Projekt IceAGE: Mit der Sonne in den Norden
Durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie mussten mehrere Expeditionen mit dem Forschungsschiff SONNE abgesagt werden. Jetzt konnte ein Wissenschaftlerteam wieder ablegen. Das Ziel: die Tiefsee rund um Island. Die Forschungsfahrt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.
Nördlich liegt die Grönlandsee, östlich das Europäische Nordmeer, im Süden beginnt der Nordatlantik – das Meeresgebiet rund um Island, der größten Vulkaninsel der Erde, ist abwechslungsreich. Es ist geprägt von verschiedenen Wassermassen mit unterschiedlichen Eigenschaften wie Salzgehalt, Sauerstoffgehalt oder Temperatur, in denen vielfältige marine Lebensräume entstanden sind. Diese Ökosysteme untersucht jetzt ein interdisziplinäres Forscherteam während einer fünfwöchigen Expedition mit dem Forschungsschiff SONNE. Die Arbeiten finden im Rahmen des Projekts IceAGE (Icelandic marine Animals: Genetics and Ecology) statt, das bereits vor zwölf Jahren gestartet wurde. Das Team knüpft an drei frühere Expeditionen an. Die Besonderheit der aktuellen Forschungsfahrt: Neben externen wissenschaftlichen Partnern wird auch die Öffentlichkeit über Live-Streams eingebunden, wenn der Tauchroboter ROV KIEL 6000 des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel zum Einsatz kommt.
„Die Topografie des Meeresbodens ist sehr divers – es gibt Tiefseebecken, Meeresrücken und flache Kontinentalhänge. Alle diese Faktoren führen auch zu einer hohen Artenvielfalt in diesem Gebiet“, erklärt Projektleiterin Saskia Brix vom Deutschen Zentrum für Marine Biodiversitätsforschung bei Senckenberg am Meer in Hamburg. Dabei sind die mehrere Kilometer tiefen Meeresbecken durch lang gezogene Gebirgszüge, den Meeresrücken, voneinander abgegrenzt. Im Untersuchungsgebiet liegt unter anderem der Grönland-Färöer-Rücken, der eine Barriere zwischen der Arktis und dem Nordatlantik darstellt. Dort werden Meeresgeologen verschiedene Messungen durchführen und sich anhand der Unterwasseraufnahmen die Beschaffenheit des Meeresbodens genauer anschauen – mit den Ergebnissen sollen Lücken in den Tiefseekarten geschlossen werden.
In dieser Region befindet sich auch das Kaltwasserkorallenriff „Lóngsjúp“, welches einen einzigartigen Lebensraum in der Tiefsee darstellt. In Kooperation mit dem isländischen Marine Research and Fishery Institute in Reykjavik untersuchen Spezialisten für die Morphologie bestimmter Tiergruppen zusammen mit Genetikern die am Riff gewonnenen Proben. Mit an Bord sind neben Ozeanographen, die sich unter anderem für die Strömungen und Wassermassen interessieren. Die dritte und letzte Etappe der Forschungsreise führt das 34-köpfige Forscherteam an den sogenannten Reykjanes Rücken, südlich von Island, welcher eine Verlängerung des Mittelatlantischen Rückens bildet. „Bei unserer letzten IceAGE-Expedition gab es in diesem Gebiet Hinweise auf eine heiße Unterwasserquelle, denen wir nun nachgehen möchten. Diese heißen Unterwasserquellen bilden ein sehr vielfältiges Ökosystem – ganz ohne Sonnenlicht“, gibt Brix einen Ausblick. Anschließend wird die SONNE wieder Kurs auf Emden nehmen – dort endet Ende Juli die Forschungsfahrt.