashayaev, J. Zhao, 2019: A sea change in our view of overturning – first results from the Overturning in the Subpolar North Atlantic Program. Science, https://doi.org10.1126/science.aau6592