Neue Studie: Framstraße wird Endlager für Plastikteilchen
In der Framstraße, der Meeresregion zwischen Grönland und Spitzbergen, werden seit Jahren hohe Konzentrationen von Mikroplastik gemessen. Ein Wissenschaftlerteam hat jetzt im Rahmen des vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekts BASEMAN herausgefunden, dass Meeresströmungen die Plastikpartikel über weite Strecken dorthin tragen.
Mikroplastik ist überall. Selbst in entlegenen, nahezu unberührten Regionen wie der Arktis haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den vergangenen Jahren massenweise Kunststoffteilchen nachgewiesen. Die weniger als fünf Millimeter kleinen Partikel werden zumeist durch den langsamen Zerfall von Plastikmüll im Ozean freigesetzt. Sie können aber auch bereits an Land entstehen und mit dem Wind oder über Abflüsse ins Meer gelangen.
In der Arktisregion steht vor allem die Framstraße im Blickpunkt der Forschung. Die dort festgestellten Mikroplastik-Konzentrationen erreichen seit Jahren immer neue Rekordwerte. So wurden bei jüngsten Probennahmen im Meereis bis zu 12.000 Kunststoffteilchen pro Liter gemessen, was eine Verdopplung gegenüber früheren Untersuchungen darstellt. In der Tiefsee stieg die nachgewiesene Menge innerhalb von zehn Jahren sogar um das 20-fache.
Hohe Belastungen mit Plastikpartikeln wurden von einem Forscherteam des Alfred-Wegener-Institutes, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) jetzt erneut in der Meeresregion zwischen Grönland und Spitzbergen nachgewiesen. Sie haben Mikroplastik-Konzentrationen in der gesamten Wassersäule sowie im Meeresboden gemessen und durch Modellsimulationen auch eine Erklärung für diese zunehmende Verschmutzung gefunden. Demnach tragen die zwei Hauptmeeresströmungen die mikroskopisch kleinen Kunststoffteilchen sowohl aus der Arktis als auch aus dem Nordatlantik in die Framstraße ein. Auf ihrem Weg dorthin driften die Kunststoffteilchen dann allmählich in die Tiefe und reichern sich am Meeresboden an.
Das berichtet das Forscherteam in einem Artikel, der jetzt im Fachmagazin Environmental Science & Technology erschienen ist. Die Arbeiten wurden im Rahmen des Verbundprojekts BASEMAN vom Bundesforschungsministerium gefördert. Das Projekt wiederum zählte zur Pilotmaßnahme Mikroplastik der Joint Programming Initiative Healthy and Productive Seas and Oceans (JPI Oceans).
Die Framstraße ist die einzige Tiefseeverbindung zwischen Arktischem und Atlantischem Ozean. In der bis zu 5600 Meter tiefen Rinne fließen zwei gegenläufige Meeresströmungen wie auf einer Autobahn dicht aneinander vorbei. Auf der östlichen Spur wird warmes Atlantikwasser Richtung Norden transportiert, während auf der Gegenspur Meereis und kaltes Wasser nach Süden strömt. Diese Ausgangslage ist vermutlich der Grund, warum das Forscherteam außerordentlich viele Plastikteilchen im Sediment gefunden hat, andererseits nur durchschnittliche Mengen im Wasser.
Verschiedene Bodenproben ergaben eine extreme Belastung von bis zu 13.000 Mikroplastikpartikeln pro Kilogramm Sediment. „Diese große Partikelmenge und die hohe Anzahl verschiedener Kunststoffarten im Sediment belegen, dass sich Mikroplastik am Meeresboden der Framstraße kontinuierlich anreichert. Das heißt, die Tiefsee dieser Meeresregion ist ein Endlager für mikroskopisch kleine Kunststoffteilchen“, sagt AWI-Tiefseeexpertin Melanie Bergmann.
Bestätigt wird diese Aussage durch Strömungsmodelle, in denen die Forscherinnen und Forscher simulierten, auf welchem Weg die Mikroplastikpartikel in die Framstraße gelangt sind. Abhängig von der Größe, der Kunststoffart, der Sinkgeschwindigkeit und der Wassertiefe haben manche Teilchen eine Reise von bis zu 650 Kilometern zurückgelegt, bevor sie den Meeresboden erreichten.
„Die jetzt veröffentlichte Studie ist eine wichtige Momentaufnahme, in der wir einen guten Überblick über die Kunststoffbelastung der Framstraße gewinnen konnten“, so Gunnar Gerdts, Leiter der Mikroplastik-Analytik am AWI. Knapp 40 Prozent der im Wasser der Framstraße treibenden Teilchen bestanden aus Polyamid, aus dem unter anderem Kunstfasern für Kleidung und Fischernetze hergestellt werden. Fast jedes vierte Kunststoffteilchen aus der Wassersäule konnte als Synthesekautschuk identifiziert werden, der unter anderem im Automobil- und Gerätebau oder für Abdichtungen verwendet wird. In den Ablagerungen am Meeresboden fand das Team vor allem Partikel aus Polyethylen, welches bei der Herstellung von Kabeln und Schläuchen eingesetzt wird.
Wie wird Mikroplastik im Wasser entdeckt?
Die Probennahmen für diese Studie fanden im Sommer 2016 an fünf Stationen des AWI-Tiefseeobservatoriums HAUSGARTEN statt. Die Kunststoffanalysen wurden mithilfe eines Fourier-Transform-Infrarot-Spektrometers durchgeführt. Dieses Gerät beleuchtet Mikropartikel mit Infrarotlicht und analysiert die von ihnen reflektierte Strahlung. Je nach Inhaltsstoffen absorbieren und reflektieren die Teilchen unterschiedliche Wellenlängen, sodass jede Substanz anhand ihres optischen Fingerabdruckes bestimmt werden kann.