Wasser und Strom für den Nahen Osten
Um der Süßwasserknappheit zu begegnen, diskutiert Israel den Bau einer unterirdischen Pipeline vom Mittelmeer zum See Genezareth; sie könnte entsalztes Meerwasser in das Fluss-System des Jordan einspeisen. Zwei Kasseler Wissenschaftler haben nun einen Weg gefunden, diese Pläne mit Stromproduktion zu verbinden – denn auch bei den erneuerbaren Energien hat Israel großen Aufholbedarf. Das macht das Projekt wahrscheinlicher.
Im vergangenen Jahr haben Israel und Jordanien vereinbart, dass Jordanien künftig 100 Millionen m³ Süßwasser im Jahr aus dem See Genezareth erhält. Über den König-Abdullah- Kanal wird damit die Landwirtschaft Jordaniens sowie die Hauptstadt Amman mit Süßwasser versorgt. Geplant ist, diese Menge noch einmal um 200 Millionen m³ zu erhöhen; zugleich droht wegen des Klimawandels Wasserknappheit an der Levante.
Und dieses Dilemma zu lösen, überlegt man in Israel den Bau einer knapp 50 km langen Pipeline, die entsalztes Meerwasser aus dem Mittelmeer in den See Genezareth einspeist, der vom Jordan durchflossen wird. Martin Klein und Prof. Dr. Stephan Theobald von der Universität Kassel haben nun in einer ersten Untersuchung nachgewiesen, dass sich das Projekt mit dem Bau einer Wasserkraftanlage an der Pipeline verbinden ließe; denn der See liegt mehr als 200 Meter tiefer als das Mittelmeer, eine Wasserkraftanlage könnte das natürliche Gefälle ausnutzen und umweltfreundlichen Strom erzeugen.
Möglich ist, je nach Ausgestaltung der Entsalzungsanlage, der Pipeline und des Kraftwerks, eine Leistung von ca. 9,3 MW bis 47,5 MW und eine jährliche Stromerzeugung von ca. 78 – 400 GWh. Damit würden zwischen 11 und 16 Prozent der Energie, die für die Entsalzung des Wassers benötigt wird, zurückgewonnen. Abhängig ist das unter anderem vom Querschnitt der geplanten Pipeline, der Wasserproduktion der Entsalzungsanlage und der Betriebsführung des Kraftwerks. Neben einer durchgängigen Stromerzeugung könnte die Wasserkraftanlage auch diskontinuierlich betrieben werden, indem das zufließende Wasser in einem Speicherbecken zwischengespeichert wird. Dies würde einen gesteuerten (Pump-)Speicherbetrieb und Stromerzeugung nach Bedarf ermöglichen. Ein solcher Betrieb wäre dabei besonders vorteilhaft in Verbindung mit der vom Tag-Nacht-Zyklus abhängigen Photovoltaik, die in Israel derzeit stark ausgebaut wird.
„Das alles würde der Wasserknappheit begegnen und gleichzeitig einen Beitrag zum Ausbau der Erneuerbaren Energien leisten", erläutert Prof. Theobald, Leiter des Fachgebiets Wasserbau und Wasserwirtschaft an der Universität Kassel. Derzeit erzeugt Israel seinen Strom zu 94 Prozent aus fossilen Energieträgern. Nach Angaben Theobalds haben die politischen Entscheidungsträger großes Interesse am Ausbau der Wasserkraft. „Der Bau einer Entsalzungsanlage mit dazugehöriger Pipeline ist durch die Möglichkeit der Stromerzeugung deutlich wirtschaftlicher", schätzt er ein.
Die beiden Kasseler Wissenschaftler haben die Studie im Rahmen der Salam-Initiative erstellt, eines Verbundprojekts, in dem 20 Partnerinstitutionen aus Palästina, Jordanien, Israel und Deutschland an Strategien zur Lösung des Wasserdefizit-Problems im Nahen Osten arbeiten. Das Vorhaben wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert, weitere Informationen sind abrufbar unter https://iwrm-salam.de.