Neue magnetische Kohlenstoff-Komposite für die Bio- und Umwelttechnik aus dem „Dampfdrucktopf“
Wissenschaftler des Potsdamer Leibniz-Instituts für Agrartechnik und der Humboldt-Universität zu Berlin haben ein einfaches Verfahren zur Herstellung magnetischer Kohlenstoff-Komposite mittels hydrothermaler Karbonisierung (HTC) entwickelt und einen nutzbringenden Einsatz bei der Biogaserzeugung aufgezeigt. An den Partikeln können sich Mikroorganismen festsetzen und so im Reaktor zurückgehalten werden. Auch lassen sich damit unerwünschte Schad- oder Störstoffe aus Bioprozessen, Abwässern oder der Umwelt entfernen. Die Ergebnisse einer Studie zur Wirkung im Biogasprozess wurden soeben in der renommierten Fachzeitschrift „Bioresource Technology“ veröffentlicht.
Anaerobe biologische Prozesse wie die Biogaserzeugung sind in ihrer Leistung und Anwendbarkeit begrenzt, zum einen durch das sehr langsame Wachstum der beteiligten Mikroorganismen und zum anderen durch die hemmende Wirkung verschiedener Stoffe wie Ammonium auf das mikrobielle System. Übliche Verfahren zur Anreicherung von Mikroorganismen beruhen zumeist auf der Rückhaltung durch Sedimentation oder auf Einbauten im Bioreaktor, an denen sich die Organismen festsetzen können. Beides ist jedoch nur möglich, wenn die Fermentationsflüssigkeit ausreichend fließfähig ist. In Biogasanlagen, die vorwiegend strukturreiche Stoffe wie Mist oder Maissilage vergären, ist die Viskosität meist zu hoch.
Wissenschaftler am Leibniz-Institut für Agrartechnik in Potsdam und der Berliner Humboldt-Universität setzen bei ihrem Ansatz zur Leistungssteigerung im Biogasreaktor auf Biokohle – genauer: auf magnetische Kohlenstoff-Komposite.
Biokohle ist ein kohlenstoff- und oberflächenreiches Material, das ähnlich der Holzkohle durch thermische Umwandlung von Biomasse entsteht. Biokohle kann auf verschiedenen Wegen hergestellt werden. Besonders flexibel ist das Verfahren der hydrothermalen Karbonisierung (HTC). Hier findet der Prozess in Anwesenheit von Wasser statt und die Biomasse kann über mehrere Zwischenstufen gezielt zu Kohleprodukten mit bestimmten Eigenschaften umgewandelt werden. Aufgrund ihrer hohen biologischen Stabilität und großen Aufnahmefähigkeit für Wasser und Nährstoffe eignet sich Biokohle insbesondere als Hilfsstoff zur Verbesserung von wenig fruchtbaren Böden und zur dauerhaften Bindung von Kohlenstoff (C-Sequestrierung). Ihre speziellen Eigenschaften machen Biokohle aber auch für eine Reihe weiterer Anwendungen interessant, wie die Reinigung von Abwässern oder die Katalyse biologischer oder chemischer Prozesse.
In ihrem in der Fachzeitschrift „Bioresource Technology“ erschienenen Artikel berichten die Forscher aus Potsdam und Berlin über die Herstellung magnetischer Kohle mittels HTC und deren erfolgreicher Besiedelung durch Biogas-Mikroorganismen in Labortests.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich mit Hilfe der HTC stabile magnetische Kohlepartikel herstellen lassen, die zum Beispiel als Träger von funktionellen Mikroorganismen Verwendung finden. Diese Träger lassen sich durch magnetische Kräfte dauerhaft im Biogasreaktor zurückhalten“, beschreibt APECS-Projektleiter Dr. Jan Mumme den Nutzen dieser Entwicklung. „Anaerobe Mikroorganismen sind, wenn sie in Biofilmen leben, stabiler gegenüber Umwelteinflüssen und können durch gegenseitige Unterstützung eine höhere Umsatzleistung erzielen als freilebende Organismen“, ergänzt Patrice Ramm, der sich in seiner Doktorarbeit mit der magnetischen Rückhaltung mikrobieller Biomasse in Biogasreaktoren beschäftigt.
Die Vorteile des neuen kohlebasierten Verfahrens sind die einfache Herstellung bei relativ geringen Temperaturen, die Nutzung gut verfügbarer organischer Ausgangsstoffe (auch Abfall-Biomasse) und die hohe Variabilität der Komposite bezüglich ihrer Funktionalität und Morphologie.
Die neuen magnetischen Kohlen wurden aus mikrokristalliner Zellulose und dem magnetischen Material Ferrit bei 250°C im Druckreaktor hergestellt. Mikroskopische Aufnahmen belegen, dass sich auf den 30-80 µm großen Ferritpartikeln eine amorphe Kohleschicht bildete. Die magnetischen Eigenschaften blieben auch nach der hydrothermalen Karbonisierung erhalten. So entstanden im Ergebnis Partikel mit Magnetkern und Kohlemantel. Das neue Material hatte eine ähnlich große Oberfläche wie unbehandelte Zellulose, wies aber mit 0,88 m2/g im Vergleich zu nichtmagnetischer HTC-Kohle aus Zellulose (21,2 m2/g) eine wesentlich kleinere Oberfläche auf.
Nachfolgend wurden die Komposite in Laborversuchen über insgesamt 158 Tage auf ihre Wirkung im Biogasprozess untersucht. Als Ausgangsmaterial für die Biogasbildung diente Rübensilage. Neben den Kompositen wurden zum Vergleich eine nicht-magnetische HTC-Kohle, Zeolith als bekanntes Biogas-Additiv sowie eine gänzlich partikelfreie Variante untersucht. Die zu Beginn des Versuchs hemmende Wirkung von Kompositen und HTC-Kohle auf den Biogasprozess ließ schnell nach. Zum Ende zeigten die Komposite mit 93 L Methan je kg Rübensilage die höchste Methanausbeute aller Varianten, was statistisch jedoch noch nicht belegbar war. Die gewünschte Anlagerung von Mikroorganismen auf den magnetischen Kohlen war in den mikroskopischen Aufnahmen deutlich sichtbar.
Dr. Rainer Tölle von der Humboldt-Universität zu Berlin befasst sich seit vielen Jahren mit der Detektion magnetischer Eigenschaften in unterschiedlichen Materialen aus der Umwelt und aus technischen Prozessen. Hierfür hat er ein Messgerät für die Bestimmung der magnetischen Suszeptibilität entwickelt, das in diesem Projekt zum Einsatz kam, um die magnetischen Eigenschaften der Komposite zu bestimmen. „Die magnetische Suszeptibilität ist eine schnell und zerstörungsfrei zu messende Materialeigenschaft. Daraus lässt sich ableiten, mit welcher Kraft ein Material von einem Magneten angezogen wird. Auch können unter bestimmten Voraussetzungen Rückschlusse auf den Gehalt an Schwermetallen in der Probe gezogen werde“, so der Wissenschaftler.
Seit 2009 forscht das ATB auf dem Gebiet Biokohle und seit 2005 gemeinsam mit der HU Berlin zur Anwendung magnetischer Partikel in Biogasanlagen. Daraus sind neben 30 wissenschaftlichen Publikationen auch zahlreiche Patente entstanden u.a. zur Herstellung und Biogas-Anwendung der magnetischen Kohlepartikel, aber auch zur vorteilhaften Kopplung von Biogas und Biokohle als integriertes Verfahren zur Erhöhung der Wertschöpfung und Klimabilanz bei der Nutzung organischer Reststoffe.
Die Projektgruppe „APECS - Anaerobic Pathways to Renewable Energies and Carbon Sinks“ wurde von 2009 bis Ende 2014 vom BMBF im Rahmen von „Bioenergie 2021“ gefördert. Projektleiter Dr. Jan Mumme arbeitet gegenwärtig als Gastwissenschaftler am UK Biochar Research Center der University of Edinburgh. Dr. Toufiqur Reza gehörte bis Mitte 2014 dem APECS-Team an und arbeitet heute an der University of Nevado in Reno, USA.
Literatur:
Reza, M. T., Rottler, E., Tölle, R., Werner, M., Ramm, P., Mumme, J. (2015): Production, characterization, and biogas application of magnetic hydrochar from cellulose. Bioresource Technology. DOI: 10.1016/j.biortech.2015.03.044
Mumme, J., Srocke, F., Heeg, K., Werner, M. (2014): Use of biochars in anaerobic digestion. Bioresource Technology 164, 189-197. DOI: 10.1016/j.biortech.2014.05.008
Ramm, P., Jost, C., Neitmann, E., Sohling, U., Menhorn, O., Weinberger, K., Mumme, J., Linke, B., (2014): Magnetic biofilm carriers – the use of novel magnetic foam glass particles in anaerobic digestion of sugar beet. Journal of Renewable Energy. Article ID 208718, 10 pages, DOI:10.1155/2014/208718. Online: http://tinyurl.com/ngtsksm
Wissenschaftler am Leibniz-Institut für Agrartechnik in Potsdam und der Berliner Humboldt-Universität setzen bei ihrem Ansatz zur Leistungssteigerung im Biogasreaktor auf Biokohle – genauer: auf magnetische Kohlenstoff-Komposite.
Biokohle ist ein kohlenstoff- und oberflächenreiches Material, das ähnlich der Holzkohle durch thermische Umwandlung von Biomasse entsteht. Biokohle kann auf verschiedenen Wegen hergestellt werden. Besonders flexibel ist das Verfahren der hydrothermalen Karbonisierung (HTC). Hier findet der Prozess in Anwesenheit von Wasser statt und die Biomasse kann über mehrere Zwischenstufen gezielt zu Kohleprodukten mit bestimmten Eigenschaften umgewandelt werden. Aufgrund ihrer hohen biologischen Stabilität und großen Aufnahmefähigkeit für Wasser und Nährstoffe eignet sich Biokohle insbesondere als Hilfsstoff zur Verbesserung von wenig fruchtbaren Böden und zur dauerhaften Bindung von Kohlenstoff (C-Sequestrierung). Ihre speziellen Eigenschaften machen Biokohle aber auch für eine Reihe weiterer Anwendungen interessant, wie die Reinigung von Abwässern oder die Katalyse biologischer oder chemischer Prozesse.
In ihrem in der Fachzeitschrift „Bioresource Technology“ erschienenen Artikel berichten die Forscher aus Potsdam und Berlin über die Herstellung magnetischer Kohle mittels HTC und deren erfolgreicher Besiedelung durch Biogas-Mikroorganismen in Labortests.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich mit Hilfe der HTC stabile magnetische Kohlepartikel herstellen lassen, die zum Beispiel als Träger von funktionellen Mikroorganismen Verwendung finden. Diese Träger lassen sich durch magnetische Kräfte dauerhaft im Biogasreaktor zurückhalten“, beschreibt APECS-Projektleiter Dr. Jan Mumme den Nutzen dieser Entwicklung. „Anaerobe Mikroorganismen sind, wenn sie in Biofilmen leben, stabiler gegenüber Umwelteinflüssen und können durch gegenseitige Unterstützung eine höhere Umsatzleistung erzielen als freilebende Organismen“, ergänzt Patrice Ramm, der sich in seiner Doktorarbeit mit der magnetischen Rückhaltung mikrobieller Biomasse in Biogasreaktoren beschäftigt.
Die Vorteile des neuen kohlebasierten Verfahrens sind die einfache Herstellung bei relativ geringen Temperaturen, die Nutzung gut verfügbarer organischer Ausgangsstoffe (auch Abfall-Biomasse) und die hohe Variabilität der Komposite bezüglich ihrer Funktionalität und Morphologie.
Die neuen magnetischen Kohlen wurden aus mikrokristalliner Zellulose und dem magnetischen Material Ferrit bei 250°C im Druckreaktor hergestellt. Mikroskopische Aufnahmen belegen, dass sich auf den 30-80 µm großen Ferritpartikeln eine amorphe Kohleschicht bildete. Die magnetischen Eigenschaften blieben auch nach der hydrothermalen Karbonisierung erhalten. So entstanden im Ergebnis Partikel mit Magnetkern und Kohlemantel. Das neue Material hatte eine ähnlich große Oberfläche wie unbehandelte Zellulose, wies aber mit 0,88 m2/g im Vergleich zu nichtmagnetischer HTC-Kohle aus Zellulose (21,2 m2/g) eine wesentlich kleinere Oberfläche auf.
Nachfolgend wurden die Komposite in Laborversuchen über insgesamt 158 Tage auf ihre Wirkung im Biogasprozess untersucht. Als Ausgangsmaterial für die Biogasbildung diente Rübensilage. Neben den Kompositen wurden zum Vergleich eine nicht-magnetische HTC-Kohle, Zeolith als bekanntes Biogas-Additiv sowie eine gänzlich partikelfreie Variante untersucht. Die zu Beginn des Versuchs hemmende Wirkung von Kompositen und HTC-Kohle auf den Biogasprozess ließ schnell nach. Zum Ende zeigten die Komposite mit 93 L Methan je kg Rübensilage die höchste Methanausbeute aller Varianten, was statistisch jedoch noch nicht belegbar war. Die gewünschte Anlagerung von Mikroorganismen auf den magnetischen Kohlen war in den mikroskopischen Aufnahmen deutlich sichtbar.
Dr. Rainer Tölle von der Humboldt-Universität zu Berlin befasst sich seit vielen Jahren mit der Detektion magnetischer Eigenschaften in unterschiedlichen Materialen aus der Umwelt und aus technischen Prozessen. Hierfür hat er ein Messgerät für die Bestimmung der magnetischen Suszeptibilität entwickelt, das in diesem Projekt zum Einsatz kam, um die magnetischen Eigenschaften der Komposite zu bestimmen. „Die magnetische Suszeptibilität ist eine schnell und zerstörungsfrei zu messende Materialeigenschaft. Daraus lässt sich ableiten, mit welcher Kraft ein Material von einem Magneten angezogen wird. Auch können unter bestimmten Voraussetzungen Rückschlusse auf den Gehalt an Schwermetallen in der Probe gezogen werde“, so der Wissenschaftler.
Seit 2009 forscht das ATB auf dem Gebiet Biokohle und seit 2005 gemeinsam mit der HU Berlin zur Anwendung magnetischer Partikel in Biogasanlagen. Daraus sind neben 30 wissenschaftlichen Publikationen auch zahlreiche Patente entstanden u.a. zur Herstellung und Biogas-Anwendung der magnetischen Kohlepartikel, aber auch zur vorteilhaften Kopplung von Biogas und Biokohle als integriertes Verfahren zur Erhöhung der Wertschöpfung und Klimabilanz bei der Nutzung organischer Reststoffe.
Die Projektgruppe „APECS - Anaerobic Pathways to Renewable Energies and Carbon Sinks“ wurde von 2009 bis Ende 2014 vom BMBF im Rahmen von „Bioenergie 2021“ gefördert. Projektleiter Dr. Jan Mumme arbeitet gegenwärtig als Gastwissenschaftler am UK Biochar Research Center der University of Edinburgh. Dr. Toufiqur Reza gehörte bis Mitte 2014 dem APECS-Team an und arbeitet heute an der University of Nevado in Reno, USA.
Literatur:
Reza, M. T., Rottler, E., Tölle, R., Werner, M., Ramm, P., Mumme, J. (2015): Production, characterization, and biogas application of magnetic hydrochar from cellulose. Bioresource Technology. DOI: 10.1016/j.biortech.2015.03.044
Mumme, J., Srocke, F., Heeg, K., Werner, M. (2014): Use of biochars in anaerobic digestion. Bioresource Technology 164, 189-197. DOI: 10.1016/j.biortech.2014.05.008
Ramm, P., Jost, C., Neitmann, E., Sohling, U., Menhorn, O., Weinberger, K., Mumme, J., Linke, B., (2014): Magnetic biofilm carriers – the use of novel magnetic foam glass particles in anaerobic digestion of sugar beet. Journal of Renewable Energy. Article ID 208718, 10 pages, DOI:10.1155/2014/208718. Online: http://tinyurl.com/ngtsksm