Rohstofflager Erzgebirge: Forscher wollen aus heimischen Komplexerzen Metalle gewinnen
Europäische Rohstoffexperten wollen im sächsischen Freiberg zeigen, dass sich aus komplex zusammengesetzten Erzen wichtige Metalle wirtschaftlich gewinnen lassen. Das Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf und seine Partner sowie das Verbundprojekt FAME entwickelten mittels Rohstoffanalysen und Computersimulationen ein neues Konzept zur Aufbereitung der Wertstoffe. In einem Pilotversuch mit 150 Tonnen Erz aus der Lagerstätte Hämmerlein-Tellerhäuser im Erzgebirge wollen sie das Konzept nun testen.
Bei dem Freiberger Pilotversuch kooperieren zwei Konsortien, die die erfolgreiche Aufbereitung komplexer Erze im Erzgebirge aktuell vorantreiben: das durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt „AFK – Aufbereitung feinkörniger heimischer Komplexerz-Lagerstätten und der von der Europäischen Union finanzierte Verbund „FAME – Flexible and Mobile Economic Processing Technologies. Im AFK-Projekt kooperieren das HIF, die TU Bergakademie Freiberg, das Ingenieurunternehmen UVR-FIA GmbH, die RWTH Aachen und die Explorationsfirmen Beak Consultants GmbH, Saxore Bergbau GmbH und Tin International. FAME ist ein Zusammenschluss von 16 Einrichtungen aus sechs Ländern und wird durch das britische Unternehmen Wardell Armstrong International koordiniert. Zu den deutschen Partnern zählen das Geokompetenzzentrum Freiberg, die G.E.O.S. Freiberg Ingenieurgesellschaft mbH, Nickelhütte Aue sowie die Saxore Bergbau GmbH, die die Probenahme sowie Teile des Pilotversuchs finanziert.
Zinn, Zink und Indium
Mit modernen Methoden untersuchten Geowissenschaftler aus beiden Forschungsverbünden die erzgebirgische Komplexerz-Lagerstätte Hämmerlein-Tellerhäuser. Es entstand ein detailliertes Bild der Lagerstätte: Der Hauptwertstoff Zinn und weitere begehrte Metalle wie Zink und Indium verteilen sich auf verschiedene Erzminerale, die wiederum eng verwachsen sind mit Mineralen ohne wirtschaftlich relevantem Metallinhalt. Die unterschiedlichen Minerale können nun nach Eigenschaften wie Farbe, Dichte oder Magnetisierbarkeit getrennt werden.
Für jeden Zerkleinerungsschritt und jeden Trennprozess der vielschichtigen Aufbereitungskette beschreibt ein Simulationsmodell, das AFK-Forscher entwickelten, einen optimalen Schwellenwert, bei dem die Metalle bestmöglich angereichert und die wertlosen Stoffe effizient abgetrennt werden. Ein großer Wertstoffstrom, den die Forscher weiterverarbeiten, und nur ein kleiner Abfallstrom sollen dadurch entstehen. Bei der Farbtrennung etwa gibt der Schwellenwert an, bei welchem Verhältnis von wertstoffreichen schwarzen Partikeln und wertstoffarmen weißen Teilchen es sich noch lohnt, das schwarze Gestein weiter anzureichern.
Neues Aufbereitungskonzept
Nach erfolgreichen Laborexperimenten soll sich das Aufbereitungskonzept nun im Pilotversuch bewähren, den die Wissenschaftler hauptsächlich am HIF und im Technikum der UVR-FIA GmbH in Freiberg durchführen. Einzelne Prozesse haben sie auch technologisch verbessert. Beispielsweise entwickelten die FAME-Forscher die Flotation weiter. Ihr selektives Verfahren kann feinste Partikel im Bereich weniger Mikrometer (ein Bruchteil der Breite eines menschlichen Haares) voneinander trennen. Letztlich forschen die Verbundpartner auch am Bergbau der Zukunft, bei dem es wenig oberirdischen Abraum und einen niedrigen Energieverbrauch geben soll: Mithilfe speziell angepasster Sensor-Technologien wollen die Wissenschaftler den Großteil des wertarmen Gesteins vorsortieren und abtrennen; es soll zum Teil als Straßenschotter zur Verfügung gestellt werden. Die Vorsortierung verringert den Abfall und den Energieeinsatz im gesamten Prozess.
Die 150 Tonnen Erz wurden durch die Bergsicherung Sachsen aus dem „Besucherbergwerk Zinnkammern Pöhla im Lizenzgebiet der Saxore Bergbau GmbH entnommen, in dem schätzungsweise 15 Millionen Tonnen Komplexerze lagern. Ähnliche Erze finden sich auch in anderen sächsischen Lagerstätten. „Wir wollen zeigen, dass man heute komplexe Rohstoffe technisch und wirtschaftlich verarbeiten kann. Das Erzgebirge könnte zu einem Leuchtturmbeispiel für die energie- und ressourceneffiziente Gewinnung primärer Ressourcen werden. Und die heimischen Lagerstätten könnten zur Versorgung mit mehreren wirtschaftsstrategischen Rohstoffen beitragen, sagt HIF-Direktor Prof. Jens Gutzmer. FAME-Koordinator Dr. Chris Broadbent fügt hinzu: „Von dem gemeinsamen Pilotversuch können beide Forschungsprojekte nur profitieren, was die Europäische Union durch ihre Förderung bekräftigt.