Wie Böden auf eine immer größere Anzahl von menschgemachten Einflüssen reagieren
Ein Wissenschaftlerteam der Freien Universität Berlin untersuchte die Auswirkungen mehrerer Faktoren des globalen Wandels. Die Studie ist nun in der neuesten Ausgabe von "Science" erschienen.
Die Auswirkung der durch Menschen verursachten Einflüsse auf Böden sollten Erkenntnissen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Freien Universität Berlin zwingend durch die kombinierte Untersuchung mehrerer Faktoren analysiert werden. Wie das Team um den Biologen Prof. Dr. Matthias Rillig herausfand, war es zwar schwierig, die Auswirkungen genau vorherzusagen, wenn viele Faktoren des globalen Wandels in die Analyse einbezogen wurden. Doch Untersuchungen der Bodenfunktionen und Biodiversität zeigten, dass einzelne Faktoren einander bedingten und es vom Untersuchungsteam unerwartete Zusammenhänge bis hin zu „ökologischen Überraschungen" gebe. Zudem gebe es konsistente Trends mit einer zunehmenden Anzahl von hinzugefügten Faktoren, unabhängig davon, welche Faktoren es waren. Für die Studie untersuchten die Ökologinnen und Ökologen in einem Mikrokosmos-Experiment die Auswirkungen von bis zu zehn Faktoren des globalen Wandels, die auf Menschen zurückzuführen sind – etwa Trockenstress oder das Aufkommen von Mikroplastik. Sie fügten dafür eine zunehmende Anzahl solcher Faktoren zufällig hinzu und überprüften die Auswirkungen. Die Studie erschien am Donnerstagabend in der aktuellen Ausgabe des renommierten Magazins „Science".
„Stellen Sie sich einen Boden in der Stadt oder auf einem landwirtschaftlichen Feld vor", erläutert Professor Matthias Rillig, „womit wird er sich konfrontiert sehen, also wie viele anthropogene Faktoren wirken auf ihn?" Es könne sich um steigende Temperaturen, um Trockenstress, das Vorhandensein von Mikroplastik und verschiedene Pestizide handeln, um Schwermetalle, Versalzung oder atmosphärische Stickstoffeinträge – also um „eine breite Palette von Faktoren mit unterschiedlichen Wirkungsweisen und unterschiedlichen Effekten". Eine solche Situation sei sehr schwer in Experimenten zu erfassen, da eine solche Studie sehr viele Faktoren und alle Kombinationen dieser Faktoren erforderlich machen würde, erläutert der Biologe. Ein Experiment, das die Wirkung von zehn wechselwirkenden Faktoren untersucht, hätte beispielsweise über tausend verschiedene Behandlungskombinationen. Solche Experimente sind in der Ökologie nicht möglich.
Aus diesem Grund seien bislang durch Bodenökologen bisher wahrscheinlich vor allem die Auswirkungen von ein oder zwei Faktoren auf einmal untersucht worden. „Etwa 99 Prozent der mehr als tausend Arbeiten, die wir für diese Studie untersucht haben, untersuchten nur die Auswirkungen von einem oder von zwei Faktoren auf den Boden, während in nur wenigen Experimente mehr Faktoren betrachtet worden sind", erklärt Dr. Anika Lehmann, Mitglied des Teams von Professor Rillig an der Freien Universität Berlin.
Matthias Rillig und sein Team untersuchten dann in einem Mikrokosmos-Experiment die Auswirkungen von zehn Faktoren des globalen Wandels. Zunächst wurde jeder Faktor für sich betrachtet. Dann untersuchte das Team die Auswirkungen, wenn immer mehr Faktoren einbezogen wurden. Sie taten dies, indem sie zufällig Faktoren aus dem Satz von zehn Faktoren hinzufügten. Auf diese Weise konnten sie untersuchen: Welche Auswirkungen lassen sich auf die Anzahl der Faktoren zurückführen, losgelöst davon, um welche es sich handelt? „Die Ergebnisse waren angesichts der Vielzahl der verwendeten Faktoren recht überraschend", erläutert Matthias Rillig, „für alle gemessenen Ergebnisse, Parameter zur Kohlenstoffspeicherung im Boden und zur Biodiversität von Pilzen gab es einen klaren Trend mit der steigenden Anzahl der einbezogenen Faktoren; zu beobachten war ein Rückgang der Bodenfunktionen und der Biodiversität." Das bedeute, dass die Wirkungsrichtung einfach dadurch ermittelt werden könne, dass man wisse, wie viele Faktoren auf den Boden und seine Organismen einwirken, unabhängig davon, um welche es dabei gegangen sei. „Sicherlich war es für die Vorhersage der tatsächlichen Wirkung immer noch hilfreich zu wissen, welche Faktoren beteiligt waren, und es war sehr schwierig bis unmöglich, vorherzusagen, was genau die Ursachen dafür waren, da immer mehr Faktoren ins Spiel kamen; aber die Richtung der Effekte war klar", unterstreicht der Biologe.
„Die Konsequenzen dieser Ergebnisse sind etwas ernüchternd, aber es gibt auch gute Nachrichten", erklärt Matthias Rillig: „Erstens bedeutet dies, dass wir derzeit noch ziemlich im Unklaren darüber sind, was mit dem globalen Wandel in der Realität tatsächlich passieren könnte, wenn immer mehr Faktoren auf die Ökosysteme einwirken. Darüber hinaus kann es einige Überraschungen geben: So wurden beispielsweise im Experiment Böden bei vielen angewandten Faktoren wasserabweisend, was bei der Betrachtung der Einzelfaktorergebnisse nicht deutlich wurde. Auf der anderen Seite bedeutet das vielleicht auch: Alles hilft; jeder Faktor, der eliminiert oder reduziert wird, wird potenziell Böden und Ökosysteme zugutekommen. Darüber hinaus sind einige Faktoren auch miteinander verknüpft, etwa Faktoren des Klimawandels oder Pestizidanwendungen." Dies bedeute, dass durch die Reduzierung einiger Faktoren – etwa durch Verhaltensänderungen oder geeignete politische Maßnahmen – auch andere reduziert werden könnten. „Was aus unserer Studie sehr deutlich geworden ist: Wir müssen die Ökologie des globalen Wandels mit Blick auf die Vielzahl von Faktoren und deren Wechselwirkungen überdenken", unterstreicht Matthias Rillig.
Studie
Rillig MC, Ryo M, Lehmann A, Aguilar-Trigueros CA, Buchert S, Wulf A, Iwasaki A, Roy J, Yang. 2019. Die Rolle mehrerer globaler Veränderungsfaktoren bei der Steuerung der Bodenfunktionen und der mikrobiellen Biodiversität. Wissenschaft; DOI: 10.1126/science.aay2832
Kontakt
Prof. Dr. Matthias C. Rillig, Institut für Biologie, Freie Universität Berlin, Telefon +49 30 838 53165; E-Mail: matthias.rillig@fu-berlin.de