Langzeitprojekt: Deutsch-brasilianisches Forscherteam ebnet Weg zum Schutz der Mangroven
Am heutigen Internationalen Tag der Mangroven wird daran erinnert, wie wertvoll diese Ökosysteme für das Klima und den Küstenschutz sind. In Brasilien hat ein deutsch-brasilianisches Forscherteam den Schutz der Mangroven vorangetrieben. Die Ergebnisse sind auch nach Jahrzehnten noch sichtbar.
Auf fast acht Millionen Quadratkilometern erstrecken sich die Regenwälder im Einzugsgebiet des Amazonas, mehr als die Hälfte davon in Brasilien. Doch das wohl artenreichste Ökosystem der Erde ist mehr denn je durch menschliche Eingriffe bedroht – immer mehr Flächen werden abgeholzt und in Brand gesetzt, um Platz für Rinderweiden und Plantagen zu schaffen.
Weit weniger bekannt ist ein weiterer Naturschatz des Landes – die Mangrovenwälder. Die charakteristischen Stelzenbäume wachsen entlang der ausgedehnten Küstenlinie Brasiliens. Auch ihr Bestand ging in den vergangenen Jahrzehnten trotz der Ausweisung von Schutzgebieten deutlich zurück, da die Wälder zur Holzgewinnung, zur Fischzucht oder zum Siedlungsbau gerodet wurden.
Mit einem damals einzigartigen Projekt hat ein Wissenschaftlerteam um den Ökologen Ulrich Saint-Paul eines der größten Mangrovengebiete der Welt im Nordosten Brasiliens untersucht und ein Konzept für die nachhaltige Nutzung vorgelegt – die Ergebnisse sind bis heute sichtbar. Die Besonderheit: Das interdisziplinäre Forscherteam arbeitete direkt mit lokalen Akteuren zusammen.
MADAM hieß das vom Bundesforschungsministerium im Zeitraum von 1995 bis 2005 geförderte Vorhaben. Das Großprojekt im Rahmen der wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit mit Brasilien wurde vom Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung (ZMT) Bremen und der Bundesuniversität von Pará (UFPA) koordiniert.
„Wir haben in Deutschland und Brasilien eine ganze Reihe von Wissenschaftlern ausgebildet, die heute weltweit eigene Beiträge zur Mangrovenforschung leisten", sagt Saint-Paul. Darüber hinaus entstanden neue Strukturen: In der Hafenstadt Bragança wurde von brasilianischen Partnern im Projekt MADAM ein Küstenforschungsinstitut aufgebaut, das sich mit Mangroven beschäftigt. Gleichzeitig wurde das Forschungsprojekt zur tragenden Säule des ZMT.
Die bilaterale Kooperation wirke bis heute nach, sagt der mittlerweile emeritierte Professor. „Ein wichtiger Erfolg war, dass wir das Thema in den Köpfen verankern konnten." Dafür wurde ein intensiver Dialog mit lokalen Nutzern geführt, zudem wurde die Öffentlichkeit über verschiedene Kanäle aufgeklärt. „Wir hatten sogar eine eigene Radiosendung", sagt Saint-Paul.
Die Gezeitenwälder an der Grenze zwischen Land und Wasser bieten nicht nur Schutz vor Stürmen und Küstenerosion, sondern sind auch Lebensraum für unzählige Arten von Fischen und Krebstieren. Außerdem haben sie eine große Bedeutung für das Klima: Forscher schätzen, dass im metertiefen Schlick unter den Mangrovenwäldern bis zu 20 Milliarden Tonnen Kohlenstoff gespeichert sind.
„Jahrelang interessierte sich außerhalb der Wissenschaft kaum jemand für diese wertvollen Ökosysteme", sagt Saint-Paul. Erst zuletzt habe ein Umdenken eingesetzt. Der Raubbau an Mangrovenwäldern, deren Bestand in den vergangenen 50 Jahren weltweit um ein Drittel zurückging, wurde gebremst und zahlreiche Wiederaufforstungsprojekte gestartet.
„Aber auch bei der Wiederaufforstung wurden Fehler gemacht", sagt Saint-Paul. Oft werden die einstmals vielfältigen Mangrovenwälder durch Monokulturen ersetzt oder an ungeeigneten Standorten gepflanzt. Nach den Erfahrungen von Saint-Paul, der in mehreren Ländern Mangrovenprojekte leitete, fehlt bei vielen Maßnahmen eine forstwirtschaftliche Expertise.
Dennoch gibt es Anlass für vorsichtigen Optimismus. Wurde die weltweite Verlustrate bisher auf ein bis drei Prozent pro Jahr geschätzt, kommt eine aktuelle Studie unter Leitung der Nationalen Universität Singapur zu dem Schluss, dass seit der Jahrtausendwende der Mangrovenbestand um lediglich 0,3 bis 0,6 Prozent jährlich zurückgegangen ist.
Der Weg zu einem globalen Mangrovenschutzprogramm ist freilich noch weit. Saint-Paul plädiert dafür, die Aufklärung weiter zu intensivieren und die lokale Bevölkerung noch stärker einzubeziehen. „Die Menschen müssen erkennen, dass diese Ökosysteme ihre Existenz sichern", betont Saint-Paul. In Brasilien ist dieses Verständnis – auch 15 Jahre nach Projektende – noch vorhanden.
Mangrovenwälder kommen an den tropischen und subtropischen Küstenlinien in mehr als 100 Ländern vor – sie bedecken eine Fläche von rund 15 Millionen Hektar. Mangroven wachsen im Gezeitenbereich der Meere und haben sich an das Wechselspiel zwischen trockenen und nassen Perioden angepasst. Zu diesen Gewächsen zählen mehr als 60 Bäume und Sträucher – manche Arten erreichen eine Höhe von 60 Metern, andere bilden ein kniehohes Gestrüpp.
Mangrovenwälder sind ökologische Multitalente. Doch im Vergleich zu Korallenriffen und Regenwäldern stehen sie deutlich weniger im Blickpunkt. Dabei ist ihre Bedeutung für Mensch und Umwelt genauso groß. Mangroven bieten durch ihre tiefe Verwurzelung im Sediment einen wirksamen Schutz vor Küstenerosion, Stürmen und Tsunamis. Sie sind Kinderstube für unzählige Fisch- und Krebsarten und versorgen Millionen Menschen mit Nahrungsmitteln. Die Zuflüsse und Abflüsse des Gezeitenstroms dienen den Fischen quasi als Schnellstraßen zu ihren Nahrungsgründen in den Mangroven. Darüber hinaus haben Mangroven eine wichtige Funktion für die Klimaregulierung: Sie speichern gewaltige Mengen Kohlenstoff.
Als Wälder am Übergang zwischen Land und Meer sind sie Tiden ausgesetzt und werden regelmäßig überschwemmt. Das Dickicht ihrer charakteristischen Stelz- und Luftwurzeln hält jedoch Sediment im Waldboden zurück und verhindert, dass es ausgewaschen wird. Im Schlick sammeln sich im Laufe der Zeit enorme Mengen an organischem Material an: Blätter, abgestorbenes Holz, Ausscheidungen von Fischen und Krabben sowie angeschwemmtes Material von Flüssen. Die Schlammschichten können viele Meter tief sein. Laut einer Studie aus dem Jahr 2011 sind im Durchschnitt über 1000 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar Mangrovenwald gespeichert, viermal so viel wie in tropischen Regenwäldern.
Die zunehmende Nutzung von Küstenräumen gefährdet weltweit den Bestand der Mangroven. Sie werden für Bau- und Brennholz gerodet und müssen für Aquakulturen, Landwirtschaft und den Siedlungsbau weichen. Zusätzlich gefährdet auch die steigende Umweltverschmutzung diese wertvollen Küstenökosysteme. Ein Drittel der weltweiten Mangrovenbestände wurden in den vergangenen 50 Jahren bereits abgeholzt. Ein Brennpunkt ist Südostasien: Auf den Philippinen sind rund 70 Prozent der Mangrovenwälder verschwunden. Verschiedene Studien zeigen zudem, dass in manchen Regionen Indonesiens bis zu 80 Prozent der Mangroven abgeholzt wurden.