Schnell tauende Permafrostböden setzen deutlich mehr Treibhausgase frei
In den arktischen Permafrostböden schlummert eine Gefahr, die das weltweite Klima beeinträchtigen kann. Denn durch die Erderwärmung tauen die gefrorenen Böden auf, wodurch möglicherweise gewaltige Mengen Kohlenstoff freigesetzt werden. Die Folgen für unser Klimasystem untersucht das vom BMBF geförderte deutsch-russische Projekt KoPF.
Die Auswirkungen des Klimawandels sind in Sibirien längst sichtbar. Wohnblocks drohen in Städten wie Jakutsk einzustürzen, Straßen haben Risse, Bahnstrecken sacken ab. Der einst dauerhaft gefrorene Untergrund, auf denen die Bauwerke errichtet wurden, ist instabil geworden. Steigende Temperaturen bringen den Eisanteil im Permafrost zum Schmelzen, der Boden wird zu Schlamm.
Das sind die unmittelbaren Folgen für die Bewohner der arktischen Regionen, wenn sich der Untergrund flächendeckend verändert. Weitaus drastischer sind die Konsequenzen jedoch für das weltweite Klima. Denn im Permafrost sind schätzungsweise 1440 bis 1600 Milliarden Tonnen Kohlenstoff in Form von organischen Resten gespeichert – auf 18 Millionen Quadratkilometer.
Die abgestorbenen Pflanzenreste waren wie in einer gigantischen Tiefkühltruhe über Jahrtausende eingeschlossen und konnten nicht durch Mikroorganismen abgebaut werden. Erst durch das Auftauen der Bodenschichten werden die Bakterien aktiv und zersetzen das organische Material. Dabei gelangen Treibhausgase wie Methan und Kohlendioxid in die Atmosphäre.
Ein deutsch-russisches Forscherteam hat im Rahmen des vom BMBF geförderten Projekts KoPf (Kohlenstoff im Permafrost) jetzt herausgefunden, dass das Tempo der Auftauprozesse die Art und Menge der freigesetzten Treibhausgase entscheidend beeinflusst. Wie die Forscherinnen und Forscher im Fachmagazin Nature Geoscience berichten, könnten etwa fünf Prozent der Permafrostböden sehr schnell auftauen, wodurch sich die Gesamtemissionen um 40 Prozent erhöhen. Dieses Plus wurde in Klimamodellen bislang nicht berücksichtigt.
„Wie wir jetzt wissen, wird bei diesem schnellen Auftauen sehr viel Kohlenstoff in Form von Methan freigesetzt, welches als Treibhausgas etwa 25-mal klimawirksamer ist als Kohlenstoffdioxid. Das heißt, schnelle Auftauprozesse auf einer verhältnismäßig kleinen Fläche entfalten langfristig eine enorme Wirkung", sagt Mitautor Guido Grosse, Leiter der Sektion Permafrostforschung am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Potsdam.
Schnelle Auftauprozesse verändern bereits jetzt die Landschaft und Ökosysteme der Arktis. Große Permafrostflächen sacken ab, wodurch Senken entstehen, in denen sich Regen- und Schmelzwasser sammelt und es zur Bildung von Tümpel und Seen kommt. Diese sogenannten Thermokarstseen nehmen an ihrer Oberfläche viel mehr Sonnenenergie auf als die umgebende Landfläche. Die im Wasser gespeicherte Wärme wird an den gefrorenen Untergrund abgegeben, weshalb der Permafrost im Umfeld des Sees schnell auftaut. Oft zerfällt der Uferbereich und unter bestimmten Umständen läuft der See sogar aus. Mikroorganismen haben dann beste Ausgangsbedingungen, um Tier- und Pflanzenreste zu zersetzen und Treibhausgase zu produzieren.
Für die neue Studie in der Nature Geoscience hatte das KoPf-Forscherteam unter Leitung der Universität Hamburg verschiedene Modellstudien verglichen, in denen die Menge der bis zum Jahr 2300 freigesetzten Treibhausgase berechnet wird – einerseits bei einem allmählichen Auftauen über mehrere Jahrzehnte und andererseits bei Schmelzprozessen innerhalb weniger Tage oder Jahre.
Würde man die schnellen Tauprozesse mit einbeziehen, könnte das geschätzte Erwärmungpotenzial durch Emissionen aus den Permafrost-Regionen doppelt so hoch ausfallen, berichten die Autoren. Dies würden den vom Menschen verursachten Klimawandel weiter verschärfen. Die Studienautoren fordern, die Mechanismen des tauenden Permafrostes in sämtliche Klimamodelle einzubeziehen.