Smarte grüne Welt? IÖW und TU Berlin untersuchen sozial-ökologische Folgen der Digitalisierung

  • TU Berlin und IÖW erforschen, wie die Digitalisierung auf Umwelt und Gesellschaft wirkt
  • Werden in einer smarten digitalen Welt Ressourcen gespart und mehr Teilhabe für alle möglich? Oder passiert das Gegenteil?
  • Im Fokus: digitale Dienstleistungen zu Handel, Wohnen und Mobilität

Können Mobilitäts-Apps die Umwelt entlasten oder erhöhen die durch sie entstandenen neuen Möglichkeiten am Ende den CO2-Ausstoß? Wird der Konsum von Waren durch Onlineshopping gesteigert oder verringert er sich, wenn Verbraucher Produkte über Sharing-Plattformen teilen? Und fördert das Internet, dass mehr Menschen in der Gesellschaft mitbestimmen und sich damit nachhaltige Produkte leichter am Markt durchsetzen können? Ob die Digitalisierung Ressourcen spart oder verschwendet, ob sie demokratische Prozesse fördert oder hindert, untersucht das Forschungsprojekt „Digitalisierung und sozial-ökologische Transformation. Das gemeinsame fünfjährige Projekt des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und der Technischen Universität Berlin stellt sich jetzt vor: http://www.nachhaltige-digitalisierung.de. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Förderschwerpunkt Sozial-ökologische Forschung gefördert.

Die Digitalisierung verändert unseren Alltag und unsere Kommunikation: Wir kaufen online ein, streamen Videos aus dem Netz, kommunizieren über E-Mails, Kurznachrichten und soziale Netzwerke. Maschinen, Produkte und Menschen werden mit Informationstechnik immer weiter vernetzt. Dadurch eröffnen sich nicht nur unzählige neue Optionen, sondern auch die Effizienz kann gesteigert werden. Denn mittels digitaler Technologien können Ressourcen, Zeit und Kosten gespart werden. Nicht klar ist jedoch, welche Auswirkungen die Digitalisierung auf Mensch und Umwelt hat: Effizienzsteigerungen können Energie einsparen – aber auch zu sogenannten „Rebound-Effekten führen, durch die die Umweltbelastung insgesamt wieder steigt. Online eröffnen sich Möglichkeiten der demokratischen Partizipation und bieten sich Chancen für mehr Mitbestimmung, aber auch die Gefahr der Marktbeherrschung und Datensammlung durch internationale Konzerne. Ein nachhaltiger Lebensstil wird mithilfe digitaler Tools zwar theoretisch immer einfacher, gleichzeitig besteht die Gefahr, dass wir mit einem guten Gewissen noch mehr konsumieren.

Smarte grüne Welt oder digitale Wachstumsökonomie?

Führt die Digitalisierung uns in eine smarte grüne Welt, in der alle vom technologischen Fortschritt profitieren und die Umwelt bewahrt wird? Oder steuern wir in eine digitale Wachstumsökonomie, in der sich Geld und Macht auf wenige konzentrieren und wir noch schneller an die planetaren Grenzen stoßen? „Es ist wichtig zu hinterfragen, ob die zunehmende Digitalisierung auch sozialen und ökologischen Ansprüchen genügt, erläutert Tilman Santarius, Leiter der Forschungsgruppe an der TU Berlin und Fellow des IÖW. „Unsere Kernfrage lautet: Treten Rebound-Effekte auf oder wird Suffizienz bzw. ‚Genügsamkeit' beim Konsum gefördert? Wir möchten erforschen, wie die Digitalisierung dazu beitragen kann, unser zukünftiges Zusammenleben nachhaltiger, sozialer und demokratischer zu gestalten. Die Ergebnisse sollen zum Beispiel dazu beitragen, dass die Politik entsprechende Strategien für eine nachhaltige Digitalisierung entwickeln kann, erläuterte Santarius und verwies dabei auf den Koalitionsvertrag der drei Parteien der neuen Berliner Landesregierung, der eine Priorität auf die Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit legt.

Wie beeinflusst die Digitalisierung Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt?

Neben Energieverbräuchen und Konsumverhalten untersuchen die Wissenschaftler auch gesellschaftliche Leitbilder, Marketingstrategien und gesamtwirtschaftliche Effekte. Verändert die Digitalisierung Leitbilder für Individualität, Mobilität, Wohlstand und Naturverbrauch? Wie können Unternehmen Genügsamkeit beim Konsum durch Marketingstrategien unterstützen? Und kann die Digitalisierung regionale Wirtschaftsstrukturen unterstützen, die unabhängiger vom Wachstum sind? Gemeinsam mit Praxispartnern aus der Wirtschaft (Gira, Codeatelier, Raummobil, InnoZ, Avocado Store, Märkische Kiste), aus der Politik (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit) und aus der Zivilgesellschaft (Ver.di, Digitalcourage, Verbraucherzentrale Bundesverband) untersuchen die Forscher die Effekte digitaler Dienstleistungen insbesondere in den Bereichen Handel, Mobilität und Wohnen.